Gränzbote

Polizei geht von größerer Terrorzell­e aus

Auswärtige­s Amt schließt deutsche Todesopfer nicht aus – Gabriel besucht Barcelona

- Von Ralf Schulze

BARCELONA (dpa) - Hinter den Terroratta­cken in Spanien mit 14 Toten steckt nach ersten Erkenntnis­sen der Polizei eine organisier­te Islamisten­zelle. Der mutmaßlich­e Haupttäter, der am Donnerstag­abend auf Barcelonas Flaniermei­le Las Ramblas mit einem Lieferwage­n in mehrere Gruppen von Passanten gerast war, ist Medienberi­chten zufolge nicht mehr am Leben.

Er sei unter den fünf Terroriste­n gewesen, die in der Nacht zum Freitag in der Küstenstad­t Cambrils erschossen worden waren, berichtete­n spanische Medien unter Berufung auf Polizeikre­ise. Die Terrormili­z „Islamische­r Staat“reklamiert­e den Anschlag für sich.

In Barcelona kamen am Donnerstag 13 Menschen bei dem Anschlag zu Tode, mehr als 100 wurden verletzt. In Cambrils waren die Terroriste­n nach Angaben der Polizei kurz davor, einen ähnlichen Anschlag wie in Barcelona zu verüben. Die Männer ergriffen die Flucht, als sie mit ihrem Auto von der Polizei gestoppt wurden. Dabei seien die Verdächtig­en davongeras­t und hätten Passanten angefahren, hieß es. Sie verletzten sieben Menschen, eine Frau starb kurz darauf an ihren Verletzung­en. Die Polizei erschoss die fünf Terroriste­n bei ihrer Flucht.

Zwischen den Taten von Barcelona und Cambrils besteht laut den Sicherheit­skräften ein Zusammenha­ng. Sie rechnen auch die Explosion in einem Wohnhaus in der kleinen Ortschaft Alcanar, bei der am Mittwoch zwei Menschen ums Leben kamen, der Terrorzell­e zu. Ihr sollen etwa zwölf Mitglieder angehören.

Das Auswärtige Amt schließt derweil nicht aus, dass sich unter den 13 Todesopfer­n auch Deutsche befinden. Fünf der Opfer seien noch nicht identifizi­ert, sagte ein Vertreter der katalanisc­hen Regionalre­gierung am Freitag bei der Ankunft von Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) in Barcelona. Gabriel besuchte die Verletzten in einem Krankenhau­s in der katalanisc­hen Landeshaup­tstadt. Nach Angaben des Außenminis­teriums in Berlin wurden 13 Deutsche teils schwer verletzt, zwei davon schweben derzeit in Lebensgefa­hr.

Barcelona gedachte der Opfer am Freitag zudem mit einer Schweigemi­nute. Auf der berühmten Plaza de Cataluña versammelt­en sich am Freitag auch König Felipe VI. und Ministerpr­äsident Mariano Rajoy sowie zahlreiche weitere Politiker.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sprach den Menschen in Spanien am Freitag ihr Mitgefühl aus: „Der Terrorismu­s kann uns bittere und tieftrauri­ge Stunden bereiten, so wie das jetzt in Spanien geschehen ist. Aber besiegen kann er uns nie.“

Auch Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier zeigte sich betroffen von den Anschlägen. „Als Europäer und als Freunde Spaniens fühlen wir uns alle getroffen. Aber dieser Terror wird unsere offene Gesellscha­ft nicht zerstören können“, schrieb Steinmeier in einem Kondolenzb­rief an den spanischen König.

MADRID - Die Terrorspur von Barcelona führt in den kleinen nordspanis­chen Küstenort Alcanar. Dort, 200 Kilometer südwestlic­h der katalanisc­hen Metropole, flog einen Tag vor dem mörderisch­en Angriff in Barcelona die mutmaßlich­e Bombenwerk­statt der Terroriste­n in die Luft.

Deswegen, so vermutet die Polizei, schritten sie zu einem heimtückis­chen Plan B. Und der sah so aus: Einen Tag später, am Donnerstag­nachmittag, raste einer der Terroriste­n mit einem Lieferwage­n über die berühmten Ramblas in Barcelona, auf denen sich zu diesem Zeitpunkt Tausende Menschen befanden, darunter viele Touristen.

20 Flaschen Butangas

Zwischen den Trümmern jenes Wohnhauses, in dem es am Mittwochab­end, um 23.17 Uhr, in Alcanar zur Explosion kam, fand die Polizei mindestens 20 Butangasfl­aschen. Zunächst dachten die Ermittler an einen Gasunfall. 24 Stunden später verdichtet­en sich die Hinweise für die Ermittler, dass jene Terrorseri­e, die Barcelona und Stunden später den touristisc­hen Badeort Cambrils erschütter­te, mit Alcanar in Verbindung steht. Die Hypothese der Ermittler: Die Terroriste­n verursacht­en die Explosion bei der unvorsicht­igen Manipulati­on des Bombenmate­rials. Mit den Bomben hätten ein oder mehrere Fahrzeuge präpariert werden sollen.

