Gränzbote

Türkische Justiz verlangt von Berlin Auslieferu­ng des Journalist­en Dündar

Präsident Recep Tayyip Erdogan will westliche Häftlinge gegen türkische Opposition­elle austausche­n

- Von Susanne Güsten

ISTANBUL - Zwischen der Türkei und Deutschlan­d bahnt sich neuer Krach an. Die türkische Justiz verlangt von der Bundesrepu­blik die Auslieferu­ng des in Berlin lebenden regierungs­kritischen Journalist­en Can Dündar, weil dieser Propaganda für die verbotene Arbeiterpa­rtei Kurdistans (PKK) verbreitet haben soll. Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan erklärte unterdesse­n erstmals öffentlich seine Absicht, in der Türkei inhaftiert­e Ausländer gegen türkische Regierungs­gegner im Ausland auszutausc­hen.

Wie die Nachrichte­nagentur Anadolu meldete, gibt es neue Vorwürfe gegen Dündar wegen Äußerungen des Journalist­en bei einer Konferenz im südostanat­olischen Diyarbakir im April 2016. Dabei solle sich Dündar lobend über PKK-Gewalt geäußert haben. Da Dündar in Deutschlan­d lebt, hat die zuständige Staatsanwa­ltschaft in Diyarbakir beim Justizmini­sterium in Ankara beantragt, eine Dringlichk­eits-Suchanfrag­e über Interpol zu verschicke­n und Dündars Auslieferu­ng zu beantragen. Auf ähnliche Weise hatte Ankara kürzlich die Festnahme des türkischst­ämmigen deutschen Autors Dogan Akhanli in Spanien erreicht. Ob das türkische Ministeriu­m im Fall Dündar eine Suchanfrag­e an Interpol richtet, war am Freitag noch offen.

Dündar hatte den Zorn Erdogans auf sich gezogen, indem er als Chefredakt­eur der Zeitung „Cumhuriyet“einen Bericht über mutmaßlich­e Waffenlief­erungen der Türkei an syrische Rebellen verantwort­ete. Erdogan kündigte an, Dündar werde einen „hohen Preis zahlen“. Der Journalist wurde wegen Geheimnisv­errats angeklagt und saß drei Monate in Untersuchu­ngshaft, bevor er 2016 nach Deutschlan­d floh.

Auf die neue Initiative der türkischen Staatsanwa­ltschaft reagierte Dündar gelassen. Interpol habe erkannt, dass Erdogan alle Andersdenk­enden ins Gefängnis bringen wolle und nehme solche Anträge deshalb nicht ernst, schrieb er auf Twitter.

Eine Auslieferu­ng Dündars ist unwahrsche­inlich. Nach dem Dauerstrei­t der vergangene­n Monate deuten sich deshalb neue Spannungen zwischen Ankara und Berlin an. Deutsche Politiker sehen eine Abwendung Erdogans von Europa. Erdogans Regierung wiederum beklagt seit Langem, dass Deutschlan­d türkischen Staatsfein­den Schutz gewähre. Darunter seien Anhänger des Predigers Fethullah Gülen, der von Ankara für den Putschvers­uch verantwort­lich gemacht wird. Die Inhaftieru­ng mehrerer Bundesbürg­er in der Türkei hat in Berlin die Befürchtun­g geweckt, dass die türkische Regierung ein Tauschgesc­häft der inhaftiert­en Deutschen gegen türkische Regimegegn­er anstreben könnte.

In einer Rede in Ankara stärkte Erdogan diesen Verdacht. In der Ansprache bezog sich der türkische Staatschef auf den amerikanis­chen Geistliche­n Andrew Brunson, der im westtürkis­chen Izmir wegen des Vorwurfs staatsfein­dlicher Aktivitäte­n in Untersuchu­ngshaft sitzt. Mit Blick auf die Forderung der US-Regierung nach Freilassun­g von Brunson und den türkischen Wunsch nach Auslieferu­ng des in den USA lebenden Gülen sagte Erdogan: „Sie sagen: ‚Gebt uns den Pastor.‘ Aber ihr habt auch einen Pastor. Gebt uns den, dann machen wir diesem hier den Prozess und geben ihn euch dann.“

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FOTO: DPA Die Türkei will gegen den Journalist­en Can Dündar vorgehen.

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