Gränzbote

Kommunen kontra Stuttgart

Kritik am Feinstaub-Plan des grünen Verkehrsmi­nisters

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Baden-Württember­gs Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) hat einen ZehnPunkte-Plan zur Luftreinha­ltung in Stuttgart erarbeitet. Laut des Papiers, das der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, will er 384 Millionen Euro für bessere Luft in der Landeshaup­tstadt ausgeben. Andere Städte und Kommunen, die auch mit Feinstaub zu kämpfen haben, fürchten Nachteile.

„Wir brauchen keine Lex Stuttgart, sondern ein landesweit­es Konzept. Es gibt weitere Städte wie Reutlingen oder Ravensburg, wo die Grenzwerte ebenfalls überschrit­ten werden“, erklärte Biberachs CDUAbgeord­neter Thomas Dörflinger. Ravensburg­s Oberbürger­meister Daniel Rapp (CDU) sagte: „Es kann nicht sein, dass alles nach Stuttgart fließt.“Auch der Gemeindeta­g erwarte „ein Konzept für ganz BadenWürtt­emberg, nicht nur für Stuttgart“, so Sprecherin Kristina Fabijancic-Müller.

STUTTGART - Über dem Stuttgarte­r Kessel scheint die Sonne, unten herrscht dicke Luft. Pünktlich zum ersten Feinstauba­larm des Herbstes liefert die Schadstoff­belastung in der Landeshaup­tstadt neuen Konfliktst­off. Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) will 384 Millionen Euro für bessere Luft in Stuttgart ausgeben. Andere Städte fürchten Nachteile, auch der Koalitions­partner CDU ist wenig begeistert.

„Wir brauchen keine Lex Stuttgart, sondern ein landesweit­es Konzept. Es gibt weitere Städte wie Reutlingen oder Ravensburg, wo die Schadstoff­grenzwerte ebenfalls überschrit­ten werden – wenn wir die Städte bei der Einhaltung unterstütz­en, wollen wir dies im ganzen Land auf die gleiche Weise tun“, sagte der Biberacher CDU-Abgeordnet­e Thomas Dörflinger am Dienstag. Deswegen will seine Fraktion vom Verkehrsmi­nister wissen, wie wirksam die von ihm vorgeschla­genen Maßnahmen wären und wer welche Kosten trägt. Außerdem sei es zwingend notwendig, auch die übrigen 14 baden-württember­gischen Städte mit Schadstoff­problemen angemessen zu unterstütz­en.

Hermanns Konzept, das der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, listet zehn Maßnahmen auf. Nur zwei davon kosten zwar politische Energie, aber kein Geld: Das Land soll sich im Bund für die Blaue Plakette stark machen. Diese würden nur jene Fahrzeuge bekommen, die die strengsten EUAbgasnor­men einhalten. Alle anderen dürften in entspreche­nde Umweltzone­n in Städten nicht mehr einfahren. Außerdem will Hermann die Verkehrsun­ternehmen, die Stadt und andere noch stärker als bisher verpflicht­en, die geplanten Maßnahmen für bessere Luft voranzutre­iben.

Die übrigen acht Punkte dagegen kosten bares Geld. Einmalig 289 Millionen Euro, pro Jahr weitere 95 Millionen Euro. So sollen Busse, Radfahrer und Fußgänger Vorfahrt haben – etwa durch andere Ampelschal­tungen, mehr Radwege auch entlang von Hauptverke­hrsstraßen und Busspuren. Die Landesregi­erung soll ihren kompletten Fuhrpark emissionsa­rm umrüsten. Ebenso will Hermann Taxis, Pflegedien­ste und andere fördern, wenn sie Fahrzeuge auf Elektro- oder Erdgasantr­ieb umstellen. Er plant sogar, den Einsatz von Seilbahnen zu unterstütz­en. Schnellbus­se sollen das Umland mit der Innenstadt verbinden, Metropolex­presszüge aus dem Umland künftig halbstündi­g verkehren.

Kritiker fürchten, all das könne den Stau in Stuttgart nur verstärken. Befürworte­r hoffen, Autofahrer so zum Umstieg auf andere Verkehrsmi­ttel zu bewegen. Sie werben dafür, Stuttgart zu einer Modellregi­on für schadstoff­armen Verkehr umzubauen. Die dort erprobten Konzepte könnten dann auch anderswo im Land genutzt werden.

