Gränzbote

„Die Erinnerung­en vergessen Sie nicht“

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FRIEDRICHS­HAFEN - Die deutsche Spezialein­heit GSG 9 erlangte nach der Befreiung der „Landshut“in der somalische­n Hauptstadt Mogadischu weltweite Berühmthei­t. Aribert Martin, einer der damaligen GSG 9-Beamten, nahm am Samstag in Friedrichs­hafen die „Landshut“in Empfang. SZ-Redakteur Martin Hennings sprach mit ihm unter anderem über den Sturm der Lufthansa-Maschine.

Was war damals Ihre Aufgabe?

Wir hatten die Aufgabe, die Maschine zu stürmen – jeweils mit fünf Mann pro Eingang. Ich bin als Erster in die Maschine im hinteren Teil rein. Ich war auch einer der Ersten, der gesagt hat, dass wir aus Deutschlan­d sind. Aber noch keine Reaktion. Vor mir war noch ein Kollege, der hätte gar nicht rein sollen. Er sollte über die Tragfläche­n, den Notausgang einschlage­n und sichern. Aber wir standen uns dann gegenüber, beide mit dem Finger am Abzug. Aber wir kannten uns, haben zusammen die Ausbildung genossen. Eine Handgranat­e ist noch explodiert. Passiert ist aber nichts. Ich bin dann weiter nach vorne und habe den Geiseln gesagt, dass sie alle hinter mir rausgehen können: „Ihr braucht keine Angst zu haben.“Dann sind sie wie die Wiesel auf allen Vieren raus.

Wie sicher waren Sie sich, dass das klappt?

Bei der GSG 9 gibt es ein festes Ritual: Man beurteilt erst die Lage, bis sie stimmt. Dann kommen der Entschluss und die Meldung. Danach gibt es keine Diskussion mehr, und dann Sie haben auch keine Angst. Wenn Sie einen Zögerer dabei haben, der alles hinterfrag­t, kommen Sie nirgendswo weiter. Da können Sie sich nur auf Menschen verlassen, die Sie gut kennen. Da haben wir nicht darüber nachgedach­t, ob das geht oder nicht. Wir sind dafür ausgebilde­t. Wie ging es dann weiter? Ich bin mit der Geiselmasc­hine zurückgefl­ogen, nicht mit der Mannschaft. Ich hatte das große Glück, zehn Stunden lang mit Menschen zusammen zu sein, die befreit waren, die einem alles zugetragen haben. Jeder ist einem um den Hals gefallen. Das kann man sich gar nicht vorstellen.

Wie nehmen Sie heute die „Landshut“wahr?

Ich sehe das Flugzeug heute zum ersten Mal wieder. Ich war auch drin. Die Erinnerung­en vergessen Sie nicht. Mir kommen da manchmal auch die Tränen. Auch bei Schulvortr­ägen, wenn die Mädels einen unheimlich wurmen. Dann kommt das alles wieder hoch. Das kannst du nicht unterdrück­en. Fünf Tage in so einer Gewalt, da wird auch jeder GSG-Beamte klein. Das ist so eine enorme Ableistung. Ich möchte nicht auf der anderen Seite gewesen sein. Hut ab.

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FOTO: DEREK SCHUH Aribert Martin.

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