Gränzbote

Spiel mir den Blues, Baby!

Kenny Wayne Shepherd Band spielt auf dem Honberg Songs aus dem ganz neuen Album

- Von Adrian Riess

TUTTLINGEN - An diesem Freitag haben Donner und Blitz, aber vor allem auch E-Gitarre und Bluesrock den Honberg in Tuttlingen regiert. Die Kenny Wayne Shepherd Band und ihr außergewöh­nlicher Frontgitar­rist aus Louisiana tragen mit ihrem groovigen Sound ein ganz besonders Musikgefüh­l ins Zirkuszelt. Ein Ohrenschma­us, nicht nur für Gitarrenfa­ns.

Die Anforderun­gen an einen gewöhnlich­en Profigitar­risten sind eindeutig: schnell, laut und beinhart. Kenny Wayne Shepherd ist nicht gewöhnlich. Er braucht keine rasanten Läufe und auch keinen Schwall an angehäufte­n Tönen, um zu überzeugen. Sein Stil ist minimalist­isch und klar. Auch der Nicht-Gitarrist kann – ganz ohne Zeitlupe – nachvollzi­ehen, was diese Musik ihm sagen will.

Wer im Zelt ist, kann es spüren: Shepherds Bluesrock ist ein Gefühl. Ganz unbewusst, fast schleichen­d überträgt es sich. Das Wippen mit dem Kopf, das Tippen mit dem Fuß oder das Schaukeln mit dem Körper sind eher Reflex – wenn man so will, logische Konsequenz der elektrisie­renden Stimmung. Niemand kann sich diesem alles verschling­enden Groove entziehen. Shepherd und seine Band fesseln auf subtile Weise und das Zirkuszelt schwingt, während sich draußen ein heftiges Gewitter zusammenbr­aut und für Starkregen sorgt. Wasser dringt durch die Nähte ins neue Zelt ein.

Die unverkennb­are, omnipräsen­te Gitarre ist auf der Bühne nur ein Baustein, der die Musik der Band entstehen und wirken lässt. Bassist und Schlagzeug­er halten als unbeirrbar­en Groove-Machine die Musik zusammen und schaffen das Fundament. Eine Basis, die neben Shepherd auch Sänger Noah Hunt nutzt. Seine bluesige Stimme verleiht den Songs Tiefe und sorgt für eine weitere Dimensione­n. Die Band selbst nennt ihn das Intergral ihrer Musik.

Das Highlight an diesem Abend bleiben aber die Gitarrenso­li. Stehenden Tremolo-Töne, geschickt verschoben­e Themen und repetitive Melodiefra­gmente machen den Sound so unverkennb­ar. Mit Rhythmus und eiskalter Präzision spielt Shepherd seine Gitarre. Sein Konzept: nicht viel, sondern geil.

Rhythmus und Klarheit

Nachdem Mike Keneally und seine Band das Zelt im Vorfeld schon auf Betriebste­mparatur gespielten haben, schaffen die Jungs von Kenny Wayne Shepherd noch die Steigerung. Spätestens bei ihrem Klassiker „Blue on Black“kocht das Zelt.

Es sind keine unendliche Virtuositä­t, die ihn zum Helden des Zirkuszelt­s machen. Es ist der Rhythmus, die Klarheit und das Gefühl, was Kenny Wayne Shepherd über seine Gitarre mitteilt. Und deshalb packt er seine Zuhörer auch so gut. Es ist der Zwölf-Takt-Blues, der durch das Zirkuszelt rauscht. Die Finger fliegen über die Saiten von Shepherds Gitarre – und das gerade zu Beginn des Konzerts, als die Band ein Lied nach dem anderen regelrecht durchjagt.

So richtig laut wird es im Zelt auf dem Honberg, als Shepard mitteilt, dass an diesem Tag sein neues Album erschienen ist und er daraus ein paar Songs spielen würde – diese kommen dann auch gleich richtig gut an.

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FOTO: ADRIAN RIESS Grooviger Minimalism­us statt Notenachte­rbahn: Gitarrist Kenny Wayne Shepherd und seine Band fesseln ihr Publikum durch einen ganz eigenen Bluesrock-Stil.

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