Streit um Arbeitszeit in der Kneipe
Gewerkschaft NGG warnt vor 13-Stunden-Schichten – Dehoga wünscht mehr Flexibilität
TUTTLINGEN - 2100 Beschäftigte im Gastgewerbe gibt es im Landkreis Tuttlingen. Jetzt warnt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) davor, dass sich die Arbeitszeiten der Beschäftigten verlängern könnten. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) habe einen solchen Wunsch geäußert. Ihr Tuttlinger Kreisvorsitzender, Dieter Marquardt, Geschäftsführer der „Rose“auf dem Rußberg, betont, dass an der Wochenarbeitszeit nicht gerüttelt werden soll.
„13 Stunden täglich arbeiten an bis zu sechs Tagen pro Woche? Wenn es nach dem Willen des Dehoga geht, könnte das im Landkreis Tuttlingen bald Alltag werden“, betont ClausPeter Wolf, Geschäftsführer der NGG-Region Baden-Württemberg Süd, die auch für den Landkreis Tuttlingen zuständig ist, in einer Pressemitteilung.
„Das ist falsch“, entgegnet Dieter Marquardt. Die Dehoga wolle an der wöchentlichen Arbeitszeit der Kollegen im Hotel- und Gaststättengewerbe nicht rütteln. Die beziffert sich auf maximal 48 Stunden. Allerdings soll aus Sicht der Dehoga die tägliche Arbeitszeit auf 13 Stunden ausgeweitet werden. Bisher gilt rechtlich eine tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden – mehr ist nicht erlaubt. „Wir brauchen mehr Flexibilität“, meint Marquardt.
Zehn Stunden maximal
Für die Gastwirte sei es laut Marquardt schwierig, mit den gesetzlich vorgegebenen zehn Stunden verlässlich zu arbeiten. „Wenn eine Gruppe mal länger sitzen bleiben will oder erst spät kommt, dann kann ich die doch nicht einfach rausschmeißen“, sagt Marquardt. Problematisch seien auch Hochzeiten, die etwa gegen 15 Uhr beginnen und bis weit nach Mitternacht dauern. „Wo soll ich denn um 23 Uhr noch einen Mitarbeiter herbekommen?“, fragt Marquardt.
Auch bei Aushilfen, etwa Minijobbern, gebe es durch das Arbeitszeitgesetz Probleme. Wer schon tagsüber in einem anderen Unternehmen einen normalen Arbeitstag mit acht Stunden verrichtet habe, der könnte abends nur noch zwei Stunden im Hotel- und Gaststättengewerbe aushelfen. Das seien vor allem die Gründe, warum die Dehoga eine Lockerung der gesetzlichen Arbeitszeiten fordert.
„Die Zahlen zeigen, dass Arbeitszeitgesetz und Tarifverträge den Ar- beitnehmern bereits jetzt eine hohe Flexibilität abverlangen. Den Betrieben geben sie die Freiheit, ihre Beschäftigten weitgehend so einzusetzen, wie sie es brauchen“, sagt indes Wolf. Er hält jede Aufweichung dieser Regeln für unnötig. Insbesondere der Einführung einer wöchentlichen statt einer täglichen Höchstarbeitszeit müsse eine klare Absage erteilt werden. Dies sei ein Angriff auf Tausende Beschäftigte in der Region – besonders im Gastgewerbe.
Denn in der Branche würden lange Arbeitszeiten an jedem Tag der Woche schon immer zum Beruf gehören. Laut der NGG gaben „bei der Befragung durch den Mikrozensus rund 46 000 Beschäftigte in baden- württembergischen Hotels, Gaststätten und Pensionen an, regelmäßig nach 18 Uhr zu arbeiten. 56 000 arbeiten demnach häufig an Samstagen, 52 000 an Sonntagen“. Daher sei laut Wolf die Behauptung der Dehoga, ein zu strenges Arbeitszeitgesetz belaste die Branche über alle Maßen, nicht zu halten. Auch er sieht die Probleme etwa bei Hochzeiten: „Wenn zum Beispiel eine Hochzeit länger dauert als geplant, dann schieben Küchen-Team und Kellner Überstunden, statt einfach nach Hause zu gehen. Und diese Überstunden werden dann noch nicht einmal immer bezahlt.“
All das seien für die NGG Gründe dafür, warum das Gastgewerbe kaum noch Fachkräfte finden würde. Das habe auch schon die Bundesregierung festgestellt: „Die Zahl der Auszubildenden im Hotel- und Gaststättengewerbe hält nicht mit dem Bedarf an Fachkräften Schritt.“Nur jeder elfte Gastro-Betrieb in Baden-Württemberg bilde überhaupt noch aus.
Europäische Arbeitszeitrichtlinie
Michael Staiger, Vorstandsmitglied der Dehoga-Fachgruppe Gaststätten in Baden-Württemberg, DehogaVorsitzender im Schwarzwald-BaarKreis, stellvertretender Vorsitzender des Tourismusausschusses bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, und Geschäftsführer des Irish-Pubs in Tuttlingen, begrüßt den Vorstoß seines Verbands. „Der Wunsch nach einer Wochenarbeitszeit orientiert sich an der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie. Wir müssen dann Dienstleistungen bringen, wenn der Kunde das abverlangt“, sagt er.
Das Mehr an Arbeit müsse aber, so Staiger, zeitnah ausgeglichen werden: „Wir wollen niemanden ausnehmen, aber mehr Flexibilität schaffen – nicht mehr und nicht weniger.“Auch er sagt, dass es für Minijobber fast nicht möglich sei, neben ihrem normalen Job sich in der Gastronomie etwas dazuverdienen zu können.