Ein Lauf durch den Backofen
Marc Schneider wird bei erstem Wüstenlauf auf Fuerteventura 16. bei 271 Teilnehmern
SPAICHINGEN - Seine Laufbahn als Ausdauersportler absolviert Marc Schneider in Siebenmeilenstiefeln. Vor zweieinhalb Jahren hat der Spaichinger mit dem Joggen begonnen. Nun beendete der 46-Jährige einen Wüstenlauf auf Fuerteventura als 16. von 271 Teilnehmern und wurde bester Deutscher.
Der Sand in den Schuhen sei noch das geringste Problem gewesen, sagt der IT-Fachmann und schmunzelt. „Über 40 Grad, Sand und Lavagestein – Das hat sich angefühlt wie Backofen mit Ober- und Unterhitze“, sagt er. Trotzdem habe es viel Spaß gemacht. „Ich habe tolle Menschen kennengelernt. Die Glücksgefühle und der Stolz haben den Schweiß und Schmerz mehr als wettgemacht.“An vier Tagen war er bei der Premiere des Halbmarathon des Sables in drei Etappen über 110 Kilometer gelaufen. Ein halber Marathon war es deshalb, weil der ursprüngliche Marathon des Sables in der marokkanischen Sahara 230 Kilometer lang ist.
Gummibärchen gegen den „mentalen Knick“
Die Vorbereitungen für den Wüstenlauf waren nicht optimal. Mitte Juni brach sich Schneider beim Fahrradfahren das Schlüsselbein. „Ich war zehn Tage raus, konnte erst langsam wieder anfangen“, sagt der Spaichinger, der in der letzten Phase vor dem Lauf mit Rucksack trainierte. „Ein Wüstenlauf ist ein Selbstversorgerlauf. Das Zelt und die nötige Menge Wasser wird gestellt. Den Rest – Ernährung mit 2000 Kalorien pro Tag, Isomatte und Schlafsack – musst du dabei haben.“Zur Ausrüstung, die 6,1 Kilogramm schwer war, gehörten auch eine Regenjacke, Beinlinge und eine Tüte Gummibärchen. „Gegen den mentalen Knick“, sagt Schneider, der das Fruchtgummi, um Gewicht zu sparen in Gefrierbeutel einschweißte. Beim Packen seines Rucksackes habe er akribisch darauf geachtet, dass „alles dabei ist“.
Am Samstag landete Schneider mit dem Flieger auf der kanarischen Insel. Nach einer Nacht im Hotel bereitete sich der Primstädter mit einem Lauf über zehn Kilometer auf die Herausforderung vor. „Es war die beste Entscheidung“, meint er. Mit dem Aufwärmen habe er das Terrain testen können und ein Gefühl für Temperatur und Wasserhaushalt bekommen. Trotzdem: „Ein mulmiges Gefühl hatte ich vor meinem ersten Etappenlauf und dann gleich in der Wüste schon“, sagt Schneider, der sich am Montag in die Starterliste eintrug und seine Unterlagen abholte. Nach einer technischen und medizinischen Untersuchung wanderte der Läuferpulk ins rund sieben Kilometer entfernte Lager. Mit dem Bus wurden die Teilnehmer an den folgenden Tagen zur Startlinie gefahren, um zurück ins Lager zu laufen. Dort wartete ein Ein-Mann-Zelt als Heimstätte für wenige Tage.
