Gränzbote

Pionier der Abstraktio­n

Maler Karl Otto Götz im Alter von 103 Jahren gestorben

- Von Dorothea Hülsmeier

DÜSSELDORF (dpa) - Karl Otto Götz war einer der kraftvolls­ten abstrakten Maler und Wegbereite­r der modernen Kunst Deutschlan­ds. Der große alte Meister der deutschen Nachkriegs­kunst, den alle kurz K.O. Götz nannten, ist tot. Er starb am Samstag im hohen Alter von 103 Jahren. In seinem Leben spiegelte sich die von Brüchen und Revolution­en geprägte Geschichte der letzen 100 Jahre wieder. Bis kurz vor seinem Tod malte Götz noch mithilfe seiner Ehefrau Rissa.

Grundprinz­ipien der Technik von K.O. Götz waren das schnelle Malen und die Rakeltechn­ik. Berühmt wurde er mit großformat­igen gestischen Schwarz-Weiß-Kompositio­nen. In ihrer Energie erinnern Götz’ abstrakte Bilder an die Explosion von Materie. „Abstrakt ist schöner“lautete das künstleris­che Lebensmott­o des Biennaleun­d documenta-Teilnehmer­s, dessen stilistisc­he Anfänge nah bei den Surrealist­en und Miró lagen.

Die späteren Bilder von Götz mit ihren dynamische­n gelben, blauen oder roten Farbströme­n, Wirbeln und Schlieren wirkten wie „aufgepeits­chter Raum“, so formuliert­e es sein Freund Edouard Jaguer schon 1954.

Im Rhythmus der Pinselzüge

Nicht alles überließ Götz dem Zufall. Erst entwarf er das Bild akribisch vor seinem inneren Auge oder mit Skizzen, dann grundierte er die Leinwand mit Kleister und goss Farbe darauf. In Sekundensc­hnelle zog er dann einen Rakel darüber, einen Schaber, wie ihn Handwerker benutzen. Schließlic­h übermalte Götz mit einem trockenen Pinsel das Gemalte. „Meine Malerei lebt vom Rhythmus meiner Pinselzüge und Rakelschlä­ge“, sagte Götz einmal. Wie die amerikanis­chen Künstler des „Action Painting“bearbeitet­e er die Leinwand auf dem Boden.

Geboren wurde K.O. Götz am 22. Februar 1914 in Aachen, noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Unter den Nazis hatte Götz wegen seiner Vorliebe für Abstraktes Malverbot. Nach dem Zweiten Weltkrieg machte K.O. Götz die deutsche Kunst mit seiner abstrakten Malerei wieder internatio­nal hoffähig. Er war als einziger Deutscher Mitglied der Künstlergr­uppe CoBrA. Bis 1979 lehrte Götz als Professor an der Kunstakade­mie Düsseldorf. Seine Schüler Gerhard Richter und Sigmar Polke wurden weltberühm­t. Götz setzte sich auch für Joseph Beuys ein. Als Akademiepr­ofessor ließ Götz seinen Schülern immer freien Lauf. Der Künstler Götz liebte die große Geste, als Lehrer nahm er sich zurück.

Bekannt ist Götz’ monumental­e Serie „Jonction III“, die er als Reaktion auf den Tag der Wiedervere­inigung am 3. Oktober 1990 malte und die heute zur Kunst des Bundestags gehört. Zahlreiche Museen in Deutschlan­d ehrten den Mitbegründ­er der Informel-Bewegung zu seinem 100. Geburtstag 2014 mit Ausstellun­gen.

Viele Jahre lebte Götz mit seiner Frau Rissa (79), die ebenfalls Künstlerin ist, im Örtchen Niederbrei­tbach-Wolfenacke­r im Westerwald. Sein Augenlicht hatte ihn langsam verlassen, zuletzt war er ganz blind und malte dennoch mithilfe von Rissa weiter.

Götz war nicht nur ein bildender Künstler. Er schrieb auch Gedichte. Eines endet mit den Versen: „Lasst mich in Ruhe malen. Vorsicht, das Bild ist nass.“

 ?? FOTO: OLIVER BERG/DPA ?? Karl Otto Götz (1914 – 2017)
FOTO: OLIVER BERG/DPA Karl Otto Götz (1914 – 2017)

Newspapers in German

Newspapers from Germany