Elektronik übernimmt das Ruder auf dem Flaggschiff
Mit dem neuen A8 will Audi endlich zurück auf die Erfolgsspur
Die Schärfe des Designs in ewigen Wiederholungen abgeschliffen, jedes Modell bis zur Langeweile perfektioniert und jetzt auch noch in den Dieselskandal verwickelt – nach Jahrzehnten des schier unaufhaltsamen Aufstiegs hat das Image von Audi Macken bekommen. Die schönste Tochter im VWKonzern scheint sich langsam zu einem Sorgenkind zu entwickeln. Doch jetzt ziehen die Bayern die Reißleine und lenken den Blick mit einem neuen A8 von den Problemen endlich wieder auf die Produkte. Wenn im Spätherbst zu Preisen ab 90 600 Euro die nächste Generation des Flaggschiffs in den Handel kommt, wollen die Herren der Ringe eine Revolution im Smoking anzetteln: „Das ist der Beginn einer neuen Ära“, schwärmt Designchef Marc Lichte bei der Premiere, und Projektleiter Peter Fromm beteuert, dass Audi mit dem neuen Luxusliner das Versprechen vom „Vorsprung durch Technik“wieder mit Inhalten füllt.
Wenn man den neuen A8 von vorne anschaut, tut man sich mit dem revolutionären Gedankengut zwar vielleicht noch ein bisschen schwer. Denn selbst wenn Lichte den aufrechten, großen und stolzen Single-Frame-Grill einmal mehr neu interpretiert und die Scheinwerfer weit in die Mitte gezogen hat, sieht die Front noch sehr erwartbar aus. Doch schon die Seitenlinie der noch einmal gestreckten und jetzt 5,17 oder in der L-Version sogar 5,30 Meter langen Limousine ist schärfer und schneller als je zuvor und lässt den Siebener von BMW oder die Mercedes S-Klasse ziemlich barock und behäbig wirken. Und von hinten sieht der A8 mit seinem neuen, durchgehenden Lichtband beinahe schon aus wie ein Raumschiff – erst recht, wenn die OLED-Konstruktion zur Begrüßung funkelt.
Spätestens beim Einsteigen sind dann auch die letzten Zweifel vergessen: Denn der Fahrer blickt nun in ein Hightech-Cockpit, das sich bis weit in die Türen spannt und aufgeräumter wirkt als je zuvor: Sensorfelder statt Bedientasten allerorten, in der Mittelkonsole gleich zwei große Touchscreens mit haptischer Rückmeldung und flexibler Belegung und dafür erstmals kein großer Drehregler mehr auf dem Mitteltunnel. Selbst die Lüftergitter tauchen nur dann hinter den Blenden auf, wenn die Klimaautomatik zu pusten beginnt. In diesem futuristischen Ambiente wirkt sogar das von Q7 und A4 übernommene Virtual Cockpit fast schon wie von gestern, selbst wenn es jetzt noch brillanter leuchtet und noch höher aufgelöst ist.
Dazu gesellt sich viel neue Technik: der Airbag in der Mitte etwa, der sich bei einem Crash zwischen die Passagiere legt, die elektrischen Türschlösser, die mit dem Totwinkelwarner gekoppelt sind, ein Fahrwerk, das sich vor einem Unfall in Sekundenbruchteilen acht Zentimeter aufbockt, um die Knautschzone zu verbessern, sowie ein paar witzige Gimmicks. Denn Leseleuchten mit Matrix-Technik, ein eigenes Audi-Smartphone als Fernbedienung fürs Infotainment oder eine Fußmassageeinrichtung in der Rücklehne der Vordersitze muss natürlich niemand haben, räumt Projektleiter Fromm ein. „Aber genau das sind Details, die eine Luxuslimousine ausmachen. Wo, wenn nicht hier, können wir uns auch mal solche Lösungen leisten?“
Vorsprung durch Technik verspricht Audi auch bei den Assistenzsystemen. Fromm kommt beim Durchzählen auf über 40 elektronische Helfer, die den Fahrer mit
„Wo, wenn nicht hier, können wir uns auch mal solche Lösungen leisten?“Projektleiter Peter Fromm über die technischen Finessen des neuen A8
künstlicher Intelligenz (AI, Artificial Intelligence) unterstützen – nach seinen Angaben sind das mehr als bei jedem anderen Auto am Markt. Besonders stolz ist er dabei auf den AI Staupiloten, mit dem erstmals autonomes Fahren nach dem sogenannten Level 3 möglich wird: Der A8 übernimmt auf Fahrbahnen mit baulich getrennten Spuren bis Tempo 60 minutenlang das Kommando und lässt dem Fahrer vor der Rückgabe der Befehlsgewalt genügend Vorlauf, damit er ein Buch oder ein Handy wieder weglegen kann. Dummerweise ist der Luxusliner seiner Zeit damit so weit voraus, dass diese Funktion noch gar nicht freigeschaltet wird. Fromm rechnet frühestens 2018 mit dem Segen der Behörden.
Auch unter der Haube bricht eine neue Zeit an – selbst wenn man dort auf den ersten Blick nur bekannte Motoren entdeckt. Denn egal ob der 286 PS starke V6-TDI oder der TFSISechszylinder mit 340 PS mit jeweils drei Litern Hubraum aus der Startaufstellung, die für später versprochenen V8-Motoren 4.0 TDI mit 435 PS und 4.0 TFSI mit 460 PS oder das Topmodell mit dem 585 PS starken W12-Motor mit sechs Litern Hubraum – sie alle kommen als Hybrid. Vom A8 e-tron ganz zu schweigen.
Während der e-tron allerdings mit Plug-in-Technik, 50 Kilometern elektrischer Reichweite und serienmäßiger Induktionsladung kommt, setzt Audi bei den anderen Modellen auf einen Mild-Hybrid mit Riemenstarter. Der kann den Motor ein wenig unterstützen, ist aber vor allem ein sehr viel besseres Start-Stopp-System – insbesondere, wenn er den Weitblick von Navigationssystem und Frontkamera nutzt. Weil das Abstellen und Wiederanwerfen des Motors damit deutlich komfortabler und schneller gelingen, wird es nun öfter genutzt. Und auch die Rekuperationsleistung beim Bremsen ist höher. Das wirkt sich dramatisch auf den Verbrauch aus, sagt Fromm und stellt einen Vorteil von bis zu 0,7 Litern in Aussicht. Und das, obwohl ausgerechnet der Leichtbauvorreiter in der Luxusklasse beim Modellwechsel durch eine Abkehr von der reinen Alukonstruktion hin zu einer Mischbauweise etwa einen Zentner schwerer wird.
Weil der Riemenstarter mit einem starken E-Motor läuft, braucht er deutlich mehr Energie. Audi stellt deshalb das Bordnetz in weiten Teilen auf 48 Volt um. Das ermöglicht eine Reihe weiterer Neuheiten, wie beispielsweise die rasend schnelle elektrische Verstellung des Fahrwerks, das sich – den Umfeldsensoren sei Dank – vorausschauend der Fahrbahnoberfläche anpasst. Egal wie rau und holprig die Straße auch ist, die Luxuslimousine schwebt komfortabel darüber hinweg, verspricht Fromm. Bei dem, was Audi gerade durchmacht, könnte sich das als womöglich wichtigstes Extra des neuen Flaggschiffs erweisen.