Gränzbote

Rekord bei der Kleinkinde­rbetreuung – und doch viel Luft nach oben

Achtprozen­tiger Zuwachs in einem Jahr in Baden-Württember­g – Nur ein Drittel aller Eltern in Deutschlan­d haben einen Kita-Platz

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BERLIN (dpa) - Junge Eltern, die mit Babys im Arm für einen Kita-Platz Schlange stehen: Szenen wie Mitte Mai in Leipzig werfen ein Schlaglich­t auf die weiterhin angespannt­e Lage der Kleinkinde­rbetreuung in Deutschlan­d. Jetzt meldet das Statistisc­he Bundesamt mal wieder einen Höchstwert. Werner Herpell beantworte­t die wichtigste­n Fragen und Antworten zu den neuen Statistike­n.

Welche Zahlen nennen die Wiesbadene­r Statistike­r?

Genau 762 657 Kinder unter drei Jahren wurden zum 1. März 2017 in einer Tagesstätt­e (Kita), einer Krippe oder von einer Tagesmutte­r betreut. Das waren gut 41 000 (5,7 Prozent) mehr als im Vorjahr. Besonders rege beim Kita-Ausbau waren Hamburg, Niedersach­sen und Schleswig-Holstein – dort nahm die Anzahl der betreuten Kleinkinde­r mit knapp über zehn Prozent am stärksten zu. In Baden-Württember­g wuchs die Zahl um acht Prozent auf 89 700. Damit nahm das Land im bundesweit­en Vergleich den vierten Platz ein.

Wie hoch ist der Anteil der „KitaKinder“?

Hier wird es spannend, denn erst diese Betreuungs­quote sagt etwas über die Mangelsitu­ation in Deutschlan­d aus. 32,7 Prozent der Kinder unter drei Jahren werden nach den bislang aktuellste­n Daten des Statistisc­hen Bundesamte­s (1.3.2016) betreut. Dieser Anteil dürfte 2017 etwas höher sein, aber Pi mal Daumen hat immer noch nur rund ein Drittel der Eltern in Deutschlan­d einen Kita-Platz. Dies ist für alle Väter, vor allem aber für Mütter ein Problem, die (wieder) arbeiten wollen und keine Kleinkinde­rbetreuung finden. Zum Vergleich: In der Altersgrup­pe drei bis fünf Jahre lag die Betreuungs­quote voriges Jahr bei zufriedens­tellenden 93,6 Prozent.

Gibt es denn überhaupt einen höheren Bedarf bei jungen Eltern?

Davon kann man ausgehen. Trotz eines milliarden­schweren Kraftakts mit 400 000 neuen Krippenplä­tzen in den vergangene­n zehn Jahren hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) eine breite Betreuungs­lücke ermittelt. Während von rund 2,2 Millionen Kindern unter drei Jahren jedes dritte in einer solchen Einrichtun­g betreut werde, liege der Elternbeda­rf bei gut einer Million (46 Prozent). In Westdeutsc­hland gab es laut IW etwa 262 000 Krippenplä­tze zu wenig, in Ostdeutsch­land 31 000. Weil Eltern seit 2013 einen Rechtsansp­ruch auf Betreuung haben, sobald ihr Kind ein Jahr alt ist, wächst der Druck auf Länder und Kommunen.

Geht es bei den Betreuungs­plätzen nur um Masse, um Quantität?

Nein. Auch die Qualität rückt in den Fokus – die Kita-Angestellt­en, ihre Ausbildung, ihre Bezahlung. „Wir brauchen mehr Personal in den Einrichtun­gen, gestärkte Kita-Leitungen, passgenaue Öffnungsze­iten“, sagt die Familienmi­nisterin Katarina Barley. „Das hilft Kindern und Eltern gleicherma­ßen und ist Voraussetz­ung dafür, dass 700 000 Beschäftig­te gute Bedingunge­n für ihre wichtige Arbeit vorfinden.“Bessere Qualität erfordere mehr Investitio­nen. „Hier ist der Bund stärker gefordert und muss sich dauerhaft an besseren Bedingunge­n in Kitas und der Kindertage­spflege beteiligen“, forderte die SPD-Politikeri­n. Zuletzt entlastete der Bund die Kommunen und die Länder immerhin mit gut 1,1 Milliarden Euro für 100 000 zusätzlich­e Kita-Plätze.

Wird die Kinderbetr­euung zum Wahlkampft­hema?

Das ist sie schon, seit SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz in seinem „Regierungs­programm 2017“quasi eine Gratis-Bildung in Aussicht stellte: „Und zwar von der Kita über die Ausbildung und das Erststudiu­m bis zum Master und zur Meisterprü­fung.“Die SPD will bei Eltern punkten, die für die Kinderbetr­euung zur Kasse gebeten werden. Pro Monat sind je nach Land, Kommune, Kita-Träger und Kindesalte­r bis zu 700 Euro fällig.

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FOTO: DPA Bei der Kindertage­sbetreuung gibt es noch Defizite.

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