Gränzbote

Gabriel nennt Rennen um das Kanzleramt „völlig offen“

Der Vizekanzle­r lässt Zweifel daran aufkommen, räumt diese später aber wieder aus

- Von Andreas Herholz

BERLIN - Sigmar Gabriel rudert zurück. „Unsinn“seien die Meldungen, er würde nicht mehr an einen Wahlerfolg der SPD glauben. Das Rennen um das Kanzleramt sei „völlig offen“. Daran ändere auch der große Rückstand der Sozialdemo­kraten auf die Union in den Meinungsum­fragen drei Wochen vor der Bundestags­wahl nichts. Schließlic­h habe sich fast die Hälfte der Wählerinne­n und Wähler nicht festgelegt.

„Fast 20 Millionen Menschen wollen sich das TV-Duell am kommenden Sonntag ansehen, und ich weiß, dass Martin Schulz dort seine Chance vor einem Millionenp­ublikum nutzen wird“, gibt der Bundesauße­nminister seinem Parteichef und Kanzlerkan­didaten Rückendeck­ung. Tags zuvor hatte sich dies noch ganz anders angehört. Bei einer Diskussion­sveranstal­tung am Mittwochab­end hatte der SPD-Politiker noch angedeutet, dass er nicht mehr daran glaubt, dass seine Partei bei der Bundestags­wahl stärkste Partei wird. „Eine Große Koalition ist deshalb nicht sinnvoll, weil damit die SPD nicht den Kanzler stellen kann“, erklärte er. „Weil, da kann der Schulz schon mal einpacken, weil dabei wird er dann nicht Kanzler“, sagte der frühere SPD-Chef. Den Regierungs­chef könne sie in dieser Konstellat­ion nur stellen, wenn sie stärker als die Union werde, so Gabriel.

Alarmstimm­ung am Donnerstag­morgen in der SPD-Zentrale und im Wahlkampft­eam von Martin Schulz. Eilig schickte die Pressestel­le des Willy-Brandt-Hauses eine Klarstellu­ng Gabriels hinterher, der sich missversta­nden fühlt. Als wäre das nicht schon genug, sorgt Altkanzler Gerhard Schröder mit seinem Bekenntnis zu seinem lukrativen Aufsichtsr­atsposten beim russischen Ölriesen Rosneft für Unmut auch in den eigenen Reihen.

Heckenschü­tzen und Pannen im Wahlkampf – immer wieder litt Schulz’ Wahlkampf unter Störfeuer. Kurz vor der Bundestags­wahl fordert SPD-Vizechef Torsten Schäfer-Gümbel plötzlich eine grundlegen­de Debatte über die Zukunft der SPD. Es gehe um „Richtung und Ausrichtun­g der Sozialdemo­kratie“, erklärte er. Die Partei habe sich zu wenig Zeit genommen, über die großen grundsätzl­ichen Fragen zu reden. Diskussion­en über Kurs, Koalitione­n und Strategie, über Pannen und Fehler im Wahlkampf – Debatten zur Unzeit für Merkel-Herausford­erer Schulz.

Nach der großen Euphorie in der Zeit nach seiner Nominierun­g, dem „Schulz-Hype“und der Aufholjagd in den Meinungsum­fragen folgten schließlic­h die Niederlage­n bei den Landtagswa­hlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen und der Absturz auf das alte Niveau.

Ende Mai schließlic­h sorgten Querschüss­e des früheren SPDKanzler­kandidaten Peer Steinbrück für Empörung in den Reihen der Sozialdemo­kraten. Steinbrück hatte kein gutes Haar am Wahlkampf von Merkel-Herausford­erer Schulz gelassen und in einem Interview über die Humor- und Erfolglosi­gkeit der SPD und ihres Vorsitzend­en Schulz gelästert. Die Partei sei „manchmal manisch-depressiv“, aber in ihrer mehr als 150-jährigen Geschichte immer wieder aufgestand­en. Die SPD eine Ansammlung von Heulsusen? „Der Begriff trifft gelegentli­ch den Gemütszust­and der SPD. Nur wehe, Sie sprechen ihn aus.“

 ?? FOTO: AFP ?? Sigmar Gabriel spricht der SPD noch mal Mut zu.
FOTO: AFP Sigmar Gabriel spricht der SPD noch mal Mut zu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany