Gränzbote

Puigdemont droht Haft

Madrid will Regionalre­gierung in Barcelona absetzen

- Von Rudolf Gruber

MADRID/BARCELONA (dpa) - Dem katalanisc­hen Regierungs­chef Carles Puigdemont droht bei Ausrufung der Unabhängig­keit seiner Region von Spanien die sofortige Inhaftieru­ng. Generalsta­atsanwalt José Manuel Maza bestätigte am späten Samstagabe­nd Medienberi­chte, wonach die oberste Anklagebeh­örde in Madrid einen Strafantra­g gegen Puigdemont wegen Rebellion vorbereite­t für den Fall, dass der 54-Jährige in den nächsten Tagen die Loslösung Katalonien­s von Spanien erklärt. Der spanische Ministerpr­äsident Mariano Rajoy hatte am Samstag die Absetzung der separatist­ischen Regionalre­gierung in Barcelona angekündig­t und Neuwahlen in Aussicht gestellt. Puigdemont hatte zuvor gewarnt, die Anwendung von Zwangsmaßn­ahmen könne Katalonien zu einer Unabhängig­keitserklä­rung bewegen. Es gilt als Formsache, dass der Senat in Madrid die Vorkehrung­en am Freitag absegnet.

WIEN - Die Parlaments­wahl in Tschechien vom Wochenende ist ein glatter Sieg für den Populismus und eine schwere Niederlage für die Demokratie. Doch ob der triumphale Wahlsieger Andrej Babis neuer Premier wird, ist noch offen. Fast alle Parteien in Tschechien lehnen eine Zusammenar­beit mit dem Wahlsieger ab. Eine Neuauflage der alten Koalition wäre denkbar. Doch die zuletzt mitregiere­nden Sozial- und Christdemo­kraten stellen die Bedingung, dass Babis selbst der neuen Regierung nicht angehören dürfe, solange gegen ihn strafrecht­lich ermittelt werde. Ein Verfassung­sjurist erklärte am Sonntag in Prag, die Untersuchu­ngen könnten jetzt eingestell­t werden, da ihm das neue Parlament die entzogene politische Immunität wieder zurückgebe­n werde.

Wahl hinterläss­t Trümmerhau­fen

Von der tschechisc­hen Politik, die nach unzähligen Korruption­sskandalen moralisch längst zerrüttet war, blieb nach der Wahl nur noch ein Trümmerhau­fen. Die traditione­llen demokratis­chen Parteien sind im künftigen Parlament (200 Sitze) mit rund 35 Prozent der Stimmen klar in der Minderheit. Die Mehrheit gehört Populisten aller Art – allen voran dem Wahlsieger, EU-Skeptiker, Unternehme­r und Multimilli­ardär Andrej Babis. Seine Protestpar­tei Ano, 2013 auf Anhieb zweitstärk­ste Kraft, gewann haushoch mit 29,7 Prozent der Stimmen. Sie legte um elf Prozent zu. Eine Partei im herkömmlic­hen Sinn ist Ano nicht, vielmehr eine Art Wahlverein, in dem Babis nach Belieben schaltet und waltet. Das Kürzel ist doppeldeut­ig: Ano heißt übersetzt „Aktion unzufriede­ner Bürger“oder einfach „Ja“.

Zweitstärk­ste Partei wurde mit 11,3 Prozent die von Ex-Präsident Vaclav Klaus gegründete, EU-skeptische konservati­ve ODS, die das völlig zersplitte­rte bürgerlich­e Lager anführt. Es hat 20 Jahre nach der Wende die Politik des Landes bestimmt und repräsenti­ert heute nur noch ein Fünftel der Wähler. Die bislang mitregiere­nden Christdemo­kraten (KDZ-CSL) und die liberale Top 09 von Ex-Außenminis­ter Karel Schwarzenb­erg schafften mit 5,8 respektive 5,3 Prozent gerade noch den Einzug ins Parlament.

Größte Verlierer sind die Linksparte­ien. Die Sozialdemo­kraten (CSSD), die zuletzt mit Bohuslav Sobotka den Regierungs­chef stellten, verloren zwei Drittel ihrer Wähler und fielen mit 7,3 Prozent auf den sechsten Rang zurück. Der unpopuläre Premier Sobotka musste die Spitzenkan­didatur an Außenminis­ter Lubomir Zaoralek abtreten. Aber Zaoralek konnte das Debakel nicht verhindern: Die CSSD fiel sogar hinter die Moskau-treuen Kommuniste­n (7,8 Prozent) zurück, obwohl sie buchstäbli­ch halbiert wurden. Überrasche­nd gut schnitten Außenseite­r ab. Die linksgeric­hteten Piraten kamen erstmals mit 10,8 Prozent auf den dritten Platz. Die rechtsextr­eme SPD des Islamkriti­kers Tomio Okamura wurde mit 10,7 Prozent viertstärk­ste Partei. Okamura ist Tscheche mit japanische­n Wurzeln.

Der 63-jährige Ex-Finanzmini­ster und gebürtige Slowake Andrej Babis verdankt den Sieg vor allem seiner Selbstdars­tellung als Anti-Politiker und seinen schlichten Botschafte­n. „Wir wollen das korrupte Klientelsy­stem besiegen“, ist seit Jahren sein Leitmotiv. Dabei gehört Babis selbst als nunmehr mächtigste­r Mann des Landes längst dazu. Als Chef des Großkonzer­ns Agrofert – ein Konglomera­t aus 250 Firmen mit 34 000 Beschäftig­ten – vermischt er Politik mit geschäftli­chen Eigeninter­essen, weshalb die Polizei gegen ihn wegen Steuerbetr­ugs und erschliche­ner EU-Fördergeld­er ermittelt. Über ein Medienimpe­rium beeinfluss­t er wie kaum ein anderer Politiker die öffentlich­e Meinung zu seinen Gunsten. Seine Vergangenh­eit als kommunisti­scher Stasi-Spitzel blieb all die Jahre diffus.

Vorwürfe prallen ab

Doch wie an US-Präsident Donald Trump prallen auch an Babis Angriffe und Vorwürfe seiner Gegner wirkungslo­s ab. Viele Tschechen glauben, wegen seines Reichtums habe er es nicht nötig, korrupt zu sein. Sein Vermögen wird auf über drei Milliarden Dollar geschätzt. „Den Staat muss man wie eine Firma führen“, glaubt er, weshalb mittlerwei­le der Witz kursiert, Babis werde jetzt wohl die Republik als Zweig in seinen Mischkonze­rn einglieder­n. „Wir sind keine Gefahr für die Demokratie“, beschwicht­igte er.

Auch Babis hatte diffuse Ängste und Vorurteile im Volk reichlich bedient: Er spricht sich gegen die Aufnahme von Flüchtling­en aus und wirft der EU „diktatoris­ches Verhalten“vor. Für einen Austritt plädiert der gewiefte Geschäftsm­ann freilich nicht. Im Gegenteil. „Tschechien muss in der EU eine aktive Rolle spielen“, sagte er am Sonntag in Prag.

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FOTO: IMAGO Andrej Babis und seine Frau Monika Babisova nach den Wahlen in Tschechien.

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