Parteiprogramme zur Entwicklung des ländlichen Raums
CDU/CSU versprechen eine „Offensive ländlicher Raum“. Dazu sollen Regeln, die für dichter besiedelte Gebiete entwickelt wurden, auf die Bedürfnisse des ländlichen Raums angepasst werden – etwa bei der Investitionsförderung oder beim Baurecht. Die medizinische Versorgung soll unter anderem durch „Ärztliche Versorgungszentren“ gewährleistet werden, außerdem sollen bei der Studienplatzvergabe im Fach Medizin „die Interessen des ländlichen Raums besonders berücksichtigt werden“. Um die Attraktivität des ländlichen Raums zu steigern, sollen Behörden, Hochschulen oder Forschungseinrichtungen dorthin verlagert werden – hier verweist das Programm explizit auf eine entsprechende Strategie in Bayern. Um mehr Unternehmen auf dem Land anzusiedeln, wollen CDU und CSU für „superschnelles Internet in allen Regionen“sorgen. Als Wirtschaftsfaktor soll der Tourismus weiter ausgebaut werden. Zudem verspricht die Union die Neueinrichtung einer „Ehrenamtsstiftung“. Sie soll verhindern, dass das auf dem Land stark ausgeprägte Ehrenamt unter rückläufigen Bevölkerungszahlen leidet. Außerdem will die Union, dass „Dialekte, Traditionen und Gebräuche“ideell und materiell unterstützt werden.
„Für uns gehören Stadt und Land zusammen“, heißt es im Programm der SPD. Die Partei setzt daher auf Stadt-Land-Partnerschaften. „Menschen, die in Kleinstädten und auf dem Land leben, brauchen auch in Zukunft wohnortnahe Versorgungsangebote mit Einkaufsmöglichkeiten und Dienstleistungen.“Nötig seien ein attraktiver öffentlicher Personennahverkehr, eine gute Gesundheitsund Pflegeversorgung, eine gute Kinderbetreuung, „generationengerechter“Wohnraum , ein vielfältiges Angebot an Bildung, Kultur, Freizeit und Sporteinrichtungen. Zudem fordert die SPD „Breitband für alle“. Bei all diesen Punkten wollen die Sozialdemokraten „ein besonderes Augenmerk auf die Bedürfnisse der Frauen im ländlichen Raum legen“. Strukturschwache Regionen sollen zielgenau gefördert werden. „Selbstorganisierte Infrastrukturprojekte wie Bürgerbusse, Dorfläden oder Kultur- und Sportzentren wollen wir unterstützen“, heißt es weiter. Die weitere Förderung „neuer Verkehrskonzepte“wie Carsharing soll das Verkehrsangebot im ländlichen Raum stärken. Im Kapitel zur Umweltpolitik heißt es bei der SPD: „Der Flächenverbrauch in Deutschland ist zu hoch. Langfristig müssen sich Versiegelung und Entsiegelung von Flächen die Waage halten.“
Im Programm der Linken wird der ländliche Raum oft in Verbindung mit „strukturschwachen Regionen“genannt. So stellt die Partei fest: „Die Entwicklung von einigen wenigen großen Städten auf der einen Seite und dem ,ländlichen Raum‘ (der auch viele mittlere und Kleinstädte umfasst) driftet auseinander.“Zur Unterstützung strukturschwacher Regionen fordert die Linke einen Solidarpakt III sowie die Umarbeitung der Stadtumbauprogramme für Ost und West zu einem Programm für „ländliche Regionen und strukturschwache Räume“. Der Europäische Fonds für ländliche Entwicklung soll gestärkt werden. Unter dem Motto „Bauernland gehört nicht in Investorenhand“soll der Eigentum von Boden für regional verankerte Landwirtschaftsbetriebe und ländliche Bevölkerung gesichert werden. Um Industrie und Handwerk im ländlichen Raum zu sichern, bedürfe es „einer Begleitung bei Unternehmensnachfolgen, dabei ist der Firmenübergang in die Hand der Beschäftigten als Produktivgenossenschaften zu unterstützen.“Das nächste Oberzentrum soll stündlich erreichbar sein. Gefordert werden zudem eine Sozial-Bahncard und kostenlose Schüler- und Azubitickets. Das Breitbandnetz soll von öffentlichen Trägern ausgebaut werden – notwendig seien „staatliche Investitionen in Milliardenhöhe“.
