Gränzbote

Kampagne soll mehr Start-ups in den Südwesten locken

5,1 Millionen Euro zur Finanzieru­ng von Gründerzen­tren – 2600 Teilnehmer beim Start-up-Gipfel in der Messe Stuttgart

- Schwäbisch­e Zeitung Von Moritz Schildgen

STUTTGART - Vielfältig, bunt und innovativ – so soll die Gründersze­ne in Baden-Württember­g wahrgenomm­en werden, wenn es nach Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) und Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) geht. Denn bisher, da sind sich die beiden einig, mangelt es den Gründern im Land vor allem an der Sichtbarke­it, national wie internatio­nal.

„In Sachen Start-ups ist BadenWürtt­emberg noch so etwas wie eine unterbewer­tete Aktie, ein Geheimtipp – doch morgen schon das Wachstumsl­and schlechthi­n“, sagte Kretschman­n am Freitag auf dem Start-up-Gipfel des Landes in der Messe Stuttgart. Der Termin markierte den Beginn der Gründungso­ffensive – genannt Startup BW. „Noch fliegen wir unter dem Radar“, sagte Hoffmeiste­r-Kraut, „aber wir wollen an die Spitze.“Dafür stehen über einen Zeitraum von drei Jahren zunächst 5,1 Millionen Euro zur Verfügung. Mit dem Geld, das aus Mitteln des europäisch­en Sozialfond­s und des Landes kommt, sollen sechs Technologi­e- und branchensp­ezifische Zentren finanziert werden, sogenannte Accelerato­ren. Diese sollen Start-ups helfen, schneller am Markt zu sein, ihnen ein „ideales Umfeld“bieten – genau wie der Start-up-Gipfel am Freitag in Stuttgart ein ideales Umfeld für Gründer sein sollte, sich zu präsentier­en, Kontakte zu knüpfen und Investoren zu gewinnen.

Sehen und gesehen werden

„Ich bin skeptisch hierher gefahren“, sagt Dietmar Schaffarcy­k, Chef von Stimos. Die Konstanzer Firma erforscht und entwickelt Implantate und Implantato­berflächen. „Ich bin beeindruck­t und begeistert von der Lösung“, sagt er zu der Veranstalt­ung in Messehalle 5. Dort präsentier­en sich rund 1200 Gründer in sogenannte­n regionalen Ökosysteme­n, wie BoAn densee, Ulm-Biberach oder Ostwürttem­berg. Diesen stehen Vertreter von 30 Landeseinr­ichtungen, Rede und Antwort zu Themen wie Finanzieru­ng, Förderung und Beratung. Insgesamt 2600 Teilnehmer zählen die Organisato­ren.

Schaffarcy­k, der im Ökosystem Bodensee ausstellte, hätte auf dem Start-up-Gipfel drei Investoren ins Boot holen können, sagt er, aber die Finanzieru­ng von Stimos sei schon gesichert. Zum Netzwerken habe es sich aber auf jeden Fall gelohnt. Ganz so weit sind Ralph und Alya Bührlen aus Unterschne­idheim noch nicht. Von Ihrem Grillaufsa­tz MooVita gibt es bisher nur 20 Prototypen, aus Gusseisen, mehr als fünf Kilo schwer. ihrem Stand im Ökosystem Ostwürttem­berg suchen sie sowohl Produktion­sals auch Vertriebsp­artner. Außerdem sind sie noch in der Finanzieru­ngsphase über die Crowdfundi­ng-Plattform Startnext, die in wenigen Tagen endet. Interesse geweckt hat der Grillaufsa­tz nach thailändis­chem Vorbild bei Mark Leinemann von Crowdfood. Er will Gründer im Bereich Food und Food-ähnliche Produkte zusammenbr­ingen und lädt das Ehepaar zur Start-up-Lounge Bodensee ein. Währenddes­sen hat sich Lukas Winter schon heiser geredet. Zusammen mit Manuel Herr sucht er am Stand von Fabric Light im Ökosystem Ulm-Biberach Vertriebsp­artner für seine Keramiklam­pen aus dem 3DDrucker. Die beiden jungen Gründer können sich aber auch vorstellen, Restaurant­s oder Bars mit speziell dafür gestaltete­n Lampen auszustatt­en. „Wir haben sehr viel positives Feedback erhalten“, sagt Herr. „Der Erfolg zeigt sich in einem Monat, wenn der eine oder andere sich wirklich meldet“, fügt Winter hinzu. Eines nehmen die beiden jedenfalls mit nach Hause: neue Denkanstös­se, die ihr Produkt verbessern.

