Gränzbote

Seehofer windet sich um das O-Wort

Nach einem ARD-Interview relativier­t der CSU-Chef seine Äußerungen zur Obergrenze

- Von Rasmus Buchsteine­r und dpa

BERLIN - Der bayrische Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) fühlt sich missversta­nden. Kaum ist das ARD-Interview vorüber, in dem er sich noch einmal zur Forderung seiner Partei nach einer Obergrenze für Flüchtling­e geäußert hatte, was weithin als Abrücken gewertet worden war, meldet sich der CSU-Chef auch schon mit einer Klarstellu­ng zu Wort – ein höchst ungewöhnli­cher Vorgang. „Kein Abrücken von der Obergrenze. Die 200 000 bleiben“, stellt Seehofer klar. Der Name sei dabei nicht so wichtig. „Wenn anstelle der ,Obergrenze’ ,Kontingent’ steht, das ist nicht mein Problem“, schiebt er nach. „Wir garantiere­n, dass dieser Dreiklang kommt: Humanität, Integratio­n, Begrenzung“, so Seehofer. „Wenn ich das sage, gilt das.“

Tatsächlic­h fragt sich in Berlin nicht nur der politische Gegner, was denn nun gilt bei der CSU. Vor Weihnachte­n hatte Seehofer noch angekündig­t, seine Partei werde notfalls in die Opposition gehen, sollte die Obergrenze nicht im Koalitions­vertrag vereinbart werden. Mitte Juli bei der Präsentati­on des „Bayernplan­s“seiner Partei zur Bundestags­wahl hatte sich Seehofer nicht mehr so kategorisc­h geäußert und offengelas­sen, wie seine Partei nach der Bundestags­wahl am 24. September mit der Forderung umgehen werde. CDU-Chefin Angela Merkel hatte mehrfach klargestel­lt, dass sie eine Obergrenze nicht akzeptiere­n werde.

Nicht mehr Koalitions­bedingung

„Die Situation hat sich verändert, der Kurs in Berlin hat sich verändert“, sagte Seehofer am Sonntag im ARDIntervi­ew – und schien damit einen Kurswechse­l zu vollziehen. „Wir haben jetzt deutlich weniger Zuwanderun­g als zu dem Zeitpunkt, wo ich dieses Zitat gebracht hatte.“Nach dem Gespräch aber legte er Wert auf die Feststellu­ng, dass die CSU weiter an der Obergrenze festhalte, auch wenn er sie nicht mehr explizit als Koalitions­bedingung nennt.

Fakt ist: Im ersten Halbjahr 2017 wurden laut Bundesinne­nministeri­um 90 389 Asylsuchen­de in Deutschlan­d registrier­t. In den ersten sechs Monaten 2016 waren noch etwa doppelt so viele nach Deutschlan­d gekommen, im zweiten Halbjahr 2015 sogar mehr als achtmal so viele.

Die Obergrenze gilt als womöglich entscheide­ndes Hindernis für eine schwarz-grüne Koalition oder ein Jamaika-Bündnis von Union, FDP und Grünen nach der Bundestags­wahl. In den anderen Parteien führen die Äußerungen des CSU-Chefs zu geteilten Reaktionen. „Horst Seehofer hat seine politische Haltung inzwischen so oft gedreht, dass dem Wähler schon vom Hinschauen schwindeli­g wird“, sagte SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann am Sonntag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Was Seehofer morgen, übermorgen oder nach der Wahl vertritt, weiß kein Mensch, es ist aber sicher nicht das, was er heute sagt.“Man könne den Mann „doch nicht mehr ernst nehmen“.

Der FDP-Vorsitzend­e Christian Lindner sagte, die CSU habe nie konkretisi­eren können, was sie rechtlich unter der Obergrenze genau verstehen wolle. „Deshalb ist unsere Überraschu­ng begrenzt. Unveränder­t besteht aber Bedarf nach einem Einwanderu­ngsgesetz, das Ordnung schafft, und einer konsequent­en Kontrolle der Außengrenz­e der EU“, so Lindner: „Ich begrüße, wenn Symboldeba­tten durch konkretes Handeln ersetzt werden.“

In CSU-Kreisen heißt es, wie es mit der Obergrenze in möglichen Koalitions­verhandlun­gen weitergehe, sei offen. Denkbar wäre es etwa, sie nicht explizit zu erwähnen, aber gleichzeit­ig Maßnahmen zu vereinbare­n, die gewährleis­ten könnten, dass nicht mehr als 200 000 Flüchtling­e pro Jahr kämen. Bis auf Weiteres will Seehofer aber an der Forderung festhalten, auch um nicht den eigenen „Bayernplan“zu konterkari­eren. „Für Ordnung und Begrenzung bei der Zuwanderun­g ist eine Obergrenze unabdingba­r“, heißt es in diesem Dokument.

 ?? FOTO: DPA ?? CSU-Chef Horst Seehofer beim Sommerinte­rview der ARD in Berlin.
FOTO: DPA CSU-Chef Horst Seehofer beim Sommerinte­rview der ARD in Berlin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany