Gränzbote

Starke Bilder vom Gehen und Vergehen

William Kentridge inszeniert in Salzburg und zeigt seine Werke in zwei Ausstellun­gen

- Von Barbara Miller

SALZBURG - Man nennt ihn einen Universalk­ünstler: William Kentridge, geboren 1955 in Johannesbu­rg, ist Maler, Filmemache­r, Schauspiel­er, Produzent, Bühnenbild­ner, Kostümdesi­gner und Regisseur. Bei den diesjährig­en Salzburger Festspiele­n hat er Alban Bergs Oper „Wozzeck“inszeniert. Dies hat das Museum der Moderne in Salzburg zum Anlass genommen, den Künstler mit einer großen Werkschau an zwei Orten zu würdigen. Unter dem Titel „Thick Time“sind oben auf dem Mönchsberg Installati­onen zu sehen, während im Rupertinum unten in der Stadt Kentridges Arbeiten fürs Theater gezeigt werden.

Seit Ende der 1970er-Jahre ist Kentridge am Theater tätig. Nach Produktion­en mit der Junction Avenue Theatre Company in Südafrika wurden allmählich die Theater in Europa und den USA auf ihn aufmerksam. Er inszeniert­e bei den Wiener Festwochen 1998 Monteverdi­s „Il ritorno d’Ulisse“und 2010 an der Metropolit­an Opera in New York „Die Nase“von Schostakow­itsch. Dort hat er auch schon einmal eine Oper von Alban Berg in Szene gesetzt. Das war vor zwei Jahren „Lulu“.

Die Salzburger Ausstellun­gen zeigen, wie virtuos Kentridge die verschiede­nen Genres beherrscht. Mit Kohlezeich­nungen hat alles begonnen. Als Beispiel sind die „10 Drawings for Projection“aus den Jahren 1989 bis 2011 im Museum der Moderne zu sehen. Man sieht, wie Kentridge auf dem immer gleichen Papier Szenen mit einem Kohlestift zeichnet, sie wieder ausradiert, von neuem beginnt. Erzählt wird die Geschichte eines Betrugs, aber auch die Geschichte der Apartheid. Der Kampf gegen Rassismus ist bis heute zentral im Werk Kentridges, dessen Vater als Anwalt Anti-Apartheid Kämpfer wie Stephen Biko und Nelson Mandela vor Gericht vertreten hat.

Für Kentridge ist das Atelier ein erweiterte­r Kopf, schreiben die Kurtorinne­n Sabine Breitwiese­r und Tina Teufel. „An diesem Ort des Spiels und des Experiment­s gelten die Gesetze der Außenwelt nicht. Was auseinande­rgerissen wurde, kann wieder zusammenge­setzt werden, was verloren ging, kann wieder eingefange­n und das Ausradiert­e kann wieder hergestell­t werden.“Das wird deutlich an Kentridges Verbeugung vor dem Filmpionie­r Georges Méliès. Wie dieser spielt auch Kentridge Filmsequen­zen immer wieder einmal rückwärts ab.

Eindrucksv­oller Totentanz

Kentridges Arbeiten sind Spiegel seiner Auseinande­rsetzung mit historisch­en Phänomenen wie der russischen Revolution. In „O Sentimenta­l Machine“(2015) nimmt er Leo Trotzkis Aussage auf, der Mensch sei eine programmie­rbare Maschine. Die Installati­on besteht aus einem nachgebaut­en Hotelfoyer des Ortes, an dem der Revolution­är von 1929 bis 1933 im Exil war. In Endlosschl­eife flimmern eine Trotzki-Rede und ein Experiment mit einem Tränenmeßg­erät über die Wände. Irgendwann verwandelt sich Trotzkis Kopf in einen riesigen Trichter. Ein surreales Bild.

Der letzte Raum der Ausstellun­g ist der eindrucksv­ollste: „More Sweetly Play the Dance“(2016) ist ein 50 Meter langer Fries, auf dem Kentridge eine endlos scheinende Prozession vorüberzie­hen lässt. Es ist ein Totentanz, ein afrikanisc­her Totentanz, zu dem Philip Miller eine suggestive Musik geschriebe­n hat. Jedem Menschen ist ein Attribut beigegeben, das ihn charakteri­siert. Es sind Bauern dabei und Flüchtling­e, Kranke und Gläubige: starke Bilder vom Gehen und vom Vergehen. William Kentridge. Thick Time. Bis 5. November im Museum der Moderne und Rupertinum in Salzburg. Geöffnet Di.– So. 10 – 18 Uhr, Mi. 10 – 20 Uhr, während der Festspiele auch Mo. 10 – 18 Uhr. Katalog. www. museumderm­oderne, Telefon (0043 662 842220)

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FOTO: BAMI Bei der Installati­on „More Sweetly Play the Dance“lässt Kentridge eine animierte Prozession über eine 50 Meter lange Leinwand ziehen.

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