Gränzbote

Messerstic­h zwischen die Rippen: Verhandlun­g gestartet

36-Jähriger aus dem Kreis Tuttlingen ist angeklagt – Prozess wird am 19. Oktober fortgesetz­t

- Von Moni Marcel

ROTTWEIL/TUTTLINGEN - Wegen eines Messerstic­hs, mit dem er einen Bekannten verletzt hat, steht ein 36Jähriger aus dem Kreis Tuttlingen seit Montag vor dem Rottweiler Landgerich­t. Passiert ist der Vorfall am frühen Morgen des 1. November 2015 vor dem Campus-Club in Tuttlingen.

Der Angeklagte schilderte die Ereignisse aus seiner Sicht: Nach einer feuchtfröh­lichen Nacht mit Raki und später Whisky eskalierte die Situation. Ein Freund habe ihm ständig die Mütze vom Kopf geklaut, und er habe ihm immer wieder klar gemacht, dass er das nicht brauchen könne. Zuletzt habe er das lautstark vor der Tür des Clubs geklärt. Dann sei M., ein anderer Freund von ihm, dazwischen gegangen, habe ihn gepackt und geschüttel­t.

Es folgte ein Handgemeng­e, bei dem die Streithähn­e von den Türstehern des Clubs und Bekannten auseinande­r gezerrt wurden, doch man habe sich weiterhin angebrüllt, erzählte der Angeklagte. Er habe dann mit Bekannten an der Scala-Brücke gewartet, Zigaretten geraucht und habe eigentlich heimgehen wollen.

Doch dann sei er auf die Gruppe um das spätere Opfer gestoßen. Man habe ihn festgehalt­en, M. habe ihm mehrfach die Faust ins Gesicht geschlagen, bis er zu Boden gegangen sei. Da habe er dann wohl zum Messer gegriffen, um sich zu wehren. Er habe den anderen zugerufen, dass er ein Messer habe, damit herumgefuc­htelt. Dass er seinen alten Bekannten dabei mit einem sieben Zentimeter langen Schnitt zwischen die Rippen schwer verletze, macht ihn heute offenbar noch fassungslo­s: „Ich kann immer noch nicht glauben, dass es passiert ist“, sagte er am Montag.

Sein Opfer kam ins Krankenhau­s und musste mehrere Tage stationär behandelt werden. Der 36-jährige Angeklagte schilderte auch die angespannt­e Situation, in der er sich damals befunden habe. Sein Vater sei schwer erkrankt gewesen, immer wieder musste er in die Türkei reisen und dafür Schulden machen, denn sowas wie eine Krankenkas­se gab es nicht. „Wir mussten die Operation selbst bezahlen.“Der Vater sei inzwischen seinem Krebsleide­n erlegen.

Der Vater war schwer erkrankt

Der Angeklagte war damals arbeitslos, hatte mehrere Prozesse vor dem Arbeitsger­icht hinter sich. Und seine Frau wollte mit den zwei Kindern die gemeinsame Wohnung verlassen – ein „annus horribilis“, meinte dazu der Vorsitzend­e Richter Karlheinz Münzer. Inzwischen sei man aber dabei, sich wieder zu versöhnen, erzählte der 36-Jährige. Er habe Hoffnung, dass seine Frau bald wieder zu ihm zurückkehr­e. Auch sonst habe er sein Leben wieder im Grifff und gehe einer regelmäßig­en Arbeit nach.

Eine Ausbildung hat der Mann nicht gemacht, aber in Ankara sieben Semester Germanisti­k und deutsche Literatur studiert. Die ersten Schuljahre verbrachte er im Kreis Tuttlingen, dann zog die Familie in die Türkei zurück, wo er Abitur machte. Doch für den Studienabs­chluss fehlte das Geld, er ging wieder nach Deutschlan­d, doch auch hier wurde es nichts mit dem Hochschula­bschluss. Er begann mit einem Aushilfsjo­b, der später zu einem festen wurde. Drogen hätten keine große Rolle gespielt, betonte er, lediglich in der schlimmen Zeit der Krankheit seines Vaters habe er viel Alkohol getrunken, doch heute sei das nicht mehr so.

Der Prozess mit insgesamt elf Zeugen und zwei Sachverstä­ndigen wird am 19. Oktober fortgesetz­t.

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