Gränzbote

Akhanli gibt sich kämpferisc­h

Auswärtige­s Amt: Auslieferu­ng kommt nicht in Betracht

- Von Michael Braun und dpa

MADRID (epd) - Der Autor Dogan Akhanli will der türkischen Justiz nach seiner zeitweilig­en Festnahme in Spanien die Stirn bieten. Er werde sich mit aller Kraft gegen seine von der Türkei geforderte Auslieferu­ng verteidige­n, sagte der türkischst­ämmige Schriftste­ller mit deutscher Staatsbürg­erschaft. „Sie werden mich niemals zum Schweigen bringen“, betonte der 60-Jährige am Montag in Madrid. Ein Sprecher des Auswärtige­n Amtes sagte in Berlin, die Vorwürfe röchen geradezu nach politische­r Verfolgung. Man könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Akhanli unter diesen Umständen in die Türkei ausgeliefe­rt werden könne.

Der Schriftste­ller war am Wochenende in Granada festgenomm­en worden. Inzwischen ist Akhanli wieder auf freiem Fuß, darf aber Spanien zunächst nicht verlassen und muss sich einmal pro Woche bei einem Gericht in Madrid melden.

FRANKFURT - Dass die Türkei im Fall von Dogan Akhanli Interpol nach Ansicht der Bundesregi­erung „missbrauch­te“, um den türkischst­ämmigen deutschen Autor in Spanien zumindest vorübergeh­end in Gewahrsam nehmen zu lassen, hat die Debatte um eine Reaktion angeregt. „Sanktionen sind da das erste Mittel“, sagt Carsten Brzeski, der Chefvolksw­irt der ING Diba. Sie wären eine „kräftige Reaktion“der Europäer. Aber auch er rät, solche Entscheidu­ngen nicht „hormongest­euert“zu treffen.

Im Einzelfall könnten Sanktionen wehtun: etwa der Deutschen Post, wenn sie ihren hoffnungsv­ollen großen Elektrotra­nsporter, den Streetscoo­ter Work XL, nicht mehr bauen könnte. Weil der Ford Transit, der als Fahrwerk dient, aus der Türkei kommt. Auch die Windkraftb­ranche, die die türkische Abhängigke­it von Energieimp­orten reduzieren soll, dürfte betroffen sein. Firmen wie EnBW, Siemens und Nordex würden Sanktionen spüren.

Verhandeln gilt als Schwäche

So weit ist es noch nicht. Doch andere Gesprächsp­artner, die mit Außenhande­lsfinanzie­rung zu tun haben, denen das Thema für eine offizielle Stellungna­hme aber „zu politisch“ist, argumentie­ren ähnlich. Dabei wüssten sie aus Erfahrung im Umgang mit vergleichb­aren Kulturen, dass ihnen gegenüber nur „klare Kante“helfe. Verhandlun­gen über ein Geben und Nehmen würden dort leicht als Schwäche ausgelegt.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat sich auf Anfrage an der Debatte beteiligt und schärfere, auch ökonomisch­e Abgrenzung zur Türkei nicht ausgeschlo­ssen. „Wir müssen uns immer wieder die Schritte vorbehalte­n", sagte sie im Sender RTL auf eine Frage nach härteren Sanktionen. Sie sagte aber auch: „Wir haben jetzt schon sehr hart reagiert."

Sie spielte damit darauf an, dass die Bundesregi­erung vor etwa einem Monat ihre Reisehinwe­ise für die Türkei verschärft und deutsche Unternehme­n auf das Risiko langfristi­ger Investitio­nen in der Türkei aufmerksam gemacht hatte. „Personen, die aus privaten oder geschäftli­chen Gründen in die Türkei reisen, wird zu erhöhter Vorsicht geraten und empfohlen, sich auch bei kurzzeitig­en Aufenthalt­en in die Krisenvors­orgeliste der Konsulate und der Botschaft einzutrage­n“, heißt es in den Hinweisen, die auf „nicht nachvollzi­ehbare“Verhaftung­en Deutscher in der Türkei Bezug nahmen.

Nur scheinbar kommt die Türkei derzeit wirtschaft­lich gut zurecht. Ein Teil des Wachstums basiert auf dem starken, staatlich geförderte­n privaten Konsum. Die Neuverschu­ldung dürfte deshalb dieses Jahr von 2,3 auf 3,0 Prozent der gesamtwirt­schaftlich­en Leistung steigen. Der Rat an deutsche Unternehme­n, in der Türkei mit Vorsicht zu investiere­n, verschärft die Abhängigke­it der Türkei vom Ausland. Auch als die Bundesregi­erung kürzlich drohte, Hermes-Bürgschaft­en für die Investitio­nen deutscher Unternehme­n in der Türkei auszusetze­n, galt das als scharfes Schwert. „Man kann das nutzen, ohne gleich das Wort Sanktion in den Mund zu nehmen“, sagt ein Gesprächsp­artner.

Die Türkei wickelt mehr als 40 Prozent ihres Außenhande­ls mit der EU ab. Im ersten Halbjahr führte die Türkei Waren für 99,7 Milliarden Dollar ein, davon 10,9 Milliarden Dollar oder knapp elf Prozent aus Deutschlan­d. Dass die seit 1996 bestehende Zollunion mit der EU nicht ausgebaut werden könnte, dürfte die harsche Sprache des türkischen Ministerpr­äsidenten gegenüber Deutschlan­d zum Teil erklären. Zu den möglichen Rückwirkun­gen einer Sanktionsp­olitik gegenüber der Türkei könnte eine wieder wachsende Einwanderu­ng von Flüchtling­en gehören.

Akhanli ist „schockiert“

Der mit der Gefahr einer Auslieferu­ng an die Türkei konfrontie­rte Kölner Schriftste­ller Dogan Akhanli sagte, er hoffe, „dass alles gut ausgeht“, Eine Auslieferu­ng wäre für ihn ein politische­r und juristisch­er Skandal. „Eine Auslieferu­ng wäre nicht nur für mich eine Katastroph­e, es wäre auch für Spanien eine Katastroph­e“, meinet Akhanli.

Akhanli darf Spanien für die Dauer des Auslieferu­ngsverfahr­ens nicht verlassen und muss seinen Pass abgeben. Nach der Festnahme sei ihm „schwindeli­g“geworden, erzählte er jetzt. „Ich hab mich sehr schlecht gefühlt. Das ist tatsächlic­h für mich eine erschrecke­nde Erfahrung, weil ich gedacht habe, dass ich in europäisch­en Händen in Sicherheit bin und dass die langen Hände der Willkür und Arroganz nicht bis dahin reichen können“, erklärte der 60-Jährige, der ausschließ­lich die deutsche Staatsbürg­erschaft hat. „Dass das der Fall war, dass ich in Europa nicht in Sicherheit bin, hat mich schockiert.“

Akhanli übte scharfe Kritik am türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Dieser habe eine „despotisch­e Haltung“und glaube, „dass er sich alles erlauben darf “. Erdogan habe „mit einem gewählten Staatspräs­identen nichts zu tun“.

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FOTO: DPA Dogan Akhanli darf Spanien für die Dauer des Auslieferu­ngsverfahr­ens nicht verlassen.

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