Die Flucht endet unter einem Baum
Der mutmaßliche Mörder von Villingendorf war auf dem Weg in den Landkreis Tuttlingen
VILLINGENDORF - Auf dem Weg von Neufra in Richtung Frittlingen hat sich der mutmaßliche Dreifach-Mörder von Villingendorf am Dienstag befunden, als er von der Polizei festgenommen worden ist. Zuvor hatten zwei Zeugen den 40-Jährigen gesehen und die Polizei verständigt.
Dabei zeigte einer der Zeugen seinen Mut: Nachdem er die Polizei mit seinem Handy informiert hatte, fuhr er mehrfach an dem mutmaßlichen Mörder vorbei, um zu beobachten, wohin er sich bewegt. Der zweite Zeuge hatte hingegen kein Handy dabei. Er fuhr daher weiter zur Autobahnpolizei nach Zimmern, um seine Beobachtung der Polizei mitzuteilen.
Nach Aussage von Rolf Straub, Leiter der Kriminalpolizeidirektion Rottweil, ging der mutmaßliche Täter zunächst die Lauffener Straße entlang und bog dann in die Spaichinger Straße ein. Schließlich kehrte er jedoch um und bog in die Straße Am Berg ein. An der Kreuzung Am Berg/Daimlerstraße blieb er stehen und stellte sich im Regen unter einen Baum. Dort trafen ihn die beiden Beamten eines Streifenwagens schließlich um 16.35 Uhr an – 22 Minuten nachdem der erste Hinweis bei der Polizei eingegangen war.
Fluchtwagen in Herrenzimmern
Nach der Festnahme nahmen ihn die Beamten mit zur Dienststelle der Kriminalpolizeidirektion Rottweil. Dort wurde der Versuch einer Vernehmung gestartet, doch der Mann verweigerte die Aussage. Die Polizei will nun untersuchen, wie sich der Mann vom Tatort in Villingendorf bis nach Neufra durchgeschlagen hat. Den Wagen seiner Schwester, mit dem er am Donnerstag nach Villingendorf gefahren war, hatte er jedenfalls in Herrenzimmern zurückgelassen. Damit hatte er sich zunächst nach Norden in Richtung Bösingen bewegt, war dann aber doch wieder nach Süden abgebogen. Neufra liegt rund zwölf Kilometer südöstlich von Villingendorf. Der Polizei liegen derzeit laut Straub keine Erkenntnisse über einen möglichen Unterschlupf des Tatverdächtigen vor, der bei seiner Festnahme einen abgesägten jugoslawischen Nachbau des deutschen Mehrladekarabiners K98k bei sich trug.
Wie berichtet soll der Mann am Donnerstag seinen sechsjährigen Sohn, den neuen Lebensgefährten seiner Ex-Frau sowie dessen Cousine mit einem Gewehr erschossen haben. Die Frau konnte flüchten, ein dreijähriges Kind überlebte, ein weiterer Gast der Einschulungsfeier für den Sechsjährigen, die der Mann zu seiner Tat genutzt haben soll, war Getränke holen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass auch die Mutter des Sechsjährigen hätte getötet werden sollen.
„Die Angehörigen werden vom Weißen Ring und vom Seelsorger des Deutschen Roten Kreuzes betreut“, berichtete Straub bei der gemeinsamen Pressekonferenz von Staatsanwaltschaft und Polizei in der Turn- und Festhalle in Villingendorf am Mittwochnachmittag – auch bei der Planung der Beerdigungen würden sie helfen. Die Mutter des Sechsjährigen hätte nicht nur die Tat erleben müssen, sondern auch die Getöteten identifizieren müssen: „Das sind belastende Momente“, sagte er.
30 Stunden am Tatort
Die Polizei habe, so berichtet Markus Walter, Leiter der Soko „Hochwald“, alle Anlaufstellen des Verdächtigen im süddeutschen Raum bis zur Festnahme ausfindig gemacht und überprüft. „Dort haben wir ihn nicht angetroffen“, sagt Walter. Die Beamten seien zum Teil bis zu 30 Stunden am Tatort im Dienst gewesen: „Die Polizei hat intensiv gearbeitet“, sagt dann auch Joachim Dittrich, Leitender Oberstaatsanwalt in Rottweil am Mittwoch.
Es habe Gerüchte gegeben, dass die Frau nach der Tat ohne Polizeischutz zunächst in ein Krankenhaus gebracht und dann in ein zweites verlegt worden sei, sagte am Mittwoch ein Medienvertreter. Das stimme laut Gerold Sigg, stellvertretender Tuttlinger Polizeipräsident, nicht: „Sie war rund um die Uhr bewacht.“Hingegen stimme es laut Walter, dass es am Krankenhaus Nachfragen nach der Mutter gegeben habe: „Die Anfragen hat es wirklich gegeben, hatten aber nichts mit dem Täter zu tun.“
Auch wenn der Sechsjährige seinen ersten richtigen Schultag an der Grundschule in Villingendorf nicht erleben durfte, so will die Schule in Villingendorf eine Kastanie pflanzen, die laut Villingendorfs Bürgermeister Karl-Heinz Bucher und Grundschul-Rektor Rainer KroppKurta „Trauer und Schmerz, aber auch Leben und Hoffnung symbolisch Ausdruck verleihen soll“. Zudem soll eine ökumenische Trauerfeier stattfinden, „um an die Opfer des Gewaltverbrechens zu erinnern und die Trauer der Angehörigen und vieler Betroffener aufzunehmen“.