Stalker-Prozess startet verspätet
Erst soll Roland B. seiner Ex-Freundin nachgestellt und sie dann getötet haben
MÜNCHEN (lby) - Der Prozess gegen einen Stalker und mutmaßlichen Mörder hat in München am Mittwoch mit mehrstündiger Verspätung begonnen, weil der Angeklagte im Hungerstreik ist. Der 46-Jährige hatte sich für verhandlungsunfähig erklärt, doch Ärzte bescheinigten ihm, dass er dem Prozess folgen könne. Der Anklage zufolge wollte der Architekt das Ende seiner Beziehung zum späteren Opfer nicht hinnehmen. Jahrelang stellte er ihr nach, im August 2016 soll er die Frau erstochen haben.
MÜNCHEN - Roland B. wirkt wie ein Geist, als er an diesem Mittwochvormittag den Saal B175 im Landgericht München betritt. Zaghaft schlurft der abgemagerte, hoch aufgeschossene Mann zur Anklagebank, die glasigen Augen blicken ins Leere. Trüge Roland B. nicht seinen gefütterten Parka, dessen Kapuze er tief ins Gesicht gezogen hat – der 46-Jährige wäre kaum mehr als ein Strich in der Landschaft.
So viel Zerbrechlichkeit will so gar nicht zu der Tat passen, die dem Angeklagten zur Last gelegt wird: Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft soll Roland B. seine Ex-Freundin heimtückisch ermordet haben. Die Staatsanwaltschaft plädiert auf Mord. Zuvor hatte er der Frau jahrelang nachgestellt – neudeutsch: sie gestalkt.
Der Architekt habe die Frau töten wollen, so die Anklageschrift, „weil diese ihn nach dem Ende der Beziehung zurückgewiesen hatte und keinen Kontakt mehr mit ihm wünschte“. Was nach der Tat folgte, war eine spektakuläre Flucht samt Fahndungsplakaten in Berghütten und einem Aufruf bei „Aktenzeichen XY“, die erst nach zweieinhalb Monaten mit der Festnahme von Roland B. in einer Herberge in Nordspanien endete. Dort hatte sich der passionierte Wanderer als Jakobsweg-Pilger ausgegeben.
Zu all diesen Details sowie zur Tat will sich der Angeklagte nicht äußern, das kündigt er am ersten Prozesstag an. Stattdessen verliest er bloß eine kurze Erklärung, leise und brüchig – zweimal fordert ihn Richter Michael Höhne auf, doch bitte lauter zu sprechen. „Ich werde mich diesem Verfahren verweigern“, sagt Roland B.
Angeklagter im Hungerstreik
Als Grund nennt er das gestörte Verhältnis zu seinem Pflichtverteidiger; zudem habe er bei der Prozessvorbereitung nicht auf seinen Laptop zurückgreifen können. Aus Protest befinde er sich seit Mitte August im Hungerstreik, betont Roland B. Ein Arzt hat zuvor berichtet, dass der 1,85 Meter große Angeklagte nur mehr 72 Kilo wiege, zudem unter Kreislaufproblemen und Müdigkeit leide – aber verhandlungsfähig sei.
Gerade mal elf Monate lang waren der heute 46-Jährige und das gleichaltrige Opfer in den Jahren 2008 und 2009 ein Paar, ehe sich die Frau von ihm trennte. Das wollte Roland B. laut Anklage jedoch nicht wahrhaben – auch nicht nach einem klärenden Gespräch in der Wohnung einer Freundin. Jahrelang rief er seine frühere Partnerin immer wieder an und verschickte unzählige E-Mails, worauf die Frau Anzeige erstattete. Doch weder eine Verurteilung wegen Nachstellung samt Geldstrafe noch ein richterliches Kontaktverbot brachten den Architekten zur Vernunft: Wieder rief er pausenlos an, wieder schrieb er E-Mails, und wieder litt seine Ex-Freundin, die seinetwegen sogar den Wohnort wechselte.
Noch kurz vor der Tat habe die Frau Flugblätter an ihre Nachbarn verteilt, wonach diese keinesfalls Fremde ins Haus lassen sollten. Und doch verschaffte sich Roland B. Zugang zu dem Gebäude, wo er seine Ex-Freundin auf dem Weg in den Keller antraf – zwei Tage, bevor ein weiteres Gerichtsverfahren wegen Stalking gegen ihn beginnen sollte.
Roland B. bleibt regungslos
Ohne jede Vorwarnung und „unter Einsatz massiver Gewalt“, so der Staatsanwalt, habe der Angeklagte mit einem 23 Zentimeter langen Buchbindermesser auf die Frau eingestochen – mindestens 18-mal. Die Frau verblutete noch am Tatort.
Während der Staatsanwalt die Details schildert, verharrt Roland B. regungslos auf der Anklagebank. Auch als danach eine Polizistin von der Spurensicherung von „Blutlachen“und dem „blutdurchtränkten TShirt“des Opfers berichtet, und alle Prozessbeteiligten Fotos vom Tatort sowie die mutmaßliche Tatwaffe in Augenschein nehmen, bleibt der glatzköpfige Mann mit der Brille als Einziger sitzen und starrt mal auf seine Unterlagen und mal ins Nichts.
Für den Prozess sind elf Verhandlungstage angesetzt; ein Urteil soll Ende Oktober fallen.