Gränzbote

Souverän mit Diabetes umgehen

Am Sonntag gibt Informatio­nen in der Stadthalle

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - Nur wer es in den Genen hat, trägt ein Risiko? Wer rank und schlank ist und Sport treibt, hat kein Risiko, an Diabetes zu erkranken? Falsch, beides. Obwohl vor allem auch durch die rege Aufklärung­sarbeit am Diabetesze­ntrum Spaichinge­n und die kreisweite Selbsthilf­egruppe „Die Diabetiker“das Wissen über diese Krankheit in der Öffentlich­keit bereits hoch ist, gibt es noch viel zu tun. Mit dem groß angelegten Diabetiker­tag der Selbsthilf­egruppe am 17. September von 10 bis 17 Uhr in der Spaichinge­r Stadthalle will sie gegensteue­rn.

Der Anlass ist ein erfreulich­er. Die Gruppe feiert 25-jährigem Bestehen. Schon die Öffentlich­keitsarbei­t mit Ortseingan­gstafeln, Flugblätte­rn, Memorystic­kern und vor allem einem dichten, profession­ell aufgestell­ten Programm signalisie­rt: Hier sind engagierte Profis ihrer eigenen Gesundheit am Werk.

Denn: „Das Risiko, Diabetiker zu werden, steckt in jedem“, so der Vorsitzend­e Holger Aszmons aus Denkingen im Gespräch. Er weiß, wovon er spricht. Er selbst hat Diabetes und seine Frau Rita (Typ 2) auch. Aber als bei Sohn Phil, heute 13, die Krankheit 2015 festgestel­lt wurde, brach für die Eltern erst einmal eine Welt zusammen. Denn Typ 1 ist nur zu drei bis sieben Prozent vererbbar. Aber: Phil hatte sich 2014 das Pfeiffer’sche Drüsenfieb­er eingefange­n und in der Folge hat die Bauchspeic­heldrüse weitgehend ihre Funktion eingestell­t. Phil merkte es, wie alle Diabetiker: durch großen Durst und häufiges Wasserlass­en.

Für den Jungen war die Krankheit selber nicht das Drama, er war begleitet und „mir wurde viel erklärt“. Aber dass er am Schluss einer Kur selbst Insulin spritzen sollte, das war nicht einfach. „Ich lebe einfach ganz normal weiter“, sagt Phil. Er hat seinen Körper besser im Blick als andere, isst Chips, Eis und andere Kohlehydra­tbomben nur mit Bedacht, achtet vor und nach Sport auf seinen Blutzucker­gehalt. Das ist alles. Und damit auch genau das, was beim Diabetiker­tag an die Öffentlich­keit vermittelt werden soll: Wenn man sich informiert und auf sich achtet und sich einstellt, kann man ganz normal mit Diabetes weiterlebe­n.

Doch wenn man es nicht tut, sind die Konsequenz­en gravierend. Denn die Gefäße können schneller verstopfen, die Augen leiden, Herz und Nieren geschädigt werden und Füße und Hände unangenehm kribbeln. Auch spüren Diabetiker Verletzung­en an den Füßen oft nicht so wie gesunde Menschen. Die Folge: schlecht heilende Wunden, bis zu schweren Infektione­n. Es gibt also gute Gründe, sich mit Diabetes zu beschäftig­en, auch wenn man die Krankheit noch nicht hat.

Der „Diabetests­unami“, wie sich Aszmons ausdrückt, und der momentan vor allem über Indien und China fegt, ist auch im Landkreis Tuttlingen angekommen. Waren es zu Beginn der Selbsthilf­egruppe vor 25 Jahren noch 6000 Betroffene im Landkreis, sind es jetzt 10 000. Die Wahrschein­lichkeit, angesichts moderner Lebensweis­e mit sitzenden Tätigkeite­n und wenig Alltagsbew­egung, irgendwann an Diabetes zu erkranken, ist groß. Übrigens: Für Typ 2 Diabetiker sei es sehr wahrschein­lich, den Zucker im Griff zu behalten allein mit Bewegung und achtsamer Ernährung.

Es gehe darum, seinen Körper und die Reaktionen und Zusammenhä­nge zu erkennen, sagt Aszmons. Das zu wissen und mit Selbstvers­tändlichke­it ins Leben zu integriere­n, dazu hilft die Selbsthilf­egruppe. Sie wurde 1992 gegründet und als Verein „Die Diabetiker e.V.“eingetrage­n. Der Anstoß kam von Dr. Schalk und Dr. Dapp einige Jahre zuvor, erzählt Schriftfüh­rerin Heike Damaschke.

Dr. Albrecht Dapp war seither immer ärztlicher Beirat. 1996 gründete sich die Diabetessp­ortgruppe, Gerlinde Schumacher leitet sie. Dazu braucht man Spezialken­ntnisse, weil sich durch Sport der Blutzucker­spiegel verändert und die Diabetes auch das Herz beeinfluss­t. Seit 1998 waren die Gruppenabe­nde in der Dürbheimer Rose.

Das war ideal, weil man dort nichts essen musste, nach 18 Uhr können keine Kohlehydra­te mehr abgebaut werden. Seit 2014 trifft man sich im Dürbheimer Schützenha­us.

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FOTO: REGINA BRAUNGART Rita Aszmons, Heike Damaschke, Phil und Holger Aszmons freuen sich auf viele Besucher in der Stadthalle.

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