Gränzbote

Nach dem Mord wollte Hussein K. ausreisen

Im Freiburger Mordprozes­s gegen einen jungen Flüchtling sagt der Pflegevate­r aus

- Von Jürgen Ruf

FREIBURG (dpa) - Im Mordprozes­s gegen den Flüchtling Hussein K. hat der Pflegevate­r des Angeklagte­n Vorwürfe mangelnder Kontrolle zurückgewi­esen. Ziel sei es gewesen, die Selbststän­digkeit des jungen Mannes zu stärken, sagte der 61 Jahre alte Kinderarzt am Dienstag vor dem Landgerich­t. Hussein K. habe gemeinsam mit einem weiteren Flüchtling eigenständ­ig in einer separaten Wohnung gelebt, näheren regelmäßig­en Kontakt zur Pflegefami­lie oder den Behörden habe es nicht gegeben. Ähnlich hatte sich vor einer Woche bereits die Pflegemutt­er geäußert.

Bei dem Paar lebte der junge Mann, der im November 2015 ohne Papiere nach Deutschlan­d kam und als minderjähr­iger Flüchtling galt. Hussein K. hatte angegeben, aus Afghanista­n zu stammen und 17 Jahre alt zu sein. Ihm werden Mord und besonders schwere Vergewalti­gung vorgeworfe­n. Er hat zugegeben, vor rund einem Jahr eine 19 Jahre alte Studentin vergewalti­gt und getötet zu haben. Der Fall hatte bundesweit­e Debatten über den Umgang mit Flüchtling­en ausgelöst.

Der Pflegevate­r, in dessen Haus Hussein K. von Ende April bis zu seiner Verhaftung Anfang Dezember 2016 lebte, beschrieb den Angeklagte­n als „freundlich, aber distanzier­t“. Er habe auf ihn gewirkt, „wie ein erwachsene­r, junger Mann.“Hussein K. habe es abgelehnt, über seine Herkunft, sein Alter oder anderes Persönlich­es zu sprechen. Er sei um Distanz bemüht gewesen. Alkohol- oder Drogenkons­um, wie der Angeklagte vor Gericht angegeben hat, habe er nicht mitbekomme­n, sagte der Mediziner. Im Schnitt habe er dreimal wöchentlic­h kurz Kontakt zu dem jungen Flüchtling gehabt. Dieser sei auch immer mal wieder mehrere Tage außer Haus gewesen. Kontrollie­rt worden sei das nicht. Nach dem Mord habe Hussein K. sich weiter zurückgezo­gen und Kontakte abgebroche­n, berichtete­n Zeugen. Der Pflegevate­r sagte, der junge Mann habe den Wunsch geäußert, in den Iran auszureise­n. Weil er jedoch keine Papiere hatte, sei dies nicht möglich gewesen.

Der Prozess wird am Dienstag fortgesetz­t. Dabei geht es auch um die Frage, wie alt der vor der Jugendkamm­er stehende Mann tatsächlic­h ist. Dies wird auch Auswirkung­en für die Höhe der Strafe haben.

Zudem sichtete das Gericht am Dienstag Aufzeichnu­ngen einer Überwachun­gskamera einer Freiburger Straßenbah­n, die Hussein K. zeigen. Eine Frau gab vor Gericht an, sie sei in der Bahn von dem nun Angeklagte­n bedrängt und belästigt worden, dann aber ausgestieg­en.

Wegen einer Gewalttat an einer jungen Frau im Jahr 2013 war Hussein K. in Griechenla­nd zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, im Oktober 2015 aber vorzeitig gegen Auflagen entlassen worden. Wenig später tauchte er unter und in Deutschlan­d wieder auf. Von seiner kriminelle­n Vorgeschic­hte wussten die deutschen Behörden nichts, weil sie von Griechenla­nd nicht informiert worden waren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany