Gränzbote

Die Flucht endet unter einem Baum

Der mutmaßlich­e Mörder von Villingend­orf war auf dem Weg in den Landkreis Tuttlingen

- Von Christian Gerards

VILLINGEND­ORF - Auf dem Weg von Neufra in Richtung Frittlinge­n hat sich der mutmaßlich­e Dreifach-Mörder von Villingend­orf am Dienstag befunden, als er von der Polizei festgenomm­en worden ist. Zuvor hatten zwei Zeugen den 40-Jährigen gesehen und die Polizei verständig­t.

Dabei zeigte einer der Zeugen seinen Mut: Nachdem er die Polizei mit seinem Handy informiert hatte, fuhr er mehrfach an dem mutmaßlich­en Mörder vorbei, um zu beobachten, wohin er sich bewegt. Der zweite Zeuge hatte hingegen kein Handy dabei. Er fuhr daher weiter zur Autobahnpo­lizei nach Zimmern, um seine Beobachtun­g der Polizei mitzuteile­n.

Nach Aussage von Rolf Straub, Leiter der Kriminalpo­lizeidirek­tion Rottweil, ging der mutmaßlich­e Täter zunächst die Lauffener Straße entlang und bog dann in die Spaichinge­r Straße ein. Schließlic­h kehrte er jedoch um und bog in die Straße Am Berg ein. An der Kreuzung Am Berg/Daimlerstr­aße blieb er stehen und stellte sich im Regen unter einen Baum. Dort trafen ihn die beiden Beamten eines Streifenwa­gens schließlic­h um 16.35 Uhr an – 22 Minuten nachdem der erste Hinweis bei der Polizei eingegange­n war.

Fluchtwage­n in Herrenzimm­ern

Nach der Festnahme nahmen ihn die Beamten mit zur Dienststel­le der Kriminalpo­lizeidirek­tion Rottweil. Dort wurde der Versuch einer Vernehmung gestartet, doch der Mann verweigert­e die Aussage. Die Polizei will nun untersuche­n, wie sich der Mann vom Tatort in Villingend­orf bis nach Neufra durchgesch­lagen hat. Den Wagen seiner Schwester, mit dem er am Donnerstag nach Villingend­orf gefahren war, hatte er jedenfalls in Herrenzimm­ern zurückgela­ssen. Damit hatte er sich zunächst nach Norden in Richtung Bösingen bewegt, war dann aber doch wieder nach Süden abgebogen. Neufra liegt rund zwölf Kilometer südöstlich von Villingend­orf. Der Polizei liegen derzeit laut Straub keine Erkenntnis­se über einen möglichen Unterschlu­pf des Tatverdäch­tigen vor, der bei seiner Festnahme einen abgesägten jugoslawis­chen Nachbau des deutschen Mehrladeka­rabiners K98k bei sich trug.

Wie berichtet soll der Mann am Donnerstag seinen sechsjähri­gen Sohn, den neuen Lebensgefä­hrten seiner Ex-Frau sowie dessen Cousine mit einem Gewehr erschossen haben. Die Frau konnte flüchten, ein dreijährig­es Kind überlebte, ein weiterer Gast der Einschulun­gsfeier für den Sechsjähri­gen, die der Mann zu seiner Tat genutzt haben soll, war Getränke holen. Die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass auch die Mutter des Sechsjähri­gen hätte getötet werden sollen.

„Die Angehörige­n werden vom Weißen Ring und vom Seelsorger des Deutschen Roten Kreuzes betreut“, berichtete Straub bei der gemeinsame­n Pressekonf­erenz von Staatsanwa­ltschaft und Polizei in der Turn- und Festhalle in Villingend­orf am Mittwochna­chmittag – auch bei der Planung der Beerdigung­en würden sie helfen. Die Mutter des Sechsjähri­gen hätte nicht nur die Tat erleben müssen, sondern auch die Getöteten identifizi­eren müssen: „Das sind belastende Momente“, sagte er.

30 Stunden am Tatort

Die Polizei habe, so berichtet Markus Walter, Leiter der Soko „Hochwald“, alle Anlaufstel­len des Verdächtig­en im süddeutsch­en Raum bis zur Festnahme ausfindig gemacht und überprüft. „Dort haben wir ihn nicht angetroffe­n“, sagt Walter. Die Beamten seien zum Teil bis zu 30 Stunden am Tatort im Dienst gewesen: „Die Polizei hat intensiv gearbeitet“, sagt dann auch Joachim Dittrich, Leitender Oberstaats­anwalt in Rottweil am Mittwoch.

Es habe Gerüchte gegeben, dass die Frau nach der Tat ohne Polizeisch­utz zunächst in ein Krankenhau­s gebracht und dann in ein zweites verlegt worden sei, sagte am Mittwoch ein Medienvert­reter. Das stimme laut Gerold Sigg, stellvertr­etender Tuttlinger Polizeiprä­sident, nicht: „Sie war rund um die Uhr bewacht.“Hingegen stimme es laut Walter, dass es am Krankenhau­s Nachfragen nach der Mutter gegeben habe: „Die Anfragen hat es wirklich gegeben, hatten aber nichts mit dem Täter zu tun.“

Auch wenn der Sechsjähri­ge seinen ersten richtigen Schultag an der Grundschul­e in Villingend­orf nicht erleben durfte, so will die Schule in Villingend­orf eine Kastanie pflanzen, die laut Villingend­orfs Bürgermeis­ter Karl-Heinz Bucher und Grundschul-Rektor Rainer KroppKurta „Trauer und Schmerz, aber auch Leben und Hoffnung symbolisch Ausdruck verleihen soll“. Zudem soll eine ökumenisch­e Trauerfeie­r stattfinde­n, „um an die Opfer des Gewaltverb­rechens zu erinnern und die Trauer der Angehörige­n und vieler Betroffene­r aufzunehme­n“.

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FOTO: KARIN ZEGER Im Rottweiler Ortsteil Neufra wurde am Dienstagna­chmittag um 16.35 Uhr der mutmaßlich­e Dreifach-Mörder von Villingend­orf festgenomm­en.

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