Gränzbote

„Dabei verlieren beide Seiten“

Jürgen Hardt, Außenpolit­ikexperte der Union, über Russland-Sanktionen und Obamacare

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BERLIN - Die Ausweitung der amerikanis­chen Sanktionen gegen Russland könnte auch europäisch­en Unternehme­n schaden. Das sagte Jürgen Hardt (CDU), Koordinato­r für die Transatlan­tische Zusammenar­beit der Bundesregi­erung und außenpolit­ischer Sprecher der CDU/ CSU-Bundestags­fraktion, im Gespräch mit Andreas Herholz.

Herr Hardt, Kritiker werfen der US-Regierung vor, mit der Ausweitung ihrer Sanktionen gegen Russland nur die eigenen Energieexp­orte stärken und die europäisch-russische Kooperatio­n beeinträch­tigen zu wollen. Wie bewerten Sie die Maßnahmen?

Der Ursprung der Sanktionen ist das völkerrech­tswidrige Verhalten Russlands in der Ukraine und der russische Datenklau bei der amerikanis­chen Demokratis­chen Partei. Es ist gut, dass die USA bei den Sanktionen bleiben und nicht, wie zunächst befürchtet, unter Präsident Trump das Sanktionsr­egime lockern. Den unverhohle­nen Hinweis auf amerikanis­che Wirtschaft­sinteresse­n nehmen wir zur Kenntnis. Ich glaube nicht, dass teures Flüssiggas aus Nordamerik­a am europäisch­en Markt dauerhaft konkurrenz­fähig sein wird. Russisches Gas wird wohl unsere billigste Gasquelle bleiben. Und wenn wir uns breiter absichern wollen, gibt es in Europa, in Asien und dem Mittleren Osten zahlreiche weitere Gasanbiete­r. Das Argument war wohl eher dafür gedacht, eine möglichst breite Zustimmung im Kongress zu erhalten.

Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries (SPD) beklagt, dass die amerikanis­chen Sanktionen deutschen Unternehme­n schaden würden. Eine berechtigt­e Kritik?

Die geplante Ausweitung der Sanktionen schießt über das Ziel hinaus, denn sie könnte auch zahlreiche Unternehme­n in der Europäisch­en Union treffen. Zumindest ist diese Gefahr durch die jetzt vom Abgeordnet­enhaus verabschie­dete Fasherung sung gegenüber dem Ursprungse­ntwurf deutlich abgemilder­t, gebannt ist sie nicht. Wir müssen klar sagen, dass extraterri­toriale Wirkungen von Sanktionen auf europäisch­e Unternehme­n völkerrech­tswidrig wären und die Europäisch­e Union dagegen vorgehen müsste. Ich setze darauf, dass es zur Aktivierun­g solcher Sanktionen nicht kommen wird.

Wie ernst ist die Gefahr eines Handelskri­eges zwischen den USA und Europa?

Die handelspol­itischen Vorstellun­gen des US-Präsidente­n und unsere europäisch­en Vorstellun­gen von freiem Welthandel liegen weit auseinande­r. Es hat jedoch eine Annä- der Positionen auf dem G7Gipfel in Italien und dem G20-Gipfel in Hamburg gegeben. Unser Gegenüber weiß, was für sein Projekt eines starken Amerika im Falle eines Handelsstr­eits auf dem Spiel steht. Bei so etwas verlieren immer beide Seiten. Das Problem des amerikanis­chen Präsidente­n ist aber, dass er einen Kurswechse­l in der US- Handelspol­itik seinen Anhängern nur schwer vermitteln kann. Er müsste dazu Fehleinsch­ätzungen im Wahlkampf einräumen.

US-Präsident Donald Trump hat beim Anlauf für die Abschaffun­g der Krankenver­sicherung Obamacare seines Amtsvorgän­gers Barack Obama erneut eine Niederlage erlitten. Der US-Senat hat die Reform gekippt. Ist Trump gescheiter­t?

Auch für Obamacare gilt, dass sich plakative Wahlkampfv­ersprechen in der komplexen Wirklichke­it doch nicht so einfach einlösen lassen. Ich habe den Eindruck, dass niemand im amerikanis­chen Kongress wirklich die Verantwort­ung für eine Abkehr von Obamacare übernehmen will. Denn dann wären viele Amerikaner plötzlich ohne Perspektiv­e auf bezahlbare­n Gesundheit­sschutz. Vielleicht sind alle Seiten zufrieden, wenn es im Großen und Ganzen so bleibt, wie es ist – wenn der Schwarze Peter für das nicht eingelöste Wahlverspr­echen im Schoß des jeweils anderen landet.

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Wichtige Präsidente­n-Tugend: Standhafti­gkeit

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