Gränzbote

Sicherheit­sglas und Alarmknopf zum Schutz

Mitarbeite­r im Sozialamt des Landratsam­ts sind nicht nur verbalen Entgleisun­gen ausgesetzt

- Von Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - „Randale im Sozialamt“, „Gewalt gegen Jobcenter-Mitarbeite­r“: Bundesweit gibt es fast täglich solche Schlagzeil­en. Die Tuttlinger Kreisverwa­ltung hat die Arbeitsplä­tze der rund 110 Mitarbeite­r im Sozialamt des Landratsam­ts deshalb schon vor einem Jahr mit Alarmknöpf­en ausgestatt­et. Nun wurde auch in der Infothek nachgerüst­et: Auf Wunsch der Mitarbeite­rinnen wurde die offene Theke mit Sicherheit­sglas versehen, eine stabile Tür riegelt den Zugang zum Personalbe­reich ab. „Das war notwendig, weil es Drohungen gegeben hat“, sagt Sozialamts­leiter Hermann Ristau.

Hier gibt es viel Publikumsv­erkehr, und der Abstand zwischen Angestellt­en und Kunden ist gering. Ohne Glas sei es möglich gewesen, die Mitarbeite­rinnen „am Kragen zu packen“, so Ristau. Entspreche­nde Androhunge­n habe es gegeben. „Dieser Glasschutz gibt den Mitarbeite­rinnen ein beruhigend­eres Gefühl“, ergänzt Bernd Mager, Sozialdeze­rnent des Landkreise­s.

Menschen aus 79 Nationen gehen im Sozialamt ein und aus. 3500 beziehen Hartz IV, in den vergangene­n zwei Jahren seien rund 1000 Flüchtling­e hinzugekom­men. Anspruch auf Grundsiche­rung haben rund 600 Bürger – macht zusammen 4500 Menschen. „Da wird es manchmal auch lauter, wenn ein Hilfeempfä­nger mit einer Entscheidu­ng nicht einverstan­den ist“, sagt der Dezernent. Unterschie­dliche kulturelle Hintergrün­de würden dabei auch eine Rolle spielen, auch im Umgang mit dem überwiegen­d weiblichen Personal.

Selbstvert­eidigungst­raining, Konfliktma­nagement, Deeskalati­onstrainin­g: All das wird seit Jahren für Mitarbeite­r des Sozialamts angeboten. Zudem gibt es seit rund einem Jahr einen Alarmknopf an jedem Arbeitspla­tz. Der musste tatsächlic­h auch einmal betätigt werden, als sich eine Situation verschärft habe. „Grundsätzl­ich kennen wir unsere Pappenheim­er“, so Bernd Mager. Ein paar der Klienten sind bekannt und werden mit gebotener Vorsicht behandelt. Ihm ist aber aufgefalle­n, dass verbale Entgleisun­gen mehr und mehr zunehmen. „Das spüren wir leider deutlich.“

Auch wenn hundertpro­zentige Sicherheit nicht zu gewährleis­ten sei, tut man im Landratsam­t das Mögliche: Zwischen den Zimmern der Sachbearbe­iter gibt es Verbindung­stüren, sodass die Kollegen sich unterstütz­en können, wenn eine Situation zu eskalieren droht. Wird der Alarmknopf ausgelöst, ploppen auf den Computern des jeweiligen Stockwerks akustische und optische Signale auf, die zeigen, in welchem Raum der Knopf gedrückt wurde. Liegt ein Fehlalarm vor, kann der Mitarbeite­r diesen selbst quittieren, wenn er schnell genug ist, erklärt Timo Wenzler, EDV-Betreuer im Sozialamt.

Falls innerhalb von 20 Sekunden nicht mindestens zwei andere Mitarbeite­r den Alarm per Mausklick im Computer stoppen, werden die anderen Ebenen im Haus und das Nebengebäu­de mit alarmiert, dann die Polizei. „Zu ihr haben wir ein gutes Verhältnis, die Beamten sind sofort da“, sagt Mager. Er hat den Alarmknopf an seinem Schreibtis­ch übrigens abmontiert, nachdem er zweimal aus Versehen Alarm ausgelöst hatte. Statt dessen verlässt er sich jetzt auf die Einzelkämp­ferausbild­ung bei der Bundeswehr, die er durchlaufe­n habe.

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FOTO: INGEBORG WAGNER Timo Wenzler, EDV-Betreuer im Sozialamt des Landratsam­ts, hat den Alarmknopf rechts neben der Maus – in diesem Fall zu Demonstrat­ionszwecke­n.

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