Südstadt fühlt sich vernachlässigt
Fritz Lange prangert Missstände im Gebiet abseits von Innenstadt und Stockacher Straße an
Tuttlinger kritisiert Verwaltung wegen der Zustände in seinem Viertel.
TUTTLINGEN - Eine Grenze ist nicht sichtbar. Dennoch fühlt sich Fritz Lange in seinem Viertel neben der Stockacher Straße in einem Stadtbezirk zweiter Klasse. „Die Südstadt wird vernachlässigt“, sagt der Rentner. Das sei schon seit Jahrzehnten so. „In den vergangenen sechs bis acht Jahren ist es verstärkt der Fall.“
Das beste Beispiel für die unsichtbare Trennlinie zum Gebiet rund um die Bergstraße sei für Lange die Ausbesserung des Kopfsteinpflasters am Parkplatz vor dem Krematorium. Rund 20 000 Euro hatte die Stadt nach eigener Aussage im September des Vorjahres ausgegeben. „Da schwillt mir der Kamm. Dort werden 20 000 Euro ausgegeben, damit die Leute keine nassen Füße bekommen und hier brechen sie sich das Genick“, sagt er und verweist auf ein Loch auf dem Gehweg vor seinem Haus. Der Belag der Straßen und Fußgängerwege sei zwischen Möhringer-, Wilhelms- und Olgastraße uneben und löchrig – in einem schlechten Zustand, meint Lange.
Jahrelanger Ärger um Loch im Fußweg
Für den Ruheständler hatte dies schon gesundheitliche Konsequenzen. Beim Schneeschieben blieb er vor Jahren mit der Schaufel in dem heute 70 mal 50 Zentimeter großen und gut einen Zentimeter tiefen Loch hängen, musste sich an der Schulter operieren lassen. Danach habe er sich zweimal an die Stadt Tuttlingen und Oberbürgermeister Michael Beck gewandt. Zwar habe sich die Verwaltung die Stelle angesehen, passiert sei aber nichts. Das, so Stadtsprecher Arno Specht, habe seinen Grund. Ab einer Tiefe von zwei Zentimetern müsse umgehend gehandelt werden. „Dann gilt die Verkehrssicherheit als gefährdet“, sagt er. Das Loch in der Bergstraße sei ein optischer Mangel. „Wenn das Loch eine Gefahr dargestellt hätte, wäre es repariert worden“, meinte der Stadtsprecher, der aber zusagte, dass die Stelle noch einmal begutachtet werde.
Bei der Gelegenheit könnten die Stadtmitarbeiter gleich noch einige Meter weiter über den Gehweg laufen. „Was mich auf die Palme bringt: Es wird immer nur quadratmilimeterweise ausgebessert“, ärgert sich Lange über die Vorgehensweise. Der Flickenteppich auf dem Gehweg sei gerade für ältere Menschen gefährlich. „Dann wird der Fuß nicht richtig gehoben und schon fällt man.“Die Reparatur der Gehwege sei eine kostspielige Sache und wäre deshalb eine Abwägungsentscheidung, sagt Specht. Die Wege würden repariert, wenn der Zustand dies erfordere oder aber, wenn die Asphaltschicht ohnehin wegen Arbeiten einer Firma aufgerissen würden.
Fußgängerzone und Wohnstraße – kein Maßstab
Dem hält Lange entgegen, dass in anderen Straßen in der Nähe der Donau – „wenn es um das Ambiente geht“– Straßen sowie Fußwege glatt wären. Es gebe, so Specht,eine optische Aufwertung in Straßen, in denen viele Fußgänger herumliefen. Deshalb wären innenstadtnahe Bereiche oder die Fußgängerzone mit einer Wohnstraße nicht vergleichbar. „Das ist ein anderer Maßstab“, sagt der Stadtsprecher. Die Unterschiede hat Lange auch bei der Sauberkeit ausgemacht. In den Straßen der Südstadt wächst das Unkraut am Bordstein in die Höhe. Der Müll, der vom Regen die Straße heruntergeschwemmt wird, würde sich dann darin sammeln. Warum es nicht möglich sei, einen Kehrtag einzurichten, an dem die Autos nicht am Straßenrand parken dürften und die Kehrmaschine dort reinigen könnte, fragt sich Lange.
Generell, so Specht, sei es richtig, dass der Bereich zwischen „Fahrbahn und Kante die Sache der Stadt ist. Der Fußweg ist Sache der Anlieger.“Dieser Pflicht würde die Stadt mit der Kehrmaschine auch zweimal im Jahr nachkommen. „Wir haben ein Sommerund ein Winterputzen in Wohngebieten.“Dabei werde erst Splitt und Laub entfernt. „In der Zeit dazwischen müssen die Anlieger dann selbst mal das Unkraut zupfen“, erklärt Specht und verweist darauf, dass dies schon ein höherer Standard als in Landgemeinden sei. In der Innenstadt und bei Bedarf werde auch häufiger maschinell gekehrt.
Zwei große und eine kleine Kehrmaschine sowie drei Müllpresswagen wären im Stadtgebiet unterwegs. Ein fester Kehrtag, so Specht, ließe sich nur schwer einrichten. „Das haben wir vor Jahren schon versucht. Es wurde aber massiv ignoriert“, sagt er. Autohaltern, die ihr Fahrzeug nicht wegstellen würden, mit Verwarnungen beizukommen, sei schwierig. Es gebe nicht genug Parkplätze, damit die Fahrzeuge während einer zeitlichen Frist weggestellt werden könnten. Knöllchen, um den Kehrtag durchzusetzen, würde nur zu erheblichen Beschwerden führen. Zudem könne man nicht auf die Minute sagen, wie lange die Kehrmaschinen unterwegs wären. Der Einsatzplan der Kehrfahrzeuge werde aber gerade neu erarbeitet, meinte der Stadtsprecher.
„Ich fühle mich als Mensch zweiter Klasse“
Ein Ärgernis ist für Lange aber auch die Parksituation in seiner Straße. In der Wilhelm-, Garten- sowie in der Talstraße gebe es eine Parkregelung. In der Bergstraße aber nicht. „Ich fühle mich als Mensch zweiter Klasse“, meint Lange – bezogen auf die vielen Missstände rund um seine Wohnung. In der Straße „In Göhren“sei die Parksituation „minutiös geregelt“, empört sich Lange. „Warum gelten da unten andere Regeln als bei uns?“Zumal er den Verdacht hat, dass Mitarbeiter des nahen Chiron-Werkes die Parkplatznot in den anliegenden Straßen vergrößern würden. Specht verweist bezüglich der Straße „In Göhren“darauf, dass damit verhindert werde, dass die Schüler der benachbarten Bildungsstätten dort parken würden. Beschwerden über abgestellte Autos von Chiron-Mitarbeitern habe er seit dem Ausstellen der AnwohnerParkausweise 2013 nicht mehr gehört. Wie bei den Verunreinigungen oder Löchern empfiehlt er, sich an Ordnungs- oder Tiefbauamt zu wenden.
Auch der Ansicht von Lange, dass gerade in der Bergstraße nach den Kindergärten gerast werde („Die kommen ums Eck gefegt“), wird die Stadtverwaltung nachgehen. Zwar sei die Einschätzung der Anwohner mit den Geschwindigkeits-Messwerten nicht deckungsgleich. „Die Zahl der Überschreitungen ist überschaubar“, sagt Specht. Mit dem mobilen Messgerät sei es der Stadt kurzfristig möglich, das Tempo der Autofahrer in Wohngebieten zu überwachen.