Lernen, mit der Krankheit umzugehen
Selbsthilfegruppe „Croco“begleitet Menschen mit Darmerkrankungen
TUTTLINGEN – „Croco“: in diesem heiteren Namen stecken die Begriffe „Morbus Crohn“und „Colitis Ulcerosa“. Die Selbsthilfegruppe „Croco“lädt Menschen mit verschiedensten Darmerkrankungen zum Austausch von Erfahrungen und Informationen ein.
Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa oder FAP (Familiäre Adenomatöse Polyposis) finden bei „Croco“genauso Unterstützung wie an Darmkrebs Erkrankte oder Träger eines Stomas (eines künstlichen Darmausgangs). „Wir freuen uns über jeden neuen Besucher, der sich traut, zu unserem Stammtisch zu kommen“, versichert Ursula Buhl, die die Selbsthilfegruppe „Croco“gemeinsam mit Linda Furtwängler leitet. Die Hemmschwelle, über eine Erkrankung im Bereich einer körperlichen Tabuzone mit Außenstehenden zu sprechen, sei häufig hoch, besonders bei neu Betroffenen. Doch der Kontakt zu anderen Patienten sei wichtig, gerade im Alltag daheim mit der Krankheit.
Durchfall, Darmblutungen, Krämpfe, Blähungen, Stuhlinkontinenz – mit diesen Beschwerden haben die Betroffenen zu kämpfen. Die chronisch-entzündlichen Erkrankungen verlaufen in Schüben, dazwischen geht es den Patienten besser. „Manchmal versteht die Umgebung nicht, warum jemand das Haus plötzlich nicht mehr verlassen will“, erzählt Buhl. „Denn dank der Medikamente sieht man vielen Erkrankten auf den ersten Blick nichts an. Und wenn jemand ein Stoma trägt, will er auch nicht, dass man das sieht.“Gerade hier sei der Erfahrungsschatz aus der Praxis der Gruppenmitglieder wertvoll. Es gebe verschiedene Stomabeutel und nützliche Tipps zur diskreten Stoma-Versorgung unterwegs – bis hin zur Anforderung eines Euro-Schlüssels, um überall Behinderten-Toiletten aufsuchen zu können.
Auch „Pouch“-Patienten können in der Gruppe auf Begleitung zählen. Zum „Pouch“(engl. „Beutel“) formen die Chirurgen Dünndarmschlingen als künstliches Reservoir innerhalb des Körpers, oft nach der operativen Entfernung des Dickdarms.
Diese Versorgung erspart den Stomabeutel außerhalb des Körpers und ermöglicht eine normale Stuhlentleerung – allerdings nur mit medikamentöser Begleitung und nach langwierigem Training.
Seit 21 Jahren ist Gruppenleiterin Ursula Buhl selbst betroffen. In dieser Zeit hat sie reichlich eigene Erfahrungen mit verschiedenen Medikamenten, vielen OPs und auch vorübergehend mit einem Stoma gesammelt. Sie leidet an der genetisch bedingten chronischen Darmentzündung FAP – wie schon ihr Vater. 17 Jahre lang, seit ihrer Kindheit, hatte sie ihn als Stoma-Träger erlebt. Ihr Umgang mit den Folgen der Erkrankung war deshalb stets ganz selbstverständlich. Ursula Buhl stammt aus Hattingen, lebt aber heute in Tübingen und hat einen entsprechend langen Anfahrtsweg zu den Gruppentreffen.
Auf eine Anregung aus dem Klinikum Villingen-Schwenningen hin hatte sie 2009 gemeinsam mit Uta Sütterlin die Selbsthilfegruppe gegründet. Seit dem Tod ihrer Mitstreiterin 2016 leitet Ursula Buhl im Team mit Linda Furtwängler die Treffen: „Wir sind eine dynamische Gruppe von jung bis alt und gehen sehr herzlich miteinander um. Wir tauschen Informationen aus über unsere Erfahrungen mit Ärzten, Medikamenten, Behandlungsmethoden und Untersuchungen.“
Gutes Arztverhältnis wichtig
Ein gutes Verhältnis zum Arzt sei in Anbetracht der vielen anstehenden Besuche bei chronisch Kranken wichtig. Manchmal brauche ein Mitglied aber auch Unterstützung, um eine Zweitmeinung für eine Behandlung oder OP einzuholen. Häufig stellten sich auch Fragen wie: Wem sage ich im privaten Umfeld etwas von meiner Krankheit? Muss ich den Arbeitgeber informieren? Kann ich mich mit meiner Krankheit überhaupt für diesen Job bewerben? Informationen zum Schwerbehindertenstatus oder zur Teil- oder Frühverrentung bieten Fachvorträge bei den Gruppentreffen. Zudem präsentiert sich „Croco“immer wieder in der Öffentlichkeit – wie demnächst, am 7. Oktober, im Tuttlinger Rathaus mit einem Stand bei den Gesundheitstagen von ProTUT.
Etwa zehn bis 15 Teilnehmer kommen regelmäßig zum Stammtisch. Das Einzugsgebiet reicht über die Landkreise Tuttlingen und Schwarzwald-Baar hinaus bis in den Raum Stuttgart. „Auch die Partner sind bei uns willkommen, sie sind ja mit betroffen“, erklärt Buhl. „Seit den 1970er-Jahren hat die Medizin Fortschritte gemacht, doch es gibt bei den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen noch keine Heilung. Aber man kann lernen, mit der Krankheit umzugehen, damit man wieder am Leben teilnehmen kann.“ Weitere Informationen über die 65 Selbsthilfegruppen im Landkreis Tuttlingen bei der Selbsthilfekontaktstelle, Telefon 07461/ 926 4604, oder per Mail: s.wurdak@landkreis-tuttlingen.de