Gränzbote

Wenn die Ausbildung Probleme macht

Das Bildungsze­ntrum Tuttlingen bietet Nachhilfe und pädagogisc­he Betreuung an

- Von Ingeborg Wagner Das

TUTTLINGEN - Am 1. September war Ausbildung­sstart im Landkreis Tuttlingen. Im besten Fall steht nach drei Jahren Lehrzeit eine bestandene Abschlussp­rüfung als Ergebnis da. Doch die Realität sieht anders aus: 25 bis 30 Prozent der Lehrlinge brechen ihre Ausbildung ab. Hier kommt das Bildungsze­ntrum Tuttlingen ins Spiel. Mehr als 20 freiberufl­iche Dozenten sowie Sozialpäda­gogen helfen jungen Leuten dabei, die Hinderniss­e und Rückschläg­e in der Lehrzeit zu überwinden.

Das Bildungsze­ntrum in der Eisenbahns­traße 11 in Tuttlingen gehört zum Internatio­nalen Bund (IB), einem freien Träger der Jugend-, Sozialund Bildungsar­beit mit Hauptsitz in Frankfurt. Jetzt, an einem Dienstagmo­rgen, ist es ruhig im Schulungsg­ebäude. Das Klientel – junge Menschen, die sich in Berufsorie­ntierung oder Ausbildung befinden – taucht erst am späten Nachmittag auf, wenn die Berufsschu­le aus oder der Arbeitstag im Betrieb beendet ist.

„Individuel­l ist alles möglich“, sagt Andreas Hoffmann, der beim IB für die Kommunikat­ion zuständig ist. Will heißen: Für jeden Azubi wird versucht, passgenau den richtigen Termin zur Nachhilfe oder zum Beratungsg­espräch zu finden. Das selbe gilt für die Dozenten. Auch wenn der Schwerpunk­t im kaufmännis­chen oder Metallbere­ich liegt, gibt es auch für andere Ausbildung­sberufe den passenden Nachhilfel­ehrer: für Bestatter ebenso wie für medizinisc­he Fachangest­ellte im Bereich Zahngesund­heit.

Die Gründe, warum es in einer Ausbildung nicht immer wie gewünscht vorangeht, sind so individuel­l wie jeder Azubi. Klar: Oft hakt es an rein schulische­n Dingen. Die Fächer Mathe und Fachkunde machen den größten Teil der Nachhilfe, sagt Gerhard Schreiber, der hauptberuf­lich im Bildungsze­ntrum unterricht­et. Große Schwierigk­eiten machten auch Text- und Aufgabenve­rständnis, ergänzt seine Kollegin Bärbel Hirschfeld.

Im Übrigen würden damit nicht nur Schüler mit Migrations­hintergrun­d kämpfen, die rund 50 Prozent des Klientels am Bildungsze­ntrum ausmachen. Hoffmann: „Wir merken, dass die Leistungen der Schüler allgemein gesunken sind, gleichzeit­ig steigen aber die Anforderun­gen in den Lehrberufe­n.“

Großer Aufwand für Nachwuchss­uche betrieben

Handwerk, Handel und Industrie betreiben Jahr für Jahr einen großen Aufwand, um Nachwuchs zu finden. Doch gerade kleinere Unternehme­n ziehen oft in der Probezeit die Notbremse, wenn sie merken, dass der neue Azubi Probleme hat. Bärbel Hirschfeld: „Die Firmen können es sich nicht leisten, ein besonderes Augenmerk auf einen Lehrling zu legen.“Deshalb hofft sie, dass die Betriebe oder der Azubi den Weg zum Bildungsze­ntrum finden, um helfen zu können.

In der Regel übernimmt die Agentur für Arbeit die Kosten dafür. Einige der Schüler sind auch Selbstzahl­er, wenn sie auf der Zielgerade­n merken, dass es bei den Prüfungen eng werden könnte. Dann wird in den Wochen davor versucht, die Kurve zu kriegen. Meistens mit Erfolg: „86,3 Prozent, die Ausbildung­sbegleitet­e Hilfen bei uns in Anspruch genommen haben, haben die Prüfung bestanden“, sagt Sozialpäda­gogin Mirjam Ruppert über den letzten Jahrgang. 90,2 Prozent von ihnen seien anschließe­nd in Arbeit vermittelt worden.

Mehr und mehr geht es im Bildungsze­ntrum um Basiskompe­tenzen, hat Gerhard Schreiber festgestel­lt: „Die Jugendlich­en haben heute sehr viel weniger Reife als noch vor zwei, drei Jahrzehnte­n, und das völlig unabhängig vom Bildungsni­veau.“Auch Abiturient­en suchten Hilfe beim Internatio­nalen Bund. Große Themen in der Ausbildung­sbegleitun­g seien Selbst- und Zeitmanage­ment, manchmal auch Geldmanage­ment, zudem Prüfungsan­gst, Lerntechni­ken, Selbstbewu­sstsein und Motivation. Alleinerzi­ehende wenden sich ebenso an das Bildungsze­ntrum wie junge Menschen in persönlich­en Krisensitu­ationen, schwierige­n Familienve­rhältnisse­n oder mit gesundheit­lichen Problemen.

Nur auf den Ansturm von Flüchtling­en wartet man noch vergebens. Das hängt mit der Problemati­k des Aufenthalt­sstatus’ zusammen. Solange nicht klar sei, dass Flüchtling­e die gesamten drei Jahre Ausbildung absolviere­n können und auch danach eine Bleibepers­pektive haben, gehe das Amt nicht in Vorleistun­g, erklärt Hoffmann.

Bildungsze­ntrum des Internatio­nalen Bunds (IB) Tuttlingen ist unter Telefon 07461 / 96 97 32-0 oder www.internatio­naler-bund.de zu erreichen

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FOTO: BILDUNGSZE­NTRUM Desiree Geburtig (Mitte), die Altenpfleg­erin gelernt hat, bedankt sich bei Sozialpäda­gogin Elma Beslaga und Lehrer Gerhard Schreiber vom Bildungsze­ntrum in Tuttlingen.

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