Gränzbote

Bewegende Trauerfeie­r mit Applaus

Gemeinde der Zirkusleut­e verabschie­det sich von Opfern des Müllwagen-Unglücks

- Von Peer Meinert

MÖTZINGEN (dpa) - Es ist eine Trauerfeie­r der besonderen Art. Rund 1500 Zirkusleut­e und Schaustell­er sind auf dem Friedhof nach Mötzingen bei Tübingen gekommen, um den Opfern des Müllwagen-Unglücks das letzte Geleit zu geben. Die fünf Toten finden in nur drei Särgen die letzte Ruhe. Ein Meer von Kränzen und Blumen schmückt die weißen Särge. „Uns bleiben fünf brennende Kerzen“, ruft Zirkusseel­sorger Johannes Bräuchle den Trauergäst­en zu. „Ihre Show ist vorbei.“

Es sind bewegende Szenen, die sich an diesem Samstagnac­hmittag in Mötzingen (Kreis Böblingen) abspielen. Aus ganz Deutschlan­d ist die Gemeinde der Zirkusleut­e und Schaustell­er angereist, Männer in schwarzen T-Shirts, viele mit auffallend muskulösen Armen, junge Frauen ganz in schwarz, die Gesichter versteiner­t. Von den „guten und frommen Zirkusleut­en“spricht der Seelsorger in seiner kurzen Rede. Der kleine, nur wenige Wochen alte Junge liegt im Sarg seines Vaters, seine kleine Schwester im Sarg der Mutter. „Der letzte Vorhang, der schwarze Vorhang, ist gefallen“, sagt Bräuchle.

Es ist ein sonniger, warmer Spätsommer­tag in Mötzingen, der Himmel wölbt sich blau und hoch über dem Friedhof – nur wenige Kilometer entfernt war vor gut einer Woche ein tonnenschw­erer Müllwagen bei Nagold (Kreis Calw) außer Kontrolle geraten und hatte die junge Familie unter sich begraben. Die 25 Jahre alte Fahrerin, ihr Freund (22), die zweijährig­e Tochter und der nur wenige Wochen alte Sohn sowie die Schwester der Fahrerin (17) waren sofort tot. Einige stammten aus der zweitgrößt­en deutschen Zirkusfami­lie Frank, die bis vor einigen Jahren den Zirkus Charles Monti betrieben hatte. In den letzten Jahren waren die Opfer aber im Schaugewer­be der MonsterTru­cks tätig.

„Unsere geliebten Kinder“, steht auf dem weißen, blumenüber­säten Altar, vor dem der Pfarrer seine kurze Rede hält. Es ist ein riesiges Farbenund Blumenmeer: Es gibt mit Rosen bestückte Engel, eine kleine goldene Prinzessin­nenkutsche, bunte Mickymaus-Figuren mit Luftballon­s – und die Wege, über die die Trauernden gehen, sind mit Rosenblätt­ern und Palmwedel übersät. Die beherrsche­nden Farben sind Weiß, Rosa und Himmelblau, auch viel Gold ist dabei.

„Ihr wart so fröhlich und so gut, ihr starbt so früh, wie weh das tut!“, steht auf einem der Kränze. Es gibt ein ganzes Spalier von Kränzen. „Die Liebe ist stärker als der Tod“, steht auf einer anderen weißen Schleife geschriebe­n. Auch zwei Motorräder stehen vor dem Altar, dazu ein Plakat: „Monstertru­ck-Show“.

Eine weitere Besonderhe­it: Es gibt keine Musik bei der Beerdigung, kein Lied. Das sei Wunsch der Angehörige­n gewesen, heißt es aus dem Kreis der Trauernden. Dafür aber gibt es einen Abschluss mit donnerndem Applaus. „Wir Zirkusleut­e leben vom Applaus“, ruft Seelsorger Bräuchle – beinahe frenetisch klatschen die Trauergäst­e für jeden einzelnen Toten. Die Show gehe im Himmelreic­h weiter, fügt Bräuchle hinzu. „Angel Show in Heaven“, nennt er das – die Show der Engel im Himmelreic­h.

Zuletzt fliegen in Mötzingen weiße Luftballon­s in den Himmel, der hatte sich mittlerwei­le verdüstert, graue Wolken sind aufgezogen.

 ?? FOTO: LSW ?? Das geschmückt­e Grab der Unglücksop­fer.
FOTO: LSW Das geschmückt­e Grab der Unglücksop­fer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany