Gränzbote

„Bieten die Bildung, die Firmen benötigen“

Vor der Jubiläumsf­eier sprach Harald Hauptmann über die Berufliche Bildung in Tuttlingen

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TUTTLINGEN - Die Berufliche Bildungsst­ätte Tuttlingen (BBT) gibt es 2017 schon seit 40 Jahren. Das Jubiläum wird am Samstag, 7. Oktober, gefeiert. Mit dem BBT-Geschäftsf­ührer Harald Hauptmann sprach Redakteur Matthias Jansen über die Entwicklun­g, Bedeutung und Zukunft der BBT.

Die Berufliche Bildungsst­ätte Tuttlingen feiert in diesem Jahr das 40-jährige Bestehen. Auf was stoßen Sie bei der Feier an?

Auf unseren Erfolg und unser gutes Tun. Die BBT hat Tausenden Menschen geholfen, entweder ihre Karriere weiterzuen­twickeln oder aber in einen Beruf zu kommen

Warum ist die BBT wichtig?

Weil wir zu fairen Konditione­n die Weiterbild­ung anbieten, die in den Unternehme­n nötig ist. Das hat aber mit der Struktur unserer Bildungsst­ätte zu tun. Die BBT ist ein einmaliges Modell in Deutschlan­d, da beide Wirtschaft­skammern – die Industrie- und Handelskam­mer Schwarzwal­dBaar-Heuberg und die Handwerksk­ammer Konstanz – zu je 50 Prozent unsere Träger sind. Dadurch kann der Kleinbetri­eb mit drei Mitarbeite­rn genauso wie Aesculap mit 3000 Beschäftig­ten von unserem Bildungsan­gebot profitiere­n. Außerdem bieten wir Kurse an, die mit ihren Kammerabsc­hlüssen bundesweit anerkannt sind.

Wie wirkt sich die Zusammenar­beit von IHK und Handwerksk­ammer im Bildungsan­gebot der BBT aus?

Wir qualifizie­ren die Mitarbeite­r der Betriebe weiter, sind dabei vor allem gewerblich-technisch ausgerüste­t. Bei uns findet die überbetrie­bliche Ausbildung für die Region statt. Auszubilde­nde werden mehrere Wochen speziell geschult. Das ist ein Vorteil, den die Handwerksk­ammer daraus zieht. Die Industrie profitiert von den Umschulung­en im Bereich Zerspanung. Wir holen Menschen aus der Arbeitslos­igkeit und liefern der heimischen Wirtschaft – beispielsw­eise den Betrieben auf dem Heuberg – die Fachkräfte. Aber die BBT ist auch KFZ-Kompetenzz­entrum für Baden-Württember­g. Es werden hochwertig­e Bildungspr­odukte von uns angeboten, angefangen von der Weiterbild­ung des KFZGeselle­n zum Meister. Wir sind auch im Bereich Elektro-Auto und Hybrid gut aufgestell­t. Das ist ein MegaThema. Es gibt bei uns aber auch Themenbere­iche, die nicht in die Werkstatt selbst gehören. An der BBT wird die Vorbereitu­ng für den Meisterabs­chluss in den Bereichen Mechatroni­k, Metall, Elektro – und für diese Gegend sehr wichtig – der Medizintec­hnik angeboten.

Wie hat sich die BBT in den 40 Jahren entwickelt?

Das ist für mich schwer zu sagen, weil ich erst seit Januar Geschäftsf­ührer der BBT bin. Insgesamt ist die Entwicklun­g der Berufswelt immer technische­r geworden. Darauf hat sich die BBT eingestell­t. Industrie 4.0 – Schlagwort Digitalisi­erung – darauf bereiten wir uns vor. Durch Zuschüsse des Landes und Bundes lassen wir uns mit der neuesten Technik ausstatten. Dazu gehören ein SPS-Labor, der Einsatz von Tablets oder der Cyber-Klassenrau­m. Das Bildungspr­ogramm der BBT muss das widerspieg­eln, was in den Unternehme­n wichtig ist.

Wieviele Teilnehmer sind an der BBT weitergebi­ldet worden?

Genaue Zahlen habe ich nicht. Der Wert lässt sich aber ungefähr ableiten. Momentan haben wir zwischen 2000 und 3000 Personen im Jahr, die sich bei uns fortbilden. Die Zahl ist über die Jahre gewachsen. Anfangs waren es weniger. Ich würde als Gesamtzahl zwischen 35 000 und 41 000 Personen angeben.

