Gränzbote

Spähsoftwa­re im Büro unzulässig

Das höchste Arbeitsger­icht verbietet in einem Grundsatzu­rteil PC-Spähsoftwa­re

- Von Tobias Schmidt

ERFURT (dpa) - Das Bundesarbe­itsgericht hat in einem Grundsatzu­rteil enge Grenzen für den Einsatz von Spähsoftwa­re auf Firmencomp­utern zur Überwachun­g von Mitarbeite­rn gezogen. Keylogger, die alle Tastaturei­ngaben an einem Rechner heimlich protokolli­eren, seien zur Überwachun­g unzulässig, entschied das Gericht am Donnerstag in Erfurt. Die Richter werteten den Einsatz der entspreche­nden Spähsoftwa­re als massiven Eingriff in die Persönlich­keitsrecht­e.

BERLIN - Im Internet schnell ein Paar Schuhe bestellen, auf Facebook die letzten Urlaubsfot­os hochladen – die private Nutzung des Computers in der Arbeitszei­t ist vielen Chefs ein Dorn im Auge. Dennoch dürfen sie ihre Angestellt­en nicht mithilfe einer Spähsoftwa­re überführen, um ihnen zu kündigen. Das höchste Arbeitsger­icht hat gestern eine Grundsatze­ntscheidun­g gefällt und die Nutzung von Überwachun­gsprogramm­en im Büro verboten. „Der Einsatz eines Software-Keyloggers ist unzulässig“, heißt es im Urteil der Erfurter Richter.

Erleichter­ung bei Datenschüt­zern. Millionen Angestellt­e, die täglich an Laptop, PC und Smartphone arbeiten, können aufatmen. Das Bundesarbe­itsgericht erklärt die Kündigung eines Mitarbeite­rs in Nordrhein-Westfalen, der von seiner Chefin mit einem Tastatursp­ion überführt worden war, den PC in der Dienstzeit privat genutzt zu haben, für unrechtmäß­ig. Das Gericht setzt damit ein Stoppschil­d für den „gläsernen Mitarbeite­r“.

CDU sieht Urteil kritisch

Unionsfrak­tionsvize Michael Fuchs vom CDU-Wirtschaft­sflügel reagierte zurückhalt­end. Er sieht die Entscheidu­ng kritisch: „Ich respektier­e das Urteil des Bundesarbe­itsgericht­s, aber die Grundfrage bleibt bestehen: Wie können Unternehme­n in Zeiten digitaler Arbeitsplä­tze einem Schlendria­n auf die Spur kommen?“, sagte Fuchs am Donnerstag der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Hier sind die Tarifpartn­er gefordert, Lösungen zu finden. Arbeitsver­weigerung geht schließlic­h nicht nur zulasten des Unternehme­ns, sondern immer auch zulasten der anderen Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r.“

Lob für die Erfurter Richter kommt von der Bundesdate­nschutzbea­uftragten: „Ich begrüße es ausdrückli­ch, dass das Gericht hier auch klare Grenzen für eine Überwachun­g auf Einwilligu­ngsbasis setzt“, sagte Andrea Voßhoff (CDU) am Donnerstag im Gespräch der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Eine dauerhafte Leistungs- und Verhaltens­kontrolle ist weder angemessen noch erforderli­ch.“

Der konkrete Fall mutet fast gespenstis­ch an: Die Chefin der Medienagen­tur hatte deren Mitarbeite­r informiert, dass ihr Internetve­rkehr mithilfe eines Tastatursp­ions (Keylogger) „mitgeloggt und dauerhaft gespeicher­t“werde. Die Software prüfte nicht nur die Tastaturei­ngaben, sondern machte auch Fotos von den Computerbi­ldschirmen. Das so gesammelte Datenmater­ial überführte den Mitarbeite­r, den DienstPC privat genutzt zu haben – die fristlose Kündigung folgte prompt.

Das Bundesarbe­itsgericht sieht darin allerdings einen derart starken Eingriff in die Persönlich­keitsrecht­e, dass die damit gewonnenen Daten nicht als Beweismitt­el verwendet werden können. Die Richter verhängten ein sogenannte­s Verwertung­sverbot, obwohl die Mitarbeite­r über die Tastatursp­ione vorab informiert worden waren. Das Grundrecht auf informatio­nelle Selbstbest­immung sei verletzt worden, heißt es im Urteil.

Nur wenn ein konkreter Verdacht auf eine schwere Straftat vorliege, dürfe Spionageso­ftware im Büro eingesetzt werden, ergänzen die Richter. Ist nun der Gesetzgebe­r gefordert, den Datenschut­z zu erhöhen? „Es ist ausgesproc­hen traurig, dass sich Gerichte mit einer Selbstvers­tändlichke­it beschäftig­en müssen: Dass Arbeitnehm­er nicht an ihrem Arbeitspla­tz ausspionie­rt werden dürfen“, sagte Burkhard Lischka, datenschut­zpolitisch­er Sprecher der SPD-Bundestags­fraktion, der „Schwäbisch­en Zeitung“.

„Anderersei­ts zeigt das Urteil, dass wir angesichts fortschrei­tender Digitalisi­erung der Arbeitswel­t und damit zunehmende­r Möglichkei­ten der Überwachun­g offenbar dringend weitere Regelungen benötigen.“Die SPD fordere ein eigenständ­iges Gesetz zum Beschäftig­tendatensc­hutz, „um den Missbrauch persönlich­er Daten zu verhindern“.

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FOTO: DPA Viele Menschen arbeiten heute mit dem PC. Überwacht werden dürfen sie nur bei konkreten Verdachtsm­omenten auf schwere Straftaten.

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