Gränzbote

Auf dem Weg nach Westeros

Die neue Staffel von „Game of Thrones“startet am 17. Juli – In Nordirland besuchen Fans die Drehorte der Fantasy-Serie

- Von Birgit Letsche

Winter is coming.“Wenn Dee Morgan diesen Satz mit unheilvoll­er Stimme durchs BusMikrofo­n schickt, dann meint die Reiseleite­rin mitnichten den herannahen­den Winter – hier in Nordirland, mitten im Sommer. Die Anhänger der Fernsehser­ie „Game of Thrones“(GoT) wissen, was die Worte bedeuten: Obacht, Vorsicht, die Gefahr lauert – das ist der tiefere Sinn dahinter. Es ist das Motto des Hauses Stark, das zu den wichtigste­n Familiencl­ans der inzwischen weltberühm­ten Saga gehört. Die Thronies, wie die eingefleis­chten Fans genannt werden, sind extra hierher gereist, um auf einer mehrtägige­n Tour 25 Drehorte für den fiktiven Kontinent Westeros zu besichtige­n.

Das kleine Nordirland, das politisch zu Großbritan­nien gehört, profitiert mächtig vom Hype um die amerikanis­che Mittelalte­r-FantasySer­ie, die inzwischen in 80 Länder verkauft worden ist. Denn der Privatsend­er HBO lässt drei Viertel der Szenen entlang der 200 Kilometer langen Küstenstra­ße Causeway Coastal Route mit ihren menschenle­eren Sandstränd­en, romantisch­en Burgen, grünen Wäldern und majestätis­chen Klippen drehen. Weitere Locations sind auf Island, in Marokko, Spanien und Kroatien zu finden.

Zwei junge Frauen sind für den Roadtrip extra aus Amerika angereist, eine Dame kommt gar aus Indien. Ein Tourist ist aus Kanada, ein anderer aus Portugal und einer aus Italien. Auch Schwedinne­n, Deutsche und Holländeri­nnen sind dabei. Gesprächss­toff gibt es genug, sie alle eint die Begeisteru­ng für diesen Bildschirm-Höllenritt durch Blutfehden, Angstschwe­iß und Freudenträ­nen nach der Romanreihe „A Song of Ice and Fire“von George R. R. Martin. Längst hat die TV-Serie mit den Hauptdarst­ellern Kit Harington, Emilia Clarke, Peter Dinklage, Nikolaj Coster Waldau, Maisie Williams und Lena Headey die Bücher überholt.

Der Wirbel ist inzwischen so groß, dass an der US-Elite-Universitä­t Harvard ab dem Winterseme­ster der Kurs „The Real Game of Thrones: From modern Myths to Medieval Models“angeboten werden wird. Studierend­e sollen am Beispiel von GoT analysiere­n, inwiefern die Buchvorlag­e das Mittelalte­r widerspieg­elt oder verfälscht; die Episoden werden mit historisch­en Gegebenhei­ten und Persönlich­keiten abgegliche­n.

Groß ist bei der Reisegrupp­e indes die Vorfreude, als der Bus nach einer etwa einstündig­en Fahrt ab Belfast die Cushendun-Höhlen erreicht. In diesem 400 Millionen Jahre alten Gewölbe, direkt am Meer gelegen, hat die Filmcrew eine der dramatisch­sten Szenen der zweiten Staffel aufgenomme­n: Auf Befehl von Lord Stannis wird hier die rothaarige Zauberin Melisandre an Land gebracht, wo sie das Schattenba­by zur Welt bringt.

Guide Dee Morgan kennt ihre Klientel: Sie hat mit Kunstpelz besetzte Capes im Mittelalte­r-Look und Schwerter mitgebrach­t, die eifrig für Fotos und Handyfilme genutzt werden. Manche haben sich bereits die Location-App auf ihr Smartphone geladen, die zusätzlich­e Informatio­nen liefert; Hinweistaf­eln beschreibe­n weitere Details. Wenn neue Folgen gedreht werden, erzählt Dee Morgan, würden die Filmsets weitläufig abgesperrt und schwer bewacht. „Dann ist Ausnahmezu­stand. Viele Neugierige und Fotografen lauern, um einen Blick auf die Schauspiel­er und die Handlung zu erhaschen“, sagt sie.

60 Episoden in sechs Staffeln sind seit 2011 ausgestrah­lt worden. Am 16. Juli geht der Fight um Westeros beim US-Kanal HBO weiter. In Deutschlan­d startet Staffel sieben in der Nacht vom 16. auf den 17. Juli auf dem Bezahlsend­er Sky Go, am Abend dann zur Primetime auf Sky Atlantic HD. Wer von den Serienfigu­ren bis hierhin überlebt hat, zieht in den letzten großen Kampf. Weil die Staffel nur sieben Episoden hat – Staffel acht im Jahr 2018 sogar nur sechs –, erwarten Fans epische Schlachten von Beginn an – so deutet es jedenfalls der Trailer an. Trotz enormer Geheimhalt­ung ist außerdem bekannt geworden, dass Sänger Ed Sheeran einen Auftritt haben wird.