Doch außerhalb von Stuttgart wünscht man sich deutlich mehr als gute Ideen aus der Landeshaup­tstadt. „Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn das Land in Stuttgart investiert, dort ist in Sachen Luftreinha­ltung die Not groß“, sagt Ravensburg­s Oberbürger­meister Daniel Rapp (CDU). Doch die Landesregi­erung dürfe Ballungsrä­ume auf dem Land nicht vergessen. „Auch dort haben Städte wie Ravensburg erhebliche Probleme, obwohl manche in Stuttgart glauben, dort liege nur der Duft vom Acker in der Luft.“

Ravensburg gehört zu jenen 14 Städten in Baden-Württember­g, die es neben Stuttgart nicht schaffen, die Grenzwerte für saubere Luft einzuhalte­n. Deswegen haben die Verantwort­lichen bereits eine lange Liste mit Vorschläge­n erarbeitet, um gegenzuste­uern. „Wir brauchen genauso Geld, es kann nicht sein, dass alles nach Stuttgart fließt“, mahnt Rapp.

So sieht das auch seine Reutlinger Amtskolleg­in Barbara Bosch (parteilos). „Wir erwarten von der Landesregi­erung einen angemessen Anteil an den Mitteln, die vom Bund und aus dem Landeshaus­halt für Luftreinha­ltung fließen.“Reutlingen ist hinter Stuttgart und München die am stärksten mit Stickoxide­n belastete Stadt Deutschlan­ds. „Wir sind ein Fünftel so groß wie Stuttgart, also erwarten wir auch ein Fünftel so viel Geld als Unterstütz­ung – also 80 Millionen Euro“, so Bosch. Es könne nicht sein, dass die Landesregi­erung nur auf Stuttgart schaue.

Unklar ist, aus welchen Töpfen Hermann seine Vorschläge für Stuttgart zahlen will. Zum einen hofft er auf Geld aus dem Mobilitäts­pakt. Diesen hatte die Bundesregi­erung beschlosse­n. Mit einer Milliarde Euro will sie Städte unterstütz­en, für saubere Luft zu sorgen. Wieviel Geld daraus nach Baden-Württember­g fließen wird, ist offen. In der Regel gehen zwischen zehn und 13 Prozent solcher Töpfe in den Südwesten. Das wären etwa 100 Millionen Euro – gerade einmal ein Drittel dessen, was Hermanns Stuttgart-Plan kostet. Und es soll eigentlich für alle 15 Kommunen reichen.

Verkehrsmi­nisterium wiegelt ab

Das Verkehrsmi­nisterium betont daher, es wolle zusätzlich­e Mittel aus der Landeskass­e für Stuttgart einsetzen. „Im Ergebnis können sich alle Regionen in Baden-Württember­g darauf verlassen, dass die Regelförde­rung nachhaltig­er Mobilität – wie das laufende Programm zur Busförderu­ng – für sie weiter zur Verfügung steht. Zusätzlich­e Mittel für Luftreinha­ltung können aber nur dort eingesetzt werden, wo sie gegen die Luftbelast­ung helfen. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass ein Schwerpunk­t in der Region Stuttgart liegt“, sagte Ministeriu­mssprecher Edgar Neumann.

Der Gemeindeta­g, der vor allem mittlere und kleine Kommunen vertritt, bleibt skeptisch. „Wir erwarten, dass die Landesregi­erung endlich ein Konzept für ganz Baden-Württember­g erarbeitet, und nicht nur für Stuttgart“, kritisiert Pressespre­cherin Kristina Fabijancic-Müller. Grüne und CDU müssten die Schadstoff­probleme im ganzen Land lösen und Geld dazu bereit stellen. Die Regierungs­fraktionen diskutiere­n die Pläne in den kommenden Wochen – die CDU will die Vorschläge „ergebnisof­fen“prüfen. „Wir lassen uns nicht unter Druck setzen“, so Dörflinger.

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FOTO: DPA In Stuttgart signalisie­ren Schilder „Feinstauba­larm“– in der Landeshaup­tstadt belasten Schadstoff­e die Luft besonders stark. Grenzwerte werden aber auch in weiteren 14 Städten überschrit­ten.

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