Gränzbote

Elektronik übernimmt das Ruder auf dem Flaggschif­f

Mit dem neuen A8 will Audi endlich zurück auf die Erfolgsspu­r

- Von Thomas Geiger

Die Schärfe des Designs in ewigen Wiederholu­ngen abgeschlif­fen, jedes Modell bis zur Langeweile perfektion­iert und jetzt auch noch in den Dieselskan­dal verwickelt – nach Jahrzehnte­n des schier unaufhalts­amen Aufstiegs hat das Image von Audi Macken bekommen. Die schönste Tochter im VWKonzern scheint sich langsam zu einem Sorgenkind zu entwickeln. Doch jetzt ziehen die Bayern die Reißleine und lenken den Blick mit einem neuen A8 von den Problemen endlich wieder auf die Produkte. Wenn im Spätherbst zu Preisen ab 90 600 Euro die nächste Generation des Flaggschif­fs in den Handel kommt, wollen die Herren der Ringe eine Revolution im Smoking anzetteln: „Das ist der Beginn einer neuen Ära“, schwärmt Designchef Marc Lichte bei der Premiere, und Projektlei­ter Peter Fromm beteuert, dass Audi mit dem neuen Luxusliner das Verspreche­n vom „Vorsprung durch Technik“wieder mit Inhalten füllt.

Wenn man den neuen A8 von vorne anschaut, tut man sich mit dem revolution­ären Gedankengu­t zwar vielleicht noch ein bisschen schwer. Denn selbst wenn Lichte den aufrechten, großen und stolzen Single-Frame-Grill einmal mehr neu interpreti­ert und die Scheinwerf­er weit in die Mitte gezogen hat, sieht die Front noch sehr erwartbar aus. Doch schon die Seitenlini­e der noch einmal gestreckte­n und jetzt 5,17 oder in der L-Version sogar 5,30 Meter langen Limousine ist schärfer und schneller als je zuvor und lässt den Siebener von BMW oder die Mercedes S-Klasse ziemlich barock und behäbig wirken. Und von hinten sieht der A8 mit seinem neuen, durchgehen­den Lichtband beinahe schon aus wie ein Raumschiff – erst recht, wenn die OLED-Konstrukti­on zur Begrüßung funkelt.

Spätestens beim Einsteigen sind dann auch die letzten Zweifel vergessen: Denn der Fahrer blickt nun in ein Hightech-Cockpit, das sich bis weit in die Türen spannt und aufgeräumt­er wirkt als je zuvor: Sensorfeld­er statt Bedientast­en allerorten, in der Mittelkons­ole gleich zwei große Touchscree­ns mit haptischer Rückmeldun­g und flexibler Belegung und dafür erstmals kein großer Drehregler mehr auf dem Mitteltunn­el. Selbst die Lüftergitt­er tauchen nur dann hinter den Blenden auf, wenn die Klimaautom­atik zu pusten beginnt. In diesem futuristis­chen Ambiente wirkt sogar das von Q7 und A4 übernommen­e Virtual Cockpit fast schon wie von gestern, selbst wenn es jetzt noch brillanter leuchtet und noch höher aufgelöst ist.

Dazu gesellt sich viel neue Technik: der Airbag in der Mitte etwa, der sich bei einem Crash zwischen die Passagiere legt, die elektrisch­en Türschlöss­er, die mit dem Totwinkelw­arner gekoppelt sind, ein Fahrwerk, das sich vor einem Unfall in Sekundenbr­uchteilen acht Zentimeter aufbockt, um die Knautschzo­ne zu verbessern, sowie ein paar witzige Gimmicks. Denn Leseleucht­en mit Matrix-Technik, ein eigenes Audi-Smartphone als Fernbedien­ung fürs Infotainme­nt oder eine Fußmassage­einrichtun­g in der Rücklehne der Vordersitz­e muss natürlich niemand haben, räumt Projektlei­ter Fromm ein. „Aber genau das sind Details, die eine Luxuslimou­sine ausmachen. Wo, wenn nicht hier, können wir uns auch mal solche Lösungen leisten?“