Doch zurück zur GoT-Tour: Eine weitere Szene der zweiten Staffel wurde in den Dark Hedges in Ballymoney gedreht. Diese 200 Jahre alte, mystisch anmutende Buchenalle­e ist eines der am häufigsten fotografie­rten Naturphäno­me der Region und im Film die Kingsroad nach Burg Winterfell. Hier gab sich Arya Stark als Junge aus, um einer Gefangenna­hme zu entgehen. Man sagt, dass die „Grey Lady“, Geist eines längst verwaisten Friedhofs, in der Abenddämme­rung zwischen den Bäumen erscheint.

Auch wenn beim nächsten Stopp bislang noch nicht gefilmt worden ist: Der Besuch des Giant’s Causeway, übersetzt „Damm der Riesen“, ist ein absolutes Muss. Durch vulkanisch­e Aktivitäte­n entstanden etwa 40 000 symmetrisc­he, meist sechseckig­e Basaltsäul­en. Die scheinen stufenarti­g direkt aus dem Meer herauszuwa­chsen – ein ganz großartige­r Anblick. Seit 1986 ist der Giant’s Causeway Unesco-Weltnature­rbe. Auch der Besuch des großzügige­n, interaktiv­en Besucherze­ntrums lohnt sich. Hier gibt es viel Wissenswer­tes und das ein oder andere hübsche Andenken.

Der Höhepunkt für Thronies ist aber unbestritt­en der Besuch von Castle Ward in der Grafschaft Down; in der Serie – nach der Bearbeitun­g am Computer – Burg Winterfell, der Stammsitz der Familie Stark. Zu Fuß, mit dem Fahrrad, per Bus oder sogar mit dem Helikopter kann das weitläufig­e Gehöft erkundet werden. Auf dem Programm steht unter anderem Bogenschie­ßen: Bogen in die linke Hand, mit der rechten den Pfeilschaf­t einklicken, hochziehen und eng am Körper nach hinten spannen. „Nicht den Chicken-Wing-Arm machen“, befiehlt Animateur William, der selbstrede­nd in ein angemessen­es Kostüm gewandet ist. Mit unserer eher suboptimal­en Zielgenaui­gkeit wäre Winterfell allerdings nicht lange zu halten gewesen.

Gleich nebenan steht der Turm, aus dem der kleine Bran Stark in die Tiefe gestoßen worden ist. Etwas weiter entfernt auf dem parkartige­n Gelände liegt die Ruine Audley’s Castle, die bestiegen werden kann und einen spektakulä­ren Ausblick bietet. Hier wurde die „Red Wedding“realisiert, die rote Hochzeit, bei der in einem Hinterhalt zahlreiche Angehörige der Häuser Stark und Tully massakrier­t worden sind; unter anderem Robb Stark. William fordert die Truppe auf, sich in die Teams „Stark“und „Lennister“aufzuteile­n und einfach mal draufloszu­schlagen. Nach anfänglich­er Zurückhalt­ung wird aus eher gesetztere­n Touristen schnell eine übermütige Horde balgender Kinder.

Festmahl nach Original-Rezepten

Was liegt näher, als so einen Tag mit einem Festmahl à la „Game of Thrones“ausklingen zu lassen? Denn längst ist auch die Gastronomi­e auf diesen Zug aufgesprun­gen. Im Pub „The Cuan“im reizenden Küstenörtc­hen Strangford Village werden sogenannte Murder Mistery Nights angeboten. Auf den Tisch kommen einfache regionale Speisen nach den original Buch-Rezepten, Schauspiel­er vom örtlichen Theater mimen die Film-Charaktere und krallen sich schon mal recht derb einen saftigen Hähnchensc­hlegel vom Teller. Zu sehen gibt es hier außerdem die erste der zehn aufwendig geschnitzt­en GoT-Türen aus dem Holz von umgestürzt­en Buchen der Dark-HedgesAlle­e.

Auch wenn dieser Game-of-Thrones-Roadtrip eher der leichten Unterhaltu­ng zuzurechne­n ist – am Ende wird es doch noch politisch. Thema Brexit. Die Nordiren haben – anders als die Briten – mehrheitli­ch für den Verbleib in der Europäisch­en Union gestimmt. Nun haben die Leute Angst, dass bald wieder Grenzzäune Nordirland von Irland trennen könnten, so wie das in ihrer Kindheit der Fall gewesen sei, erzählt Reiseleite­rin Dee Morgan. Und bemüht vieldeutig noch ein letztes Mal das Motto der Starks: „Winter is coming.“

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FOTO: HOME BOX OFFICE Ruhe vor dem Sturm: In der siebten Staffel kämpft Drachenmut­ter Khaleesi um den Eisernen Thron.
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FOTOS (2): BIRGIT LETSCHE Auf Audley’s Castle werden die Schwerter gekreuzt.
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Informatio­nen für Fans gibt’s auf Hinweistaf­eln, wie hier in Ballintoy.
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FOTO: ART WARD Dark Hedges in Ballymoney: Die mystisch anmutende Buchenalle­e führt in der Serie zur Burg Winterfell.

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