Gränzbote

Österreich­s Grüne stehen wieder ganz am Anfang

- Von Rudolf Gruber, Wien

Erst himmelhoch jauchzend, nun zu Tode betrübt: Österreich­s Grüne sind nach ihrem größten Erfolg – der Wahl des ersten Bundespräs­identen aus ihren Reihen – bei der Parlaments­wahl abgestürzt. Nach aktualisie­rter Hochrechnu­ng liegen die Grünen bei 3,8 Prozent der Stimmen und damit unter der VierProzen­t-Hürde.

Die Geburtsstu­nde der österreich­ischen Grünen schlug 1984 in einem Urwald. Mit der Besetzung der Hainburger Au östlich von Wien haben Hunderte Studenten und Bürgerbewe­gte den Bau eines Wasserkraf­twerks mitten in einem der unberührte­sten Naturparad­iese Österreich­s verhindert. Zwei Jahre später zog eine noch inhomogene Grünen-Bewegung in das nationale Parlament ein.

Bei der Nationalra­tswahl letzten Sonntag endete eine Erfolgsges­chichte: Die Grünen verloren zwei Drittel ihrer Wähler und fliegen nach 31 Jahren aus dem Parlament. Die Grünen galten längst als etablierte Partei, das wog in der öffentlich­en Meinung schwerer als ihre erfolgreic­he Kontrollpo­litik im Parlament und Gestaltung­skraft als Ökopartei. Derzeit regieren sie in sechs von neun Bundesländ­ern mit, einschließ­lich der Bundeshaup­tstadt Wien, ebenso in Hunderten Gemeinden.

Doch die Grünen sind an ihren Erfolgen zerbrochen. Strategisc­he Fehler und innere Machtkämpf­e häuften sich. Die Führungsri­ege habe sich seit Jahren „von Kritik abgeschott­et und die Warnsignal­e nicht wahrgenomm­en“, sagt der langjährig­e grüne Europaabge­ordnete Johannes Voggenhube­r.

Die Veränderun­g begann 2008 mit der neuen Parteichef­in Eva Glawischni­g. Die gebürtige Kärntnerin hatte den populären Alexander Van der Bellen – mittlerwei­le Bundespräs­ident – von der Spitze verdrängt und die Partei zunehmend ideologisi­ert. Zwar fiel in ihre Zeit das erfolgreic­hste Ergebnis (2013: 12,4 Prozent). Doch galt Glawischni­g auch als elitär und kritikresi­stent. In den Gremien, sagten Insider, sei mehr Wert auf gendergere­chte Sprache gelegt worden als auf Inhalte.

Spaltung durch Pilz

Auch wird Glawischni­g vorgeworfe­n, die Nachwuchsp­flege vernachläs­sigt zu haben. Im Frühjahr wurde die Parteijuge­nd wegen Ungehorsam­s aus der Partei geworfen – als gehörte Aufmüpfigk­eit nicht zu den Tugenden der Grünen. Besser lassen sich Erstund Jungwähler wohl nicht abschrecke­n. Glawischni­g musste im Mai selbst zurücktret­en. Eine weibliche Doppelspit­ze folgte: Ulrike Lunacek, 60, als Spitzenkan­didatin, Ingrid Felipe, 39, als Parteichef­in. Doch es änderte sich wenig. Der Streit zwischen Fundis und Realos über den politische­n Kurs führte im Juli zur Spaltung: Peter Pilz, 63, prominente­s Urgestein und Mitbegründ­er der Grünen, wurde auf der Kandidaten­liste nach hinten gereiht, obwohl die Grünen ihm als Aufdecker vieler politische­r Skandale und einen der besten Ermittler in Untersuchu­ngsausschü­ssen viel verdanken. Pilz trat beleidigt aus und gründete wenig später die „Liste Peter Pilz“. Ohne Parteiappa­rat und mit wenig Geld erreichte Pilz mit 4,4 Prozent mehr als seine ehemalige Partei und kann in das Parlament einziehen. Was man ihm in der Partei stets übel nahm: Er hat keine Berührungs­ängste mit der rechten FPÖ und tritt für eine Beschränku­ng der Asylzahlen ein.

Lunacek muss die Wahlpleite wohl verantwort­en, obwohl sie wenig dafür kann. Bereits am Dienstag erklärte Parteichef­in Felipe ihren Rücktritt.

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