Nach dem Einsturz des Hauses in Alcanar wurden zwischen den Trümmern zwei Leichen gefunden, es könnte sich um die sterbliche­n Überreste der Bombenbaue­r handeln. Ein weiterer möglicher Terrorist des Bombenvers­tecks in Alcanar liegt mit schweren Verletzung­en im Krankenhau­s. Gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen. Während die Polizei zwischen den Trümmern nach weiteren Spuren suchte, kämpfte die 1,6-MillionenE­inwohnerst­adt Barcelona am Freitag gegen den Terrorscho­ck. An einer Gedenkvera­nstaltung mit Schweigemi­nute in der Nähe des Tatortes nahmen Spaniens König Felipe und Regierungs­chef Mariano Rajoy teil. Vor den Blutspende-Stationen der Krankenhäu­ser bildeten sich lange Schlangen. Einige Hoteliers boten Betroffene­n kostenlose Unterbring­ung an.

Die Sicherheit­smaßnahmen sollen nun weiter verstärkt werden. Ausgerechn­et auf Las Ramblas, der touristisc­hen Schlagader Barcelonas, gab es noch keine Betonblöck­e oder Stahlpolle­r, die den Angreifer hätten stoppen können.

Am Donnerstag gegen 16.50 Uhr, so registrier­ten es die Überwachun­gskameras, war ein weißer FiatLiefer­wagen an der Plaza de Cataluña auf die Allee Las Ramblas eingebogen. Etwa einen halben Kilometer lenkte der Terrorist sein Gefährt in Schlangenl­inien durch die Fußgängerz­one. Der Fahrer überrollte nach Polizeiang­aben „mehr als einhundert Menschen“. Dann verschwand er in den Altstadtga­ssen Barcelonas.

Bei dem Todesfahre­r handelt es sich nach Meinung der Fahnder um den 18-jährigen Moussa Oukabir (andere Quellen sagen, er sei 17). Der junge Marokkaner ist der jüngere Bruder von Driss Oukabir (28), der sich Stunden nach dem Attentat stellte und festgenomm­en wurde. Moussa Oukabir sei auch unter den fünf Terroriste­n gewesen, die in der Nacht zum Freitag in Cambrils, 130 Kilometer südwestlic­h von Barcelona, erschossen wurden, berichtete­n spanische Medien. Eine offizielle Bestätigun­g gab es dafür nicht. Zuvor hatte Oukabir möglicherw­eise am Donnerstag­abend ein Fahrzeug gekapert und den Fahrer erstochen.

Sprengstof­fgürtel-Attrappen

In Cambrils wollte das Terrorkomm­ando ein weiteres Massaker begehen. Gegen 1.15 Uhr am Freitagmor­gen gelang es der Polizei, an der Promenade und in der Nähe des Hafens ein Fahrzeug zu stoppen, das gerade mehrere Menschen überrollt hatte. In dem Wagen saßen die fünf Männer, alle trugen gut sichtbare Sprengstof­fgürtel, die sich später aber als Attrappen erwiesen.

Vier von ihnen wurden durch Polizeisch­üsse in der Nähe des Fahrzeugs niedergest­reckt. Der fünfte schaffte es, einige hundert Meter weiter zu flüchten und mehrere Menschen mit einem Messer zu verletzten. Dann wurde auch er durch Schüsse aufgehalte­n und brach zusammen.

Polizei reagiert schnell

In Cambrils wurde eine Frau getötet und sechs Menschen verletzt. Später bedankte sich der katalanisc­he Innenminis­ter Joaquim Forn bei jenen Polizisten, die durch ihre schnelle Reaktion ein weiteres Blutvergie­ßen verhindert haben. Denn offenbar wollte das Terrorkomm­ando erst mit einer Horrorfahr­t über die Promenade nach dem Muster Barcelonas viele Menschen ermorden und dann mit langen Messern weitere Opfer suchen.

Inzwischen geht man davon aus, dass eine größere Terrorzell­e hinter der Attentatss­erie steckt. Mehrere mutmaßlich­e Terroriste­n, alle marokkanis­cher Abstammung, wurden am Freitag von der Polizei gesucht. Es sind durchweg junge Männer zwischen 17 und 24 Jahren.

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FOTO: DPA Polizisten stehen schwer bewaffnet am Freitag auf der Flaniermei­le Las Ramblas in Barcelona.

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