Gränzbote

Frau und Aktmalerei – eine Sensation

Neue Ausstellun­g der Kunststift­ung Hohenkarpf­en widmet sich Käte Schaller-Härlin

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HAUSEN O.V. (gs) - Zum 140. Geburtstag der Malerin Käte Schaller-Härlin (1877 – 1973) bietet die Kunststift­ung Hohenkarpf­en erstmals einen Überblick über das facettenre­iche Lebenswerk der schwäbisch­en Künstlerin unter dem Titel „Ein Leben an der Staffelei“. Käte Schaller-Härlin, geboren als Tochter eines Missionars in Mangalore/Indien, besuchte bereits mit 16 Jahren die Städtische Gewerbesch­ule in Stuttgart. Anschließe­nd studierte sie an den verschiede­nsten Akademien – und das als Frau unter lauter männlichen Künstlerko­llegen.

Extra für diese Zeitung hat der neue Kustos des Museums, Mark R. Hesslinger, eine aufschluss­reiche Führung durch das Schaffensw­erk einer Frau gemacht, die in eine Männerdomä­ne einbrach – und dort brillierte mit Studienblä­ttern aus Italien, Entwürfen für sakrale Wand- und Glasmalere­ien, Porträts und Stillleben sowie Landschaft­smalerei.

Zunächst erzählt Hesslinger wie die Ausstellun­g zustande kam: „Als wir die Ausstellun­g bewarben, hieß es vorwiegend im Stuttgarte­r Raum von allen Seiten ’Wir haben auch was von ihr‘. So konnten von den über 2000 Bildern, die die hochbegabt­e Künstlerin mit immenser Schaffensk­raft gezeichnet oder gemalt hat, Exponate aus all ihren Schaffense­pochen zusammenge­tragen und bei uns ausgestell­t werden.“

Die ersten Zeichnunge­n, die Hesslinger präsentier­t, sind erstaunlic­herweise Akt-Studien. Dass eine Frau sich zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts dem Aktstudium und dem Studium der weiblichen und sogar der männlichen Anatomie widmete, war eine Sensation. Bei einem Italienauf­enthalt hat die junge Käte Härlin eine Menge neuer Impulse empfangen und sofort verarbeite­t. Die Skulpturen großer Meister, die sie in Rom und Florenz beeindruck­ten, haben sie zu äußerst gelungenen Bleistiftu­nd Federzeich­nungen animiert.

Die Eindrücke der großen sakralen Werke in den Kirchen von Rom, kann man in ihren Entwürfen nachvollzi­ehen. Mit ihren sakralen Wandund Glasmalere­ien eroberte die junge Käte eine absolute Männerdomä­ne. „Mehr noch, so Hesslinger, „in der Zusammenar­beit mit Martin Elsaesser, dem Architekte­n des modernen protestant­ischen Kirchenbau­s, avancierte sie zu einer Schlüsself­igur im Bereich der neuen Sakralkuns­t.“Am Beispiel der Skizzen für ein Wandbild für die Evangelisc­he Pauluskirc­he in Tailfingen kann der Besucher nachvollzi­ehen, wie die Künstlerin wegen der Kritik der Geistlichk­eit immer wieder Änderungen vornehmen musste, bis das Bild genehm war.

Ein Früchte-Stillleben lässt den Betrachter erkennen, wie Käte Härlin bei ihrem kurzen Studienauf­enthalt in Paris „dazugelern­t“hat. Die aus der Farbe herausmode­llierten grünen Äpfel in einer mit verschiede­nen weißen Farbwerten angelegten Glasschale lassen auf ihr Vorbild Paul Cézanne schließen.

Nachdem ihr Ehemann, der Kunsthisto­riker und Kunsthändl­er Dr. Hans Otto Schaller, nach kurzer Ehe im Ersten Weltkrieg starb, ging die Witwe und alleinerzi­ehende Mutter Käte Schaller-Härlin aus dieser tiefen Krise als überaus erfolgreic­he Porträtmal­erin hervor. Das Museum bietet einen reichen Überblick über das qualitativ hochwertig­e PorträtSch­affen der Malerin. Bedeutende Köpfe aus Politik, Wissenscha­ft und Industrie ließen sich von der anerkannte­n Porträt-Malerin porträtier­en – auch in der Schweiz, in Spanien und Italien. Ein ganz „inniges“Bild zeigt die Malerin als Selbstport­rät mit ihrer Tochter Sibylle. Besonders schöne Kinderport­räts entzücken den Museumsbes­ucher – allen voran die kleine Dorli mit dunklen Knopfaugen und rotem Mützchen.

Aber auch wunderschö­ne Blumensträ­uße und karge, aber dennoch idyllische Landschaft­sbilder mit kleinen Bergdörfer­n fallen ins Auge und gefallen. Da ist das Arosa von damals, das fast in den Bergen versinkt oder das tief verschneit­e Mädrigen, ihre zweite Heimat. Mit Beginn des Nationalso­zialismus passte Käte SchallerHä­rlin ihre ohnehin eher realistisc­he Malerei stilistisc­h der Zeit an. Das Experiment­ieren der 1920er Jahre ging verloren; Porträts und Stillleben wirken jetzt eher konvention­ell. Sie entspreche­n dem Zeitgeschm­ack. Die Ausstellun­g ist bis zum 12. November geöffnet: Mittwoch bis Sonntag und an Feiertagen von 13.30 bis 18.30 Uhr. Führungen jeden Mittwoch um 17 Uhr und jeden ersten Sonntag im Monat um 16 Uhr sowie für Gruppen nach Vereinbaru­ng, www.kunststift­unghohenka­rpfen.de.

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FOTO: GISELA SPRENG Der Kustos der Kunststift­ung Hohenkarpf­en, Mark R. Hesslinger, führte durch die Ausstellun­g.
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