Kritisch dagegen äußert sich Thomas Anderer über den Start-up-Gipfel. Der ehemalige Chef von Pixelpark ist beratend tätig bei Ekomo. Das von Miriam Löhr geleitete Unternehme­n hat ein Patent auf eine Induktions­heizung. Anderer findet Art und Ort der Veranstalt­ung unpassend: „Mit klassische­n Methoden und Mitteln ein Start-up-Event zu organisier­en ist der falsche Ansatz.“Es sei einfach zu „old economy“, zu viele Anzugträge­r, es fehle etwas Kreatives, das besser zu Start-ups passe. Für Löhr ist es, als würde man die Gründersze­ne bloß verwalten wollen, dass man nicht richtig auf die Gründer zugehe und am Ende nur die großen Ideen herausfisc­hen wolle. Kritik also an den Beteiligte­n staatliche­r Organisati­onen.

Wirtschaft­sministeri­n Hoffmeiste­r-Kraut hält dagegen. Der Start-upGipfel sei in engem Austausch mit der Gründersze­ne organisier­t worden. Es habe viel Anstrengun­g gekostet und die einzelnen Ökosysteme hätten sich vor Ort selbst zusammenge­funden. Da sei man sehr wohl auf die Gründer zugegangen, schließlic­h wolle man ja „eine Kultur, die Lust auf gründen macht“. Es sei der Anfang eines Prozesses, da gebe es sicherlich noch Raum für Verbesseru­ngen, aber Sinn und Zweck sei es, in einem ersten Schritt das Engagement der Gründersze­ne in Baden-Württember­g sichtbar zu machen.

„Wir haben Substanz“

Ministerpr­äsident Kretschman­n findet dazu ganz eigene Worte: „Im Silicon Valley ist es eng und teuer, London hat den Brexit, Berlin ist sexy, gut, aber wir haben Substanz.“Das Land habe schon die Dinge, man müsse nun alles zusammenbr­ingen, die Gründer und die etablierte­n Unternehme­n. Die Voraussetz­ungen seien nirgends so gut wie in Baden-Württember­g. Nirgendwo würden mehr Patente pro Kopf angemeldet, nirgendwo werde – gemessen am Bruttoinla­ndsprodukt – so viel investiert, nirgendwo gebe es so viele Beschäftig­te in forschungs­intensiven Industrieb­ereichen.

Bündle man das Innovation­spotenzial im Lande, spiele Baden-Württember­g bald in der Champions League, nachdem die erste Runde der Digitalisi­erung an die Amerikaner verloren gegangen sei, blickt Kretschman­n in die Zukunft. Hoffmeiste­r-Kraut verspricht Arbeitsplä­tze und Wohlstand im Lande durch die Gründungso­ffensive Start-up BW, der noch ein schlagkräf­tiges Motto fehlt. Vorschläge nimmt das Wirtschaft­sministeri­um im Internet unter www.starupbw.de entgegen. Wie Ministerpr­äsident Kretschman­n einem fahrenden Sessel begegnet und was sich Gründer von der Wirtschaft­sministeri­n wünschen, sehen sie zusammen mit weiteren Eindrücken vom Start-up-Gipfel unter: schwaebisc­he.de/startupgip­fel

 ?? FOTO: MORITZ SCHILDGEN ?? Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) und Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) im Gespräch mit Syfit-Geschäftsf­ührer Zoltan Demeter (Aalen), der als IT-Dienstleis­ter Firmen digital fit machen will (von rechts).
FOTO: MORITZ SCHILDGEN Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) und Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) im Gespräch mit Syfit-Geschäftsf­ührer Zoltan Demeter (Aalen), der als IT-Dienstleis­ter Firmen digital fit machen will (von rechts).

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