Mit der Etappe über 25,5 Kilometer von Playa Coloradas nach Isthme de la Pared ging es dienstags los. Schneider lief schnell los, um aus der Masse der Starter herauszukommen. Weite Teile der Strecke war er mit Anna Marie Watson unterwegs. Die Britin ist Lauf-Profi und landete auf dem zweiten Platz der Frauenwertung. „Als sie hörte, dass ich erst zweieinhalb Jahre laufe, war sie perplex“, meint der Spaichinger, der beim Tempo mithalten kann. Auf den letzten Kilometern erhöhte er noch einmal die Geschwindigkeit. „Ich wollte eher regenieren“, sagt er. Auf der ersten Etappe schaffte er es, sich die Kräfte gut einzuteilen. „Ich habe ein paar Körner für die Monsteretappe gespart.“
63 Kilometer von Aguas Verdes ins Camp nach Isthme de la Pared waren am Mittwoch zurückzulegen. Wieder ging es mit dem Bus zum Startpunkt. Wieder setzte sich der Primstädter schnell aus dem Pulk der Läufer ab und war mit Watson auf der Strecke, die mit 1875 Höhenmetern den Sportlern viel abverlangt, unterwegs. „Die Aufwärtspassagen sind wir gewalkt, um nicht zu sehr an der Leistung zu knabbern“, berichtet er.
Nach fünf Stunden und 37 Kilometern erreichte er den Höhepunkt der Strecke. Obwohl es anschließend meistens bergab ging, fiel bei Schneider nach 51 Kilometern die Leistung ab. „Ich musste durchschnaufen und den Puls herunterbringen“, meinte er. Laufpartnerin Watson musste er ziehen lassen. Allein erreichte er den letzten Checkpunkt. Um für den Lauf in der Dunkelheit gerüstet zu sein, brachte er Leuchtstäbe an seinem Rucksack an. „Die Mitarbeiter am Checkpunkt haben gelacht, als ich einen Kabelbinder zum Befestigen herausgeholt habe. Aber so etwas hat man doch immer dabei.“Die letzte halbe Stunde war es dunkel. Mit einer Stirnlampe fand Schneider den Weg ins Ziel und schnurstracks ins Zelt. „Ich habe mich schnell hingelegt und hatte Wadenkrämpfe. Aber nach so einer Etappe ist das normal.“
Der nächste Tag kommt Schneider wie gerufen. Ein Ruhetag ermöglicht die Regeneration. Die Beine ausruhen lassen, viel Eiweiß aufnehmen, um die Muskulatur zu lockern. „Damit auch die letzte Etappe schnell gelaufen werden kann“, sagt Schneider. Eilig beginnt der nächste Morgen. Das Zelt muss zusammengepackt werden. Schnell wird gefrühstückt und dann geht es mit dem Bus zum Startpunkt. 21,1 Kilometer stehen von Tuineje nach Las Playitas auf dem Programm.
„Ich bin langsamer gestartet. Die zweite Etappe war noch in den Beinen. Außerdem führte die Strecke über Lavastein-Felder, die sehr gefährlich sind, da die Steine scharfkantig sind“, sagt der Ausdauersportler. Um seine gute Position zu halten oder zu verbessern, erhöhte Schneider das Tempo. Die Steigungen wurden gelaufen anstatt zu gehen. „Bei einer Etappe über 21 Kilometer ist das auch möglich“, sagt er. Der Plan ging auf. Die Konkurrenz schaffte es nicht mehr aufzuholen, da sie in der zweiten Etappe zuviel an Boden verloren hatte. Als 16., bester Deutscher und Sechster in der Veteranen-Klasse (40 bis 50 Jahre) beendete er seinen ersten Etappenlauf – für dessen Teilnahme er 1200 Euro bezahlt hatte. „Solche Abenteuer sind schon kostspielig“, sagt Schneider, der die finanziellen Anforderungen bisher ohne Sponsoren stemmen musste.
Eine Strecke über 110 Kilometer wird er nächstes Jahr nicht mehr laufen. „Die Kurzdistanz reicht mir nicht mehr aus“, sagt Schneider, der in 2018 an einem Wüstenlauf in der Mongolei über 250 Kilometer teilnehmen wird. Warum er die Anstrengungen seit dem ersten Halbmarathon im Juni 2016 immer weiter hochschraubt? „Je mehr man schafft, desto mehr will man erreichen. Ich will die Grenze herausfinden, was mein Körper leisten kann. Wann hört es auf, Spaß zu machen?“