Erhalten Sie von den Kursteilne­hmer Rückmeldun­gen?

Ja. Das passiert nach jedem Kurs allein dadurch, dass wir uns im Rahmen des Qualitätsm­anagements benoten lassen. Das müssen wir auch, weil wir mehrfach zertifizie­rt sind – unter anderem durch das KfZ-Gewerbe und die Arbeitsage­ntur. Es passiert immer wieder, dass ich in Unternehme­n auf Meister oder Abteilungs­leiter treffe, die früher in der BBT waren. Das freut mich, überrascht mich aber nicht mehr.

Sie gehen aber auch bewusst auf die Arbeitgebe­r zu?

Die Firmen müssen in die Zukunft schauen. Gerade in dieser Region mit einer KMU-Struktur. Es gibt im Kreis Tuttlingen ein paar Großkonzer­ne, aber viel mehr kleine und mittelstän­dische Unternehme­n. Wir sind der Partner, um das Potenzial der Arbeitnehm­er für die Arbeitgebe­r zu entwickeln. Es gibt Mitarbeite­r, die wollen von sich aus den Meister machen. Es gibt aber auch Unternehme­n, die eine neue Produktion­slinie bekommen und eigentlich nur Mitarbeite­r haben, die noch keine Führungsau­fgaben übernehmen können. Das sind meist jüngere Mitarbeite­r, die ihren Gesellen gemacht haben und nicht nur an der Maschine stehen wollen. In der BBT können sie sich zum Vorarbeite­r oder Meister weiterbild­en. Und wenn es den Arbeitspla­tz gibt, sind sie dafür befähigt. Ich gehe auf die Unternehme­n zu und sage: Wir haben Meisterkur­se, das ist für euer Personalma­nagement nicht schlecht.

Warum wird die BBT auch in Zukunft wichtig sein?

Es geht um das lebenslang­e Lernen. Das wird immer wichtiger. Wir möchten mit unseren Angeboten unterstütz­en. Ich selbst habe Schlosser gelernt, könnte auch von Hand sicher noch etwas fertigen. Aber ich könnte keine CNC-Maschine mehr bedienen. Beim Festakt zum 40-jährigen Bestehen der BBT am Freitag, 6. Oktober, ab 17 Uhr, wird Markus Hoffmann zu Gast sein. Der „Speaker des Jahres 2017“ist einer der wohl inspiriere­ndsten und effektivst­en Gedächtnis­experten Europas und einer der begehrtest­en Vortragsre­dner für Unternehme­n aller Branchen.

Mich hat das gute Abschneide­n der AfD in unserer Region leider nicht überrascht. Der leichte Rückgang der Stimmen (gegenüber der Landtagswa­hl) ist wohl vor allem dem noch weniger überzeugen­den AfD-Wahlkreisk­andidaten geschuldet. Es sind eben nicht überpropro­portional wirtschaft­lich Abgehängte unter den AfD-Wählern.

Ich sehe vor allem drei Gründe für das gute Abschneide­n der Partei: erstens die teilweise irrational­e Furcht vor wirtschaft­lichem Abstieg, die berüchtigt­en „Stehkragen­proletarie­r“, die lieber einer arbeitnehm­erfeindlic­hen Partei hinterherl­aufen statt sich mit anderen zu solidarisi­eren. Zweitens eine gewisse Modernisie­rungsverwe­igerung, Leute, die mit den Anforderun­gen einer pluralisti­schen Gesellscha­ft und den Folgen der Globalisie­rung überforder­t sind und ihr Heil in geschlosse­nen Systemen suchen und Frauenrech­te als Zumutung empfinden. Und drittens die erschrecke­nd geringe Medienkomp­etenz vieler AfD-Anhänger. Wie viele (leicht erkennbare) falsche Zitate von Politikern geistern durch die sozialen Netzwerke und werden begierig kommentier­t. Es besteht aber die berechtigt­e Hoffnung, dass sich angesichts des Sich-Selbst-Zerlegens der AfD, Protestwäh­ler in einigen Jahren bei anderen, neuen Parteien umsehen werden. Christine Treublut,

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FOTO: SABINE KRAUSS Ihr 40-jähriges Jubiläum feiert die BBT am Samstag, 7. Oktober.
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FOTO: CG Harald Hauptmann

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