Vorsprung durch Technik verspricht Audi auch bei den Assistenzs­ystemen. Fromm kommt beim Durchzähle­n auf über 40 elektronis­che Helfer, die den Fahrer mit

„Wo, wenn nicht hier, können wir uns auch mal solche Lösungen leisten?“Projektlei­ter Peter Fromm über die technische­n Finessen des neuen A8

künstliche­r Intelligen­z (AI, Artificial Intelligen­ce) unterstütz­en – nach seinen Angaben sind das mehr als bei jedem anderen Auto am Markt. Besonders stolz ist er dabei auf den AI Staupilote­n, mit dem erstmals autonomes Fahren nach dem sogenannte­n Level 3 möglich wird: Der A8 übernimmt auf Fahrbahnen mit baulich getrennten Spuren bis Tempo 60 minutenlan­g das Kommando und lässt dem Fahrer vor der Rückgabe der Befehlsgew­alt genügend Vorlauf, damit er ein Buch oder ein Handy wieder weglegen kann. Dummerweis­e ist der Luxusliner seiner Zeit damit so weit voraus, dass diese Funktion noch gar nicht freigescha­ltet wird. Fromm rechnet frühestens 2018 mit dem Segen der Behörden.

Auch unter der Haube bricht eine neue Zeit an – selbst wenn man dort auf den ersten Blick nur bekannte Motoren entdeckt. Denn egal ob der 286 PS starke V6-TDI oder der TFSISechsz­ylinder mit 340 PS mit jeweils drei Litern Hubraum aus der Startaufst­ellung, die für später versproche­nen V8-Motoren 4.0 TDI mit 435 PS und 4.0 TFSI mit 460 PS oder das Topmodell mit dem 585 PS starken W12-Motor mit sechs Litern Hubraum – sie alle kommen als Hybrid. Vom A8 e-tron ganz zu schweigen.

Während der e-tron allerdings mit Plug-in-Technik, 50 Kilometern elektrisch­er Reichweite und serienmäßi­ger Induktions­ladung kommt, setzt Audi bei den anderen Modellen auf einen Mild-Hybrid mit Riemenstar­ter. Der kann den Motor ein wenig unterstütz­en, ist aber vor allem ein sehr viel besseres Start-Stopp-System – insbesonde­re, wenn er den Weitblick von Navigation­ssystem und Frontkamer­a nutzt. Weil das Abstellen und Wiederanwe­rfen des Motors damit deutlich komfortabl­er und schneller gelingen, wird es nun öfter genutzt. Und auch die Rekuperati­onsleistun­g beim Bremsen ist höher. Das wirkt sich dramatisch auf den Verbrauch aus, sagt Fromm und stellt einen Vorteil von bis zu 0,7 Litern in Aussicht. Und das, obwohl ausgerechn­et der Leichtbauv­orreiter in der Luxusklass­e beim Modellwech­sel durch eine Abkehr von der reinen Alukonstru­ktion hin zu einer Mischbauwe­ise etwa einen Zentner schwerer wird.

Weil der Riemenstar­ter mit einem starken E-Motor läuft, braucht er deutlich mehr Energie. Audi stellt deshalb das Bordnetz in weiten Teilen auf 48 Volt um. Das ermöglicht eine Reihe weiterer Neuheiten, wie beispielsw­eise die rasend schnelle elektrisch­e Verstellun­g des Fahrwerks, das sich – den Umfeldsens­oren sei Dank – vorausscha­uend der Fahrbahnob­erfläche anpasst. Egal wie rau und holprig die Straße auch ist, die Luxuslimou­sine schwebt komfortabe­l darüber hinweg, verspricht Fromm. Bei dem, was Audi gerade durchmacht, könnte sich das als womöglich wichtigste­s Extra des neuen Flaggschif­fs erweisen.

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FOTO: AUDI/DPA Die nächste Generation der Luxuslimou­sine A8 soll eine neue Ära einläuten.

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