„Luther“ist in Spaichingen bunt und vielfältig
Samstag startet Ausstellung im Gewerbemuseum und „Spaichinger Bibel“wird vorgestellt
SPAICHINGEN - „Luther in Spaichingen“heißt die neue Ausstellung im Gewerbemuseum, die am kommenden Samstag um 17 Uhr eröffnet wird. Tatsächlich steht da im schönen Saal unter der Stuckdecke ein Luther. Silberfarben und stolz, und wenn man unten am Podest, auf dem er steht, eine kleine Schraube dreht, dann erklingt „Großer Gott“und „Ein feste Burg“. Doch das ist eines der wenigen Zeugnisse evangelischen Glaubens in Spaichingen, das figürlich ist und auch ein kleines Augenzwinkern zulässt.
Ein Kreuz mit Olivenholz aus Bethlehem und ein Stein aus Jerusalem sind noch in der Vitrine zu sehen. Ansonsten ist alles textgebunden, mit dem sich evangelische Christen in unserer Stadt als sichtbares Zeichen ihres Glaubens umgeben: Bibeln, Konfirmationsbriefe, Gebete – etwa das von Dietrich Bonhoeffers „Von guten Mächten wunderbar geborgen“, geschrieben im KZ – und andere Dokumente.
Dazu kommen Banner einer Wanderausstellung zum 500-jährigen Reformationsjubiläum. Sie ordnen das Geschehen in Religions- und Zeitgeschichte ein und erschließen anschaulich die große Bedeutung dieser geschichtlichen Epoche. Das alles ist eingebettet in einen Halbkreis von Farben und Motiven: Die Originalbilder, die der Illustration der „Spaichinger Bibel“dienen, sind an den Wänden ausgestellt.
Projekt ist gelungen
Denn das große Projekt ist tatsächlich gelungen: Zwischen 50 und 60 Spaichinger haben 89 Kapitel der Evangelien mit eigener Hand auf Din A3-Bögen abgeschrieben und etwa 30 Künstler haben zirka 50 Bilder gemalt und gezeichnet. Es ist eine atemberaubende Vielfalt an Stilen, Motiven und Farben: die Grabesszene ganz grau-weiß, daneben ein riesiges plastisches Bild einer Treppe mit einer hell erleuchteten Tür, es sind fast kindlich anmutende Bibelszenen und sehr abstrakte Umsetzungen von einzelnen Bibelsprüchen.
Wenn man die Bilder betrachtet, kann man sich gut vorstellen, wie die Vorab-Arbeit ausgesehen hat. Eigentlich sollten die Bilder auch in Din A3 auf dem gleichen Papier gefertigt werden wie die Textpassagen. Doch da hatte der initiierende Ökumeneausschuss nicht mit den Künstlern – viele organisiert im Spaichinger Hobbykünstlerkreis - gerechnet. Die einen malten nicht auf A3, die anderen brauchten ein ganz anderes Papier für ihre Technik, die dritten hätten die eher plastischen Darstellungen niemals zwischen zwei Buchseiten pressen können. Also hat Gina Koch alle Bilder abfotografiert und so finden sie Eingang in die Bibel, die jetzt gebunden ist und abgeholt werden kann, um in der Druckerei Hohl in Balgheim in handlicher Größe gedruckt zu werden.
Die Exemplare sollen zum Selbstkostenpreis – also erschwinglich – verkauft werden, auch als Weihnachtsgeschenke.
Der Ökumeneausschuss der evangelischen und der katholischen Kirche hat die Veranstaltungen zum Luther-Jahr konzipiert, die Organisation der Ausstellung und der Spaichinger Bibel wurde hauptsächlich vom evangelischen Pfarrbüro abgewickelt, erzählen Pastoralreferent Thomas Blessing von der katholischen Gemeinde und der evangelische Pfarrer Johannes Thiemann.
Etwa ein Drittel aus der katholischen etwa zwei Drittel aus der evangelischen Gemeinde hätten an der Bibel geschrieben, erzählt Pfarrer Thiemann, manchmal ganze Familien. Viele hätten rückgemeldet, dass sie schon so lange vorgehabt hätten, die Bibel genauer zu lesen und jetzt den Anlass des Abschreibens gern genutzt hätten. Eine Frau habe berichtet, dass das Schreiben wie eine Meditation gewesen sei und wieder andere hätten berichtet, dass sie viele Stellen ganz neu entdeckt hätten, die sie bisher nicht kannten.
Auch allein das „Von-HandSchreiben“sei ein Erlebnis für viele gewesen. Ältere hätten mit der Kraft ihrer Hände gekämpft, jüngere beklagt, dass ihre Handschrift nicht lesbar sei. Das Handschreiben sei einfach nicht mehr sehr in Mode.
Museumsleiterin Angelika Feldes ordnet die Exponate an. Und noch etwas Besonderes wird in der Ausstellung zu sehen sein: Durch Günter Grieb wurden die Organisatoren auf einen Briefmarkensammler aufmerksam, der eine Ausstellung zur Reformation hat und diese ebenfalls zur Verfügung stellt.
Je mehr man sich in die Ausstellung und das Thema vertieft, desto mehr Assoziationen ergeben sich: Die Vielfalt der Bilder spiegelt die Vielfalt der Gemeinden wider, so Thiemann. Manchmal verstünden sich die vielen Gruppen gar nicht mehr als eine Gemeinde. Oder das Forschen und Nachdenken darüber, dass die Reformation in Spaichingen sehr spät Einzug hielt, nämlich erst 1807/06 mit dem Übergang von Vorderösterreich an Württemberg mit den württembergischen Beamten.
Der erste Betsaal war zum Beispiel im Oberamt, mit einer Orgel sogar und einem Altar, Spaichingen wurde vom Hausener Pfarrer mitversorgt, bis sich die Gemeinde festigte und ein eigenes Gotteshaus baute.
Es gibt viele Geschichten zur Geschichte. Auch sie werden wahrscheinlich Thema sein, wenn Besucher – sicher auch Religions- und Geschichtsklassen – sich die Ausstellung anschauen. Die Ausstellung, die am Samstag, 30. September, um 17 Uhr feierlich eröffnet wird, ist sonntags jeweils von 14 bis 17 Uhr zu sehen. Am 29. Oktober geht die Ausstellung zu Ende. Der Eintritt ist frei. Gruppen, insbesondere auch Schulklassen, können die Ausstellung nach Voranmeldung beim evangelischen Pfarramt, Tel. 07424 / 25 77, auch außerhalb der Öffnungszeiten besuchen.