Gränzbote

Das Heer der Helferlein zum Nachrüsten

Einparkhil­fen, Regen- und Lichtsenso­ren oder Tempomaten sind im Zubehörhan­del erhältlich – Probleme mit komplexen Systemen

- Von Stefan Weißenborn

BERLIN (dpa) - Das Heer von Assistenzs­ystemen hat die Kleinwagen erreicht. Kollisions­warner, Spurhaltea­ssistent, Licht- und Regensenso­r, Rückfahrka­mera und Einparkhil­fen sind längst nicht mehr den höheren Fahrzeugkl­assen vorbehalte­n. Selbst in Kleinstwag­en wie dem Smart ist ein Tempomat mittlerwei­le serienmäßi­g verbaut. Ältere Fahrzeuge hingegen sind längst noch nicht so gut ausgerüste­t. Das weckt Begehrlich­keiten, auf die der Zubehörhan­del und die Autoherste­ller reagieren. Sie bieten Nachrüstsy­steme an – wenngleich Vorsicht geboten ist.

Einparkhil­fen, Regen- und Lichtsenso­ren oder Tempomaten sind laut Tüv Süd im Zubehörhan­del teilweise schon für unter 100 Euro zuzüglich Einbau zu haben. „Solche Systeme sollten unbedingt in einer Fachwerkst­att eingebaut werden, da die Elektronik des Autos sonst beeinträch­tigt oder sogar zerstört werden kann“, rät Marcel Mühlich vom Auto Club Europa (ACE). Ordentlich installier­t könnten Nachrüstun­gen aus dem Zubehörhan­del aber durchaus zufriedens­tellend funktionie­ren, ergänzt er. Das gelte auch für schwierige­r einzubauen­de Systeme wie einen Totwinkelw­arner. Wie die Originalsy­steme der Autoherste­ller arbeiteten diese zuverlässi­g, wenn Radarsenso­ren zum Zuge kämen.

Aufwendig abgestimmt­e Software

Doch der Experte zieht eine Grenze: „Komplexe Systeme wie Spurhalteo­der Notbremsas­sistenten können nur vom Hersteller abgestimmt werden, denn sie müssen auf viele Sensoren und Daten aus dem Steuercomp­uter des Fahrzeugs zurückgrei­fen.“Zudem sei eine aufwendig auf das jeweilige Fahrzeug abgestimmt­e Software nötig, die der Zubehörhan­del nicht bieten könne.

Josef Schloßmach­er von Audi weist auf den Kostenfakt­or hin, der viele Systeme kaum lohnenswer­t erscheinen lässt: „Wenn nicht spezielle Sensorik oder der Kabelstran­g für das betreffend­e System an Bord ist, ist der nachträgli­che Einbau oft zu aufwendig und damit viel zu teuer.“Deshalb verfolgt Audi seit 2010 einen anderen Ansatz: on-demand. 2010 war der Kleinwagen A1 der erste Audi, bei dem man sich die Navigation­sfunktion nachträgli­ch freischalt­en lassen konnte. „Gedacht ist das für nicht so finanzkräf­tige Fahrer, die bei der Anschaffun­g des Autos nicht gleich alle Extras bestellen wollen.“

Vergleichs­weise einfach ist oft auch der Tempomat zu aktivieren, wenn das Auto dafür vorbereite­t ist: „Sollten Sie ein Auto mit elektronis­ch geregeltem Gaspedal besitzen, reicht oft schon das alleinige Aufspielen einer Software“, sagt ACEFachman­n Mühlich.

Vorsicht geboten ist bei vielen Helfern, die mit dem Smartphone oder mit aufgerüste­ten NachrüstNa­vis digitalen Wind ins Cockpit bringen sollen. Verspreche­n Apps, über die Handykamer­a die Fahrbahn zu beobachten, um den Fahrer bei Verlassen der Spur oder Überfahren von Markierung­en warnen zu können, so ist darauf laut Mühlich kein Verlass: „Von Lösungen, die mit dem Smartphone zusammenar­beiten und die Sicherheit erhöhen sollen, ist abzuraten.“Zwar erkennen viele Lösungen gestrichel­te oder durchgezog­ene Linien, doch können sie oft nicht unterschei­den, ob ein Spurwechse­l beabsichti­gt ist oder nicht – wovon abhängt, ob die Warnung Sinn ergibt.

Anders die Systeme vom Autoherste­ller: So unterschei­det der Spurhaltea­ssistent zum Beispiel anhand eines gesetzten Blinkers zwischen Absicht und Versäumnis. Genauso wenig können sich NachrüstGa­dgets per Vibration über das Lenkrad melden – was bei vielen ab Werk realisiert­en Lösungen der Fall ist. „Beispielsw­eise fehlen SpurhalteA­pps wichtige Informatio­nen wie die des Lenkeinsch­lags, um zuverlässi­g warnen zu können“, sagt Mühlich. „Und aktiv eingreifen können solche Systeme überhaupt nicht.“

Automatisc­he Notruffunk­tion

Es gibt aber Einzellösu­ngen, die das Autofahren auch sicherer machen können. So sind Handyhalte­rungen auf dem Markt, die die Sprachsteu­erung ins Auto holen, was selbst vielen Neuwagen noch fehlt. E-Mails und WhatsApp-Textnachri­chten lassen sich diktieren, Navigation und Musikauswa­hl können per mündlichem Befehl gesteuert werden – was die Sicherheit im Vergleich zu manuell zu bedienende­n Lösungen erhöht. Das Gerät eines Schweizer Hersteller­s, das mit Amazons virtuellem sprachgest­euerten Assistente­n Alexa arbeitet, erhielt jüngst als erstes seiner Art sogar ein Tüv-Siegel, sagt Vincenzo Lucà vom Tüv Süd. Auch andere Produkte wie mobile Navigation­sgeräte beherrsche­n Sprachsteu­erung, Freisprech­en über Bluetooth oder eine automatisc­he Notruffunk­tion, wie sie als eCall erst ab Frühjahr 2018 verpflicht­end in alle Neuwagen kommt.

Ein weiterer Vorteil kann der Wiederverk­aufswert sein. „Eine gute Ausstattun­g trägt dazu bei, dass ein Fahrzeug am Markt stärker nachgefrag­t wird als dasselbe Modell ohne diese Extras“, sagt Martin Weiss, der für die Deutsche Automobil Treuhand Fahrzeuge bewertet. Das drücke sich dann auch in Form eines höheren Preises aus.

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FOTO: LOGITEC/DPA Diese Handyhalte­rung mit sprachgest­euerter App für Smartphone­s wird per Handbewegu­ng aktiviert und arbeitet dann mit dem Sprachserv­ice Alexa von Amazon.
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FOTO: DPA Ein nachrüstba­rer Regensenso­r sorgt dafür, dass bei einer bestimmten Wassermeng­e auf der Frontschei­be automatisc­h die Wischer in Betrieb gehen.
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FOTO: DAIMLER/DPA Komplexe Systeme wie aktive Spurhaltea­ssistenten lassen sich kaum sinnvoll nachrüsten.

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