Gränzbote

Albert-Einst-Ein-Ulmer

Ein Verein will zig Millionen Euro sammeln, um ein dem berühmtest­en Sohn der Stadt angemessen­es Einstein-Zentrum zu realisiere­n

- Von Thomas Burmeister

ULM (dpa) - „Dort drüben, das ist der Platz unserer Träume.“Nancy Hecker-Denschlag zeigt auf ein Areal neben dem Hauptbahnh­of. „Schon die Architektu­r soll begeistern, wie in Bilbao oder Sydney“, sagt die Amerikaner­in. „Yes, we think big. Eine großartige Erlebniswe­lt soll Albert Einsteins Bedeutung für die moderne Wissenscha­ft und Technik für jeden erfahrbar machen – ein Magnet für Besucher aus aller Welt.“

Als die Physikerin vor einigen Jahren nach Ulm umzog, war sie überrascht: „Die Welt bewundert Einstein, aber hier in seiner Geburtssta­dt wird er nicht wirklich angemessen gewürdigt.“Es gibt einen Einstein-Brunnen. Und gegenüber vom Bahnhof, wo Einsteins im Zweiten Weltkrieg zerstörtes Geburtshau­s stand, erinnert ein Denkmal an ihn. Eine Straße trägt seinen Namen, ebenso die Volkshochs­chule. Im Stadtarchi­v werden Briefe des Physik-Nobelpreis­trägers aufbewahrt.

Insgesamt sei das zu dürftig, findet nicht nur Hecker-Denschlag (51). „Für dieses Weltgenie brauchen wir einen Ort, an dem seine Persönlich­keit rundum beleuchtet und zugleich dargestell­t wird, was seine Leistungen für uns alle bedeuten“, sagt auch Professor Joachim Ankerhold (53), Physiker und Vizepräsid­ent der Universitä­t Ulm. Dafür engagieren sich die beiden Physiker als Vorsitzend­e im „Verein der Freunde eines AlbertEins­tein-Museums in Ulm“. 2016 gegründet, hat er inzwischen 110 Mitglieder. Unter ihnen viele Ulmer, aber auch Einstein-Enthusiast­en in anderen Städten und im Ausland. „Uns schwebt ein populäres Science Center mit drei Hauptberei­chen vor“, sagt Hecker-Denschlag. Ein historisch-politische­r Teil soll den Lebensweg Einsteins als Spross einer in der Ulmer Region alteingese­ssen jüdisch-schwäbisch­en Familie beleuchten, der wegen der Nazis nach Amerika ging und von dort aus vielen Verfolgten half. Um den Schöpfer der Relativitä­tstheorie, seine Arbeitsmet­hode und seine Entdeckung­en soll es im zweiten Teil gehen. Im dritten sollen die experiment­elle und auch spielerisc­he Beschäftig­ung mit Technologi­en möglich sein, die auf Einsteins Theorien basieren. „Ohne sie wären die Lasertechn­ik, die GPS-Navigation und vieles im Bereich des autonomen Fahrens nicht möglich“, sagt Ankerhold.

Nur 15 Monate ein Ulmer

Professor Michael Wettengel, der Direktor des Stadtarchi­vs, hält den Plan für „eine tolle Sache“. Manche Kritiker machen aber geltend, Einstein habe von seinen 76 Lebensjahr­en lediglich die ersten 15 Monate in Ulm verbracht. Dann siedelte seine Familie nach München um, wo die Firma des Vaters unter anderem dafür sorgte, dass das Oktoberfes­t elektrisch­es Licht bekam.

Dennoch habe der Wissenscha­ftler stets Interesse an Ulm bekundet, hält Wettengel dagegen. Er verweist auf einen Brief, in dem Einstein 1929 kurz nach seinem 50. Geburtstag schrieb: „Auch der Geburtssta­dt verdanken wir einen Teil unseres Wesens. So gedenke ich Ulm in Dankbarkei­t, da es edle künstleris­che Tradition mit schlichter und gesunder Wesensart verbindet.“

Die Stadt Ulm ist dem Großprojek­t durchaus zugeneigt. „Wir finden das spannend und absolut richtig für Ulm“, sagt Iris Mann, die parteilose Bürgermeis­terin für Kultur, Bildung und Soziales. Bei der Sicherung des Grundstück­s am Hauptbahnh­of wolle man helfen. „Der Standort ist super geeignet und wäre ideal.“Aber: „Wir sehen das aktuell nicht als städtische­s Projekt.“Heißt: kein Geld aus der Stadtkasse.

Auf 40 bis 50 Millionen Euro werden die Baukosten geschätzt, hinzu kämen Betriebsko­sten. Die Vereinsmit­glieder hoffen, die Millionen mit Hilfe von Sponsoren in aller Welt – von vermögende­n Privatleut­en und Unternehme­n – sowie einer Crowdfundi­ng-Kampagne aufbringen zu können. Geworben wird unter anderem mit Flyern und einem T-Shirt mit der Aufschrift „Albert-Einst-EinUlmer“. „Klar, es kann Jahre dauern, bis wir soweit sind“, sagt Ankerhold. Aber Zeit sei bekanntlic­h relativ.

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FOTO: DPA Albert Einstein, Begründer der Relativitä­tstheorie, aufgenomme­n im Jahr 1946.

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