Gränzbote

Sie überzeugen, aber sind zu wenige

Seit 30 Jahren gibt es bei der Polizei Frauen – Tuttlinger Quote noch nicht zufriedens­tellend

- Von Sabine Krauss

TUTTLINGEN - 30 Jahre ist es her, dass in Baden-Württember­g erstmals Frauen ihren Dienst bei der Schutzpoli­zei antreten durften. Damals galten sie als Exoten, heute gehört die weibliche Polizeistr­eife längst zum Alltag. Dennoch: Mit 17,6 Prozent liegt der Frauenante­il im Polizeiprä­sidium Tuttlingen unter dem Landesschn­itt von 20,6 Prozent – und nur eine einzige Beamtin davon ist im höheren Dienst. Zahlen, an denen es laut Polizeiprä­sident Gerhard Regele noch zu arbeiten gilt.

„Was wollen Sie denn hier? Verkaufen Sie doch lieber Parfüm!“: Es war einer der ersten Sätze, den Bettina Rommelfang­er zu hören bekam, als sie vor 19 Jahren bei der Polizei in Niedersach­sen ihre Karriere begann. Dort waren Frauen zwar schon sechs Jahre länger zugelassen als in BadenWürtt­emberg, doch im männlich dominierte­n Streifendi­enst tat sich anfangs manch eine junge Polizistin schwer.

Sechs Jahre verbrachte die heutige Leiterin der Abteilung Prävention des Präsidiums Tuttlingen dort – und etliche der männlichen Kollegen entschuldi­gten sich im Laufe der Zeit bei ihr für ihr anfänglich­es Verhalten.

Auch wenn seitdem viele Jahre vergangen sind, eine Ausnahme ist Rommelfang­er noch immer – zumindest im Polizeiprä­sidium Tuttlingen. Die 41-Jährige ist die einzige Frau, die einen Posten im höheren Dienst bekleidet. Auch eine Stufe darunter, im gehobenen Dienst, beträgt der Frauenante­il gerade einmal 13,2 Prozent (Land: 16,1 Prozent), 25 Prozent im mittleren Dienst (28,7 Prozent). Auch wenn sich in 30 Jahren viel getan habe: „Wir sind noch nicht am Ende der Entwicklun­g“, sagt Polizeiprä­sident Regele.

Überzeugt haben die weiblichen Kollegen längst – das haben mittlerwei­le selbst alteingese­ssene, männliche Dienststel­lenleiter anerkannt. So besteht eine „optimale Streifenwa­genbesatzu­ng“, wie es im Polizeijar­gon heißt, mittlerwei­le aus einer Frau und einem Mann. Häufig sei es von Vorteil, wenn eine Polizistin vor Ort sei, berichtet etwa Patricia Schwenke, die nach einem Einsatz beim Revier Spaichinge­n nun in Oberndorf für Sicherheit und Ordnung sorgt. „Viele heikle Situatione­n können durch Kommunikat­ion gelöst werden“, sagt die 27-Jährige – ein Argument, das auch Präsident Regele aufgreift. „In der Kommunikat­ion haben Frauen einen gewissen Vorsprung“, bestätigt dieser. Häufig gelänge es Frauen eher, eine Situation zu entschärfe­n, als manch ein em„wortkarger“Mann.

„Ich kann gut zupacken“

Dennoch hat Patricia Schwenke auch schon zahlreiche Situatione­n erlebt, in denen es um Körperlich­keit und Kraft ging. Etwa bei randaliere­nden Betrunkene­n, die in Polizeigew­ahrsam genommen werden mussten. „Wenn es körperlich wird, können Frauen natürlich nicht so gut mithalten“, sagt sie. Doch Probleme habe sie deswegen noch nie bekommen: „Ich hatte eine gute Ausbildung, ich kann gut zupacken.“

In den nächsten Jahren soll der Frauenante­il bei der Tuttlinger Polizei weiter steigen. Hierfür soll auch das Bestreben helfen, junge Mütter früh für den Wiedereins­tieg in den Beruf zu gewinnen. Flexible Teilzeit, womöglich auch Home-Office: Man biete einiges an, um ein guter Arbeitgebe­r zu sein, sagt Regele. Zeiten, wie die, die er am Anfang seiner Berufslauf­bahn selbst erlebte, wird es jedenfalls keine mehr geben: „Die einzige Frau, die wir damals unter der Woche zu Gesicht bekommen haben, war die Reinigungs­frau.“

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FOTO: SABINE KRAUSS Nina Furic (links) und Patricia Schwenke (rechts) demonstrie­ren mit Polizeiprä­sident Gerhard Regele, wie durchsetzu­ngsfähig der weibliche Teil der Polizei sein kann.

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