„Das Risiko ist denkbar gering“
Evangelische Kirchengemeinde diskutiert über Johannes-Brenz-Gemeindehaus
TROSSINGEN - Es ist kein leichter Abend für den evangelischen Kirchengemeinderat gewesen. In einer öffentlichen Sitzung hat sich das Gremium am Dienstag der Kritik an der geplante Immobilienkonzeption gestellt. Die Wortbeiträge waren teilweise scharf, am Ende überwogen aber versöhnliche Themen. Die endgültige Entscheidung fällt im Herbst.
Als Rebellen hatte Pfarrer Torsten Kramer Hermann Maier und Günter Deeg angekündigt, die beiden Gemeindemitglieder, die eine Unterschriftenaktion gegen den Verkauf des Johannes-Brenz-Hauses gestartet und damit die öffentliche Diskussion erzwungen hatten (wir haben berichtet). „Ich sehe uns als Brüder und Schwestern“, stellte Hermann Maier gleich zu Beginn klar und versuchte, Schärfe aus der Gesprächsrunde zu nehmen. „Wir haben bewusst nur Gemeindeglieder für die Unterschriften angesprochen und die Listen nicht in Geschäften ausgelegt“, sagte er. „Die Gemeinde ist unglücklich darüber, dass das BrenzHaus verkauft werden soll und will das nicht“, interpretierte er die 200 Unterschriften. Der Verkauf des Gemeindehauses komme 20 Jahre zu früh, so seine Einschätzung. „Noch ist unsere Gemeinde zu groß.“
Während sich viele Gemeindemitglieder, die sich zu Wort meldeten, über ihre emotionale Verbundenheit mit dem Brenz-Haus äußerten, gab es auch die rationalen Rechner. So hatte sich Erich Messner, pensionierter Controller, in das Zahlenwerk, das die Kirchengemeinde im Mai präsentiert hatte, eingearbeitet. „Ohne Not“solle die Gemeinde nicht „so viele Schulden“aufnehmen, warnte er angesichts einer erwarteten Schuldenlast von 350 000 Euro. Diese Summe könne noch steigen, wenn nicht die erhofften Spenden von 555 000 Euro gesammelt werden können.
Vertrauen auf hohes Spendenaufkommen
Kirchenpfleger Joachim Winter präsentierte sich gut vorbereitet und betonte mehrfach: „Ganz risikofrei geht eine solche Planung nicht“, jedoch seien sie durch mehrere Instanzen, unter anderem den Oberkirchenrat, abgesichert. Das anvisierte Spendenaufkommen sei „zugegeben mutig“, aber „wir trauen der Kirchengemeinde zu, einen höheren Beitrag in Form von Spenden zu leisten“.
Hoffnungen, das Johannes-BrenzHaus halten zu können, zerschlug der Kirchengemeinderat mehrfach. Die Kosten für den nötigen Brandschutz und die wichtigsten Sanierungen betrügen rund 430 000 Euro, doch „das würde nichts an der Raumsituation ändern“, so Winter. Die Jugendarbeit, die mit dem Verkauf des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses heimatlos wird, könne nicht im Johannes-Brenz-Haus unterkommen, es fehle schlicht an Platz.
Pfarrer Torsten Kramer dazu: „Das ist die Krux: Wenn wir ins Brenz-Haus investieren, haben wir an der Kirche kein Gemeindehaus mehr. Das Brenz-Haus und das Bonhoeffer-Haus zu behalten, das geht nicht.“Unmöglich sei diese Variante, so Kramer, weil der Oberkirchenrat auf den Verkauf von Immobilien in Trossingen poche.
Fragen in Richtung Schuldenlast und finanziellem Risiko konterte Kirchenge meinderatsmit glied Thomas Hermann bewusst provokant: „Das Risiko ist denkbar gering. Wir machen uns Sorgen um Geld, das uns privat nicht zu kratzen hat.“Gerade ältere Kritiker ließen eine solche Argumentation nicht gelten: „Wir sind doch alle verantwortlich“, warf eine Dame im Seniorenalter ein.
Unkonventionelle Wege wollte ein anderer Diskussionsteilnehmer gehen. Er forderte den Kirchengemeinderat auf: „Verkauft das Haus und mietet es zurück, dann könnt ihr es benutzen.“Diese Idee verwarf Pfarrer Kramer sofort: „Die Gebäude müssen weg, das ist die klare Forderung des Oberkirchenrats“.
Freikirche als Käufer
Martin-Ulrich Messner, Vorsitzender des Kirchengemeinderats, betonte die Notwendigkeit, die Gemeinde für die Zukunft aufzustellen. „Wir wollen die nächsten 50 Jahre Ruhe mit den Immobilien haben.“Ein Problem darin, dass eine rumänische Freikirche das Gebäude kaufen will, sieht er nicht. „Der Sinn, dass Gottes Wort hier verkündet wird, bleibt dann erhalten.“
Mit Jochen Möller und Thomas Klotz meldeten sich auch zwei Architekten zu Wort. Möller schlug vor, das Bonhoeffer-Haus zu behalten und in die Planungen für das neue Gemeindehaus einzubringen. Klotz appellierte an den Mut, in die „Zukunft zu blicken“. Kantorin Esther Holl sprang dem Rat zur Seite: „Er ist von der Gemeinde gewählt worden, ich würde Vertrauen haben, dass er es gut macht.“Eckart Wössner, ehemaliger SPD-Stadtrat, positionierte sich für den Neubau: „Die Vorteile beim Neubau sind größer, als wenn wir das Brenz-Haus behalten.“Die Sorgen in Bezug auf mögliche Kostensteigerungen versuchte Dekan Sebastian Berghaus den Anwesenden zu nehmen. „Wenn die Baukosten aus dem Ruder laufen – davor fürchtet sich der Oberkirchenrat nicht.“
Unterschriften als „psychologischer Effekt“
Nach zweieinhalbstündiger Diskussion fasste Martin-Ulrich Messner als Vorsitzender des Gremiums zusammen: „Wenn wir das Brenz-Haus nicht hergeben, müssen wir was anderes verkaufen. Da sind uns die Hände ein Stück weit gebunden.“Klar sei es jedoch, dass es bald eine Skizze vom geplanten Gemeindehaus geben solle. Die Unterschriftenliste habe keine rechtliche Bedeutung, jedoch einen „psychologischen Effekt“. Auch die nächste Sitzung des Rats seit öffentlich, so dass sich die Gemeindemitglieder informieren könnten. Die endgültige Entscheidung darüber, ob der Neubau kommt und welche Gebäude verkauft werden, werde im Herbst fallen.