Brexit-Fortschritte lassen auf sich warten
Dritte Verhandlungsrunde zwischen EU und Großbritannien endet ergebnislos
LONDON - Die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU stecken in der Krise. Am Donnerstag beendeten die Gesprächspartner ihre dritte viertägige Runde ohne konkrete Ergebnisse. Man habe „keinen entscheidenden Fortschritt bei den wichtigen Themen“erzielt, sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Brexit-Minister David Davis in Brüssel.
Damit sei der Zeitpunkt noch „ziemlich fern“, an dem die Gespräche über die zukünftigen Handelsbeziehungen beginnen könnten. Der Brite sprach hingegen von „konkretem Fortschritt“, forderte die Gemeinschaft aber zu mehr Pragmatismus und Flexibilität auf.
Barniers Verhandlungsmandat sieht vor, dass zunächst drei Probleme geklärt werden müssen: erstens, die zukünftige Landesgrenze zwischen Nordirland und der Republik Irland im Süden der grünen Insel. Zweitens, der zukünftige Status von mehr als drei Millionen EU-Bürgern in Großbritannien sowie rund einer Million Briten auf dem Kontinent. Drittens geht es um die Finanzverpflichtungen Großbritanniens. Erst wenn diese drei Probleme gelöst seien, könne ein neuer Gipfel im Oktober grünes Licht für Gespräche über die Zukunft geben, sagte der EUChefunterhändler.
Sieben Dokumente aus London
Im Vorfeld der nun zu Ende gegangenen Gesprächsrunde hatten die Briten sieben Papiere vorgelegt. Eines handelte von der irischen Grenze, die anderen waren den zukünftigen Problemen wie justizieller Zusammenarbeit, dem Datenschutz und einer Art Zollunion mit der EU gewidmet. Damit wollten Davis und seine Mitarbeiter „die Kommission unter Druck setzen“, hieß es dazu aus dem Brexit-Ministerium. Der Minister selbst bezeichnete die Abtrennung der drei Themen von der zukünftigen Beziehung zwischen der Insel und dem Kontinent erneut als künstlich: „Da gibt es unvermeidliche Überschneidungen, das kann man nicht trennen.“
Hingegen machten die Briten offenbar keine Anstalten, ihr Vorschlagspapier zum Status der EUBürger vom Juni fortzuschreiben. Es war in Brüssel zuvor als unzureichend kritisiert worden. Betroffene wiesen vor allem darauf hin, dass selbst langjährige Bewohner des Landes ihr dauerhaftes Aufenthaltsrecht verlieren sollen, wenn sie aus beruflichen oder privaten Gründen für mehr als zwei Jahre im Ausland leben. Die Londoner Vorschläge zur Zukunft der irischen Grenze hätten ihn „verwirrt und beunruhigt“zurückgelassen, kommentierte der Dubliner Premierminister Leo Varadkar. Aus Brüssel kam sogar der Vorwurf, die Briten würden den Fortbestand der friedlichen Beziehungen zwischen den beiden Teilen Irlands aufs Spiel setzen.
Weit entfernt scheinen beide Seiten vor allem bei der Frage zu sein, wie viel Geld der bisher zweitgrößte Beitragszahler noch in die Brüsseler Kasse einbezahlen solle. Seriöse Berechnungen von Fachleuten reichen von 30 bis 80 Milliarden Euro; beide Seiten haben dem Vernehmen nach bisher aber keine konkreten Zahlen auf den Tisch gelegt. Auf britischer Seite wurde beklagt, Barniers Team habe ein lediglich vierseitiges Papier zur Berechnungsgrundlage vorgelegt.
Hingegen beklagten sich die EUUnterhändler, sie hätten bei dem Treffen einen dreistündigen Vortrag der Briten über sich ergehen lassen müssen. Dabei sei aber keineswegs klar geworden, auf welcher Grundlage London seine „bestehenden Verpflichtungen“erfüllen wolle, wie es Außenminister Boris Johnson angekündigt hat. Umstritten sind beispielsweise die Kreditgarantien der Europäischen Investitionsbank für Projekte im Vereinigten Königreich.
Programmrede vom Januar gilt
Die Verhandlungen sind auch dadurch beeinträchtigt, dass die konservative Minderheitsregierung bisher nicht geklärt hat, wie das zukünftige Verhältnis des Landes zur 27erGemeinschaft aussehen soll. Premierministerin Theresa May bekräftigte von Tokio aus, entscheidend sei weiter ihre programmatische Rede vom Januar. Diese sah einen harten Brexit mit Austritt aus Binnenmarkt und Zollunion vor. „Man kann nicht dem Binnenmarkt angehören, ohne gleichzeitig EUMitglied zu sein“, teilte die Regierungschefin mit, offenbar in Unkenntnis der Tatsache, dass genau dieser Status auf Norwegen, Island und Liechtenstein zutrifft.
Brexit-Minister Davis und der EUfreundlichere Finanzminister Philip Hammond haben hingegen eine Übergangsphase von mehreren Jahren in Aussicht gestellt, in der Vorschriften von Zollunion und Binnenmarkt weiterhin gelten könnten. Die Labour-Opposition geht noch weiter: Um Schaden von der britischen Wirtschaft abzuwenden, solle die Insel während der Übergangszeit für womöglich vier Jahre ohne Stimmrecht im Binnenmarkt bleiben.