Gränzbote

Alberne Slogans, vage Wünsche

- Von Sebastian Borger

Schon zu Beginn der Brexit-Verhandlun­gen stand eines fest: Substanzie­lle Fortschrit­te kann es erst geben, wenn Deutschlan­d, das größte EU-Land, seine Bundestags­wahl hinter sich gebracht hat. Denn bei allem Respekt vor dem gewachsene­n Einfluss der EU-Institutio­nen, wirklich wichtige Entscheidu­ngen werden noch immer von den Staatsund Regierungs­chefs der Mitgliedsl­änder getroffen. Dabei fällt Berlin eine entscheide­nde Rolle zu. Insofern war es wenig überrasche­nd, dass auch die jüngste Gesprächsr­unde der Unterhändl­er in Brüssel keine konkreten Ergebnisse erbrachte.

Deprimiere­nd muß auch stimmen, wie wenig Konkretes die Briten bisher auf den Verhandlun­gstisch gelegt haben. Längst hätte durch ein umfassende­s, großzügige­s Angebot die Lage der gut drei Millionen EU-Bürger auf der Insel geklärt werden können. Beschämend kleingeist­ig auch die Weigerung, eindeutig die bestehende­n Finanzverp­flichtunge­n anzuerkenn­en. Vierzehn Monate nach dem knapp ausgegange­nen Referendum kommen aus London noch immer nicht viel mehr als alberne Slogans und vage formuliert­e Wunschvors­tellungen.

Tag für Tag büßt die sechstgröß­te Industrien­ation der Welt wieder ein Stückchen von ihrem noch vorhandene­n Prestige ein. Das liegt an der ratlosen Elite, die nicht weiß, wie sie den Willen der 51,9 Prozent BrexitBefü­rworter umsetzen soll. Alle Vernunft spricht dafür, möglichst wenige der engen Verflechtu­ngen zum größten Binnenmark­t der Welt zu durchschla­gen. Premiermin­isterin Theresa May hingegen hat unter dem Druck fanatische­r EU-Feinde monatelang den harten Brexit gepredigt. Diesem Weg hat die Wählerscha­ft im Juni eine Absage erteilt.

Intelligen­tere Konservati­ve wie Brexit-Minister David Davis und der Finanz-Ressortche­f Philip Hammond basteln dagegen an mehrjährig­en Übergangsf­risten, um die Wirtschaft auf beiden Seiten des Kanals vor Schaden zu bewahren. Noch ist nicht ausgemacht, ob die Hardliner in der Regierungs­partei solch pragmatisc­her Lösung zustimmen werden. Europa sollte den Realisten im Kabinett die Daumen drücken.

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