Aus Sicht der Grünen ist die Alterung der Gesellschaft im ländlichen Raum besonders stark zu spüren. „Wir wollen die Möglichkeiten suchen und nutzen, die sich aus den Umbrüchen und dem Wandel vor Ort ergeben“, heißt es im Wahlprogramm. Ein wichtiger Punkt ist die Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs. Die Grünen wollen die 130 Verkehrsverbünde in Deutschland miteinander verknüpfen. Für ein „Zukunftsprogramm Nahverkehr“ wollen die Grünen jährlich eine Milliarde Euro bereitstellen. Zudem wird ein Elektrifizierungsprogramm für die Diesel-Bahnstrecken in Aussicht gestellt. Auch die Forderung, bis 2030 nur noch abgasfreie Autos zuzulassen, hat es nach kontroverser Debatte ins offizielle Programm geschafft. Die Grünen sprechen sich für den Erhalt kleiner Schulstandorte aus. Eine Gesundheitsversorgung „aus einer Hand“soll sicherstellen, dass Ärzte und Krankenhäuser erreichbar sind. Den Breitbandausbau auf der Basis von Glasfaser will die Partei durch den Verkauf der Telekom-Aktien des Bundes finanzieren – zehn Millionen Euro sollen so hereinkommen und für die Gründung öffentlicher Breitbandgesellschaften im ländlichen Raum bereitgestellt werden.
Die FDP will, dass der Staat seine Beteiligungen an Post und Telekom abstößt und den Erlös vollständig in den Ausbau des Glasfasernetzes steckt. „Der Ausbau soll in RegionsClustern ausgeschrieben werden, sodass ein Ausbau auch im ländlichen Raum attraktiv ist“, heißt es im Wahlprogramm. Autonom fahrende Verkehrsmittel seien eine Chance für selbstbestimmte Mobilität und böten Perspektiven für die Attraktivität des ländlichen Raums. Der öffentliche Personennah- und Fernverkehr müsse seine aktuellen Fahrplandaten in standardisierter, maschinenlesbarer Form, der Öffentlichkeit frei verwendbar zur Verfügung stellen. Die Partei wirbt zudem für den Einsatz von Drohnen: „Drohnen sind eine Chance insbesondere für den Rettungseinsatz in ländlichen Gebieten“, heißt es im Wahlprogramm. „Daher fordern wir, die derzeit bestehenden gesetzlichen Beschränkungen von Drohnen im Zusammenhang mit Rettungseinsätzen abzuschaffen.“Im Gesundheitsbereich stellt die FDP ein „Ausbluten der gesundheitlichen Versorgung in ländlichen Gebieten“fest. Schuld daran sei die Budgetierung im Gesundheitswesen. Diese will die Partei abschaffen.
Ganz allgemein spricht sich die AfD für eine Stärkung der ländlichen Infrastruktur aus. „Die dort lebenden Menschen haben einen Anspruch auf angemessene Infrastruktur, auch wenn die Besiedlungsdichte gering ist“, heißt es im Programm. „Hierzu sollen die Anbindung an das schnelle Datennetz und die Anbindung an das überörtliche Straßen- und Schienennetz verbessert werden.“Konkret heißt es zum Breitbandausbau, dass innerhalb von zwei Jahren alle Haushalte ans schnelle Internet angeschlossen werden sollen. In Sachen Verkehr fordert die AfD ein bundesweites „Konjunkturprogramm Infrastruktur“. Dessen Ziel soll die Sanierung und der Ausbau von Schienen, Straßen, Wasserwegen, Brücken und öffentlichen Gebäuden sein. Zur medizinischen Versorgung stellt die Partei fest, dass die Arztsitze zwischen Stadt und Land ungleich verteilt seien. Niederlassungen auf dem Land seien häufig nicht attraktiv. „Wir wollen dazu beitragen, es für Ärzte attraktiver zu machen, sich wieder vermehrt auf dem Land niederzulassen“, heißt es im Programm. Es seien aber auch die Kommunen und Landkreise sowie die Bundesländer gefordert, entsprechende Anreize zu schaffen. Ulrich Mendelin