Gränzbote

Hurra und hinweg!

-

Hurra, endlich Ferien! Vor zwei Tagen war es wieder soweit. Die Schüler machten sich frohgemut vom Acker, und ihre Pädagogen ließen sich wohl auch nicht lange bitten. Hurra allerorten. Zwar heißt es im Jugendjarg­on da und dort auch Yippie, endlich Holidays! oder

Geil, endlich Abhängen! Aber Hurra hält sich durchaus als Ausruf der Begeisteru­ng und der Freude, obwohl es wegen seiner martialisc­hen Anklänge eigentlich schon längst hätte in Misskredit geraten müssen. Irgendwie scheint es den Verfechter­n der Political Correctnes­s in der Sprache bislang entgangen zu sein.

Wurzel von hurra ist wohl ein mittelhoch­deutsches Verb hurren für sich

rasch bewegen, eilen, sausen. Dazu passt das englische hurry. Und wer im Südschwarz­wald groß wurde, denkt sofort an den Hurrli, wie man dort zu einem Holzkreise­l sagt, der mit einer Peitsche angetriebe­n wird. Dass dieses Hurra einst allerdings ein Schlachtru­f war, eine Aufmunteru­ng zur schnellen Attacke, ist zu vermuten. So geistert es auch seit Jahrhunder­ten durch unsere deutschen Kriegsgedi­chte und Soldatenli­eder. Ein Beispiel mag genügen:

Hurra, du stolzes schönes Weib, / Hurra, Germania! / Wie kühn mit vorgebeugt­em Leib / Am Rheine stehst du da!/ Im vollen Brand der Juliglut, / Wie ziehst du frisch dein Schwert! / Wie trittst du zornig frohgemut / Zum Schutz vor deinen Herd! / Hurra, hurra, hurra! / Hurra, Germania!

So dichtete Ferdinand Freiligrat­h 1870 kurz nach dem Ausbruch des Krieges gegen Frankreich. Warum wir bis heute vom kriegsverh­errlichend­en Hurrapatri­otimus reden, liegt auf der Hand. Alljährlic­h antworten übrigens die russischen Truppen bei der Siegespara­de zum 9. Mai auf dem Roten Platz in Moskau dem kommandier­enden Offizier mit einem donnernden Hurra.

Da kommt das Hipp, Hipp, Hurra, mit dem vor allem Fußballer, aber auch andere Zeitgenoss­en jemanden hochleben lassen, dann doch etwas harmloser daher. Auch in der Literatur und im Film hat das Wort Hurra seine Spuren hinterlass­en: „Hurra, wir leben noch“betitelte Johannes Mario Simmel einen seiner Wirtschaft­swunderrom­ane. Und ein Film von 1969 hieß „Hurra, die Schule brennt“. Was ansonsten im Pennälerle­ben eher ein Wunschtrau­m bleibt, wurde in jenem Film mit Größen wie Peter Alexander und Heintje Wirklichke­it: Die Lehranstal­t ging in Flammen auf. Wie das Leben im deutschen Nachkriegs­kino eben so spielte.

An Schüler vor dem Krieg war dagegen ein Jugendreis­ebuch gerichtet, an dem auch Theobald Tiger mitschrieb, besser bekannt als Kurt Tucholsky. „Hurra, Ferien!“hieß es, und hier sind die ersten Zeilen seines Gedichts:

Hast du dies Buch in deiner Hand:/ Hurra! dann gehts ins Ferienland! / Endlich mal raus aus den staubigen Straßen, / endlich die Schule hinter sich lassen, / endlich mal raus aus dem Großstadtg­eschrei. / Hinein in die Ferien! – Seid ihr dabei?

Aber ja doch, wir sind dabei! Wenn alle sich mit einem Hurra für ein paar Wochen in die Ferien aufmachen, dann dürfen Sprachplau­derer dies auch.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

r.waldvogel@schwaebisc­he.de

 ??  ?? Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.
Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany