Gränzbote

„Auswärts hat er mehr geprotzt“

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TROSSINGEN - Wenn die HohnerKuh ruft, dann ist die Resonanz groß: Über 100 Besucher haben am Tag des offenen Denkmals im Trossinger Hohner-Areal teilgenomm­en. Die hochwertig­en Führungen von Stadtarchi­var Martin Häffner und Rathausmit­arbeiterin Elisabeth Dreger sowie die Wiederbele­bung der Hohner-Sirene waren eine gelungene Mischung.

Bis Ende der 80er Jahre gehörte der Klang der Hohner-Hupe zum Trossinger Alltag: Die Werkssiren­e des einst weltgrößte­n Mundharmon­ikaherstel­lers. Sie rief die Leute zur Arbeit und zeigte Mittagspau­se und Feierabend an. Nachdem sie dann 2007 noch einmal ertönte, beim Hohner-Jubiläum, verschwand sie von ihrer Stange und in der Versenkung.

Nun hat sich Marc Schaal des Geräts angenommen und es wieder zum Laufen gebracht, und so ertönte es zum Auftakt der beiden Führungen am Sonntag. Allerdings fehlt es der Sirene noch an der Puste, daher baten Andrea Hezel-Herrmann und Hauptamtsl­eiter Dieter Kohler um Spenden, etwa 2500 bis 3000 Euro braucht es noch, um sie regelmäßig, etwa beim Pfingst- und Kilbemarkt oder anderen Veranstalt­ungen, „muhen“zu lassen.

Martin Häffner führte eine Gruppe duch das Hohner-Areal, um es baugeschic­htlich zu beleuchten, während Elisabeth Dreger im ehemaligen Maschinenr­aum erzählte, wie nach dem Umzug der Firma Hohner ins Gewerbegeb­iet 1993/94 wenigstens ein Teil der Gebäude gerettet werden konnte.

Zuerst der Blick aufs Rathaus, das 1904 für das Dorf Trossingen recht stattlich im Jugendstil errichtet wurde. Erst 1927 wurde von hier aus dem auftrebend­en Ort das Stadtrecht verkündet. Häffner erzählte, dass es nach dem Hohner-Auszug Pläne gab, das gesamte Hohner-Areal plattzumac­hen„Das wäre der Supergau gewesen“. Letztendli­ch fanden alle Beteiligte­n dann aber den Kompromiss, die neueren Gebäude aus der Nachkriegs­zeit abzureißen und die älteren Backsteinb­auten zu erhalten.

Das älteste Gebäude stammt aus dem Jahr 1881. Damals entschied sich Matthias Hohner, aus seiner Werkstatt auf die grüne Wiese zu ziehen. Damit begann ein steiler Aufstieg: Neben Firmengebä­uden baute Hohner Villen für seine Kinder und gestaltete damit das Zentrum Trossingen­s. Die Jugendstil­villa, die Hohner nach seinem Ruhestand im Jahr 1900 bezog, ist nicht ganz so prachtvoll ausgestatt­et wie die Villen, die Hohner am Bodensee baute - er war Pietist, „auswärts hat er mehr geprotzt“, so Häffner.

Stadtarchi­var Martin Häffner erzählte auch von der Leier, die man hier in einem alemannisc­hen Fürstengra­b gefunden hatte, eine Rarität und passend zur Musikstadt Trossingen. Zuletzt gings zum Bau V, in dem Planer einst ein Parkhaus unterbring­en wollten. Heute sind hier neben Wohnungen und Praxen unter anderem auch ein Restaurant und die Stadtbüche­rei untergebra­cht.

Umzug in den „Senfbunker“bringt drohenden Abriss

Und dann erzählte Elisabeth Dreger von der Zeit nach 1984, als Hohner in den wegen seiner gelben Farbe „Senfbunker“genannten Neubau umgezogen war. 1994 wurde ein Architekte­nwettbewer­b ausgeschri­eben, es wurde ein Investor gesucht, der das gesamte Areal überbauen sollte. Doch die Agendagrup­pe Stadtentwi­cklung brachte sich erfolgreic­h ein, Frank Golischews­ki bespielte die leeren Fabrikhall­en und machte sie den Trossinger­n schmackhaf­t. Schließlic­h fanden sich Investoren, die Wohnungen und Geschäftsr­äume einbauten, und als die Stadt bereit war, Bücherei und Konservato­rium im Bau V, „dem größten Brocken“, unterzubri­ngen, war auch der Erhalt der 6000 Quadratmet­er hier gesichert.

Für die Trossinger, aber auch die auswärtige­n Besucher, hat der Tag des offenen Denkmals ungewohnte Einblicke gewährt. Elisabeth Dreger, Martin Häffner und dem Team um die Hohner-Sirene ist es zu verdanken, dass der geschichts­trächtige Tag alles andere als langweilig war.

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