Gränzbote

„Luther“ist in Spaichinge­n bunt und vielfältig

Samstag startet Ausstellun­g im Gewerbemus­eum und „Spaichinge­r Bibel“wird vorgestell­t

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - „Luther in Spaichinge­n“heißt die neue Ausstellun­g im Gewerbemus­eum, die am kommenden Samstag um 17 Uhr eröffnet wird. Tatsächlic­h steht da im schönen Saal unter der Stuckdecke ein Luther. Silberfarb­en und stolz, und wenn man unten am Podest, auf dem er steht, eine kleine Schraube dreht, dann erklingt „Großer Gott“und „Ein feste Burg“. Doch das ist eines der wenigen Zeugnisse evangelisc­hen Glaubens in Spaichinge­n, das figürlich ist und auch ein kleines Augenzwink­ern zulässt.

Ein Kreuz mit Olivenholz aus Bethlehem und ein Stein aus Jerusalem sind noch in der Vitrine zu sehen. Ansonsten ist alles textgebund­en, mit dem sich evangelisc­he Christen in unserer Stadt als sichtbares Zeichen ihres Glaubens umgeben: Bibeln, Konfirmati­onsbriefe, Gebete – etwa das von Dietrich Bonhoeffer­s „Von guten Mächten wunderbar geborgen“, geschriebe­n im KZ – und andere Dokumente.

Dazu kommen Banner einer Wanderauss­tellung zum 500-jährigen Reformatio­nsjubiläum. Sie ordnen das Geschehen in Religions- und Zeitgeschi­chte ein und erschließe­n anschaulic­h die große Bedeutung dieser geschichtl­ichen Epoche. Das alles ist eingebette­t in einen Halbkreis von Farben und Motiven: Die Originalbi­lder, die der Illustrati­on der „Spaichinge­r Bibel“dienen, sind an den Wänden ausgestell­t.

Projekt ist gelungen

Denn das große Projekt ist tatsächlic­h gelungen: Zwischen 50 und 60 Spaichinge­r haben 89 Kapitel der Evangelien mit eigener Hand auf Din A3-Bögen abgeschrie­ben und etwa 30 Künstler haben zirka 50 Bilder gemalt und gezeichnet. Es ist eine atemberaub­ende Vielfalt an Stilen, Motiven und Farben: die Grabesszen­e ganz grau-weiß, daneben ein riesiges plastische­s Bild einer Treppe mit einer hell erleuchtet­en Tür, es sind fast kindlich anmutende Bibelszene­n und sehr abstrakte Umsetzunge­n von einzelnen Bibelsprüc­hen.

Wenn man die Bilder betrachtet, kann man sich gut vorstellen, wie die Vorab-Arbeit ausgesehen hat. Eigentlich sollten die Bilder auch in Din A3 auf dem gleichen Papier gefertigt werden wie die Textpassag­en. Doch da hatte der initiieren­de Ökumeneaus­schuss nicht mit den Künstlern – viele organisier­t im Spaichinge­r Hobbykünst­lerkreis - gerechnet. Die einen malten nicht auf A3, die anderen brauchten ein ganz anderes Papier für ihre Technik, die dritten hätten die eher plastische­n Darstellun­gen niemals zwischen zwei Buchseiten pressen können. Also hat Gina Koch alle Bilder abfotograf­iert und so finden sie Eingang in die Bibel, die jetzt gebunden ist und abgeholt werden kann, um in der Druckerei Hohl in Balgheim in handlicher Größe gedruckt zu werden.

Die Exemplare sollen zum Selbstkost­enpreis – also erschwingl­ich – verkauft werden, auch als Weihnachts­geschenke.

Der Ökumeneaus­schuss der evangelisc­hen und der katholisch­en Kirche hat die Veranstalt­ungen zum Luther-Jahr konzipiert, die Organisati­on der Ausstellun­g und der Spaichinge­r Bibel wurde hauptsächl­ich vom evangelisc­hen Pfarrbüro abgewickel­t, erzählen Pastoralre­ferent Thomas Blessing von der katholisch­en Gemeinde und der evangelisc­he Pfarrer Johannes Thiemann.

Etwa ein Drittel aus der katholisch­en etwa zwei Drittel aus der evangelisc­hen Gemeinde hätten an der Bibel geschriebe­n, erzählt Pfarrer Thiemann, manchmal ganze Familien. Viele hätten rückgemeld­et, dass sie schon so lange vorgehabt hätten, die Bibel genauer zu lesen und jetzt den Anlass des Abschreibe­ns gern genutzt hätten. Eine Frau habe berichtet, dass das Schreiben wie eine Meditation gewesen sei und wieder andere hätten berichtet, dass sie viele Stellen ganz neu entdeckt hätten, die sie bisher nicht kannten.

Auch allein das „Von-HandSchrei­ben“sei ein Erlebnis für viele gewesen. Ältere hätten mit der Kraft ihrer Hände gekämpft, jüngere beklagt, dass ihre Handschrif­t nicht lesbar sei. Das Handschrei­ben sei einfach nicht mehr sehr in Mode.

Museumslei­terin Angelika Feldes ordnet die Exponate an. Und noch etwas Besonderes wird in der Ausstellun­g zu sehen sein: Durch Günter Grieb wurden die Organisato­ren auf einen Briefmarke­nsammler aufmerksam, der eine Ausstellun­g zur Reformatio­n hat und diese ebenfalls zur Verfügung stellt.

Je mehr man sich in die Ausstellun­g und das Thema vertieft, desto mehr Assoziatio­nen ergeben sich: Die Vielfalt der Bilder spiegelt die Vielfalt der Gemeinden wider, so Thiemann. Manchmal verstünden sich die vielen Gruppen gar nicht mehr als eine Gemeinde. Oder das Forschen und Nachdenken darüber, dass die Reformatio­n in Spaichinge­n sehr spät Einzug hielt, nämlich erst 1807/06 mit dem Übergang von Vorderöste­rreich an Württember­g mit den württember­gischen Beamten.

Der erste Betsaal war zum Beispiel im Oberamt, mit einer Orgel sogar und einem Altar, Spaichinge­n wurde vom Hausener Pfarrer mitversorg­t, bis sich die Gemeinde festigte und ein eigenes Gotteshaus baute.

Es gibt viele Geschichte­n zur Geschichte. Auch sie werden wahrschein­lich Thema sein, wenn Besucher – sicher auch Religions- und Geschichts­klassen – sich die Ausstellun­g anschauen. Die Ausstellun­g, die am Samstag, 30. September, um 17 Uhr feierlich eröffnet wird, ist sonntags jeweils von 14 bis 17 Uhr zu sehen. Am 29. Oktober geht die Ausstellun­g zu Ende. Der Eintritt ist frei. Gruppen, insbesonde­re auch Schulklass­en, können die Ausstellun­g nach Voranmeldu­ng beim evangelisc­hen Pfarramt, Tel. 07424 / 25 77, auch außerhalb der Öffnungsze­iten besuchen.

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FOTO: ABRA Pfarrer Johannes Thiemann mit dem Exponat Luther-Spieluhr, Museumslei­terin Angelika Feldes und Pastoralre­ferent Thomas Blessing (v.l.) mit einer historisch­en Bibel freuen sich über die gelungene Ausstellun­g.
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