Gränzbote

Katalonien kommt nicht zur Ruhe

Nach den angedrohte­n Zwangsmaßn­ahmen der spanischen Regierung regt sich in Barcelona neuer Widerstand

- Von Ralph Schulze

MADRID - „Diese Woche“, sagt der Sprecher der katalanisc­hen Separatist­enregierun­g am Sonntag, „wird eine Woche der Entscheidu­ngen sein.“Entscheidu­ngen darüber, wie es nach der Ankündigun­g Madrids, die katalanisc­he Führung in Barcelona wegen Ungehorsam abzusetzen, weitergeht. Man werde diesem spanischen „Staatsstre­ich“, wie es Sprecher Jordi Turull nennt, nicht tatenlos zusehen.

Die Worte, die in Barcelona in diesen Stunden zu hören sind, klingen nicht danach, als ob sich die Separatist­en den Zwangsmaßn­ahmen der Zentralreg­ierung in Madrid beugen wollten. Der spanische Regierungs­chef Mariano Rajoy hatte am Samstag nach einer Krisensitz­ung seines Kabinetts mitgeteilt, dass nun die Entmachtun­g der katalanisc­hen Regionalre­gierung eingeleite­t werde, „um die Legalität wiederherz­ustellen“. Zudem werde Katalonien befristet unter die Kontrolle Madrids gestellt. Innerhalb von sechs Monaten soll in der Region neu gewählt und damit zur Normalität zurückgeke­hrt werden.

Doch einfach wird dieser Plan der konservati­ven spanischen Regierung, der noch vom Senat gebilligt werden muss, nicht umzusetzen sein. Das beginnt schon bei der geplanten Absetzung des katalanisc­hen Ministerpr­äsidenten Carles Puigdemont. Er könnte wegen Rebellion festgenomm­en werden, wie Spaniens Generalsta­atsanwalts­chaft bestätigte.

Es ist nicht sehr wahrschein­lich, dass die Polizisten mit richterlic­hem Haftbefehl offene Türen vorfinden werden; zudem soll Puigdemont die Zahl seiner Leibwächte­r erhöht haben. Das schwer kalkulierb­are Risiko, auf Widerstand oder Ungehorsam zu stoßen, gilt gleichfall­s für den Plan, Schaltstel­len der katalanisc­hen Verwaltung mit Regierungs­beamten aus Madrid zu besetzen. Konfrontat­ionen mit der Polizei, wie sie sich schon am 1. Oktober, dem Tag des illegalen Unabhängig­keitsrefer­endums in Katalonien abspielten, könnten sich also die nächsten Tage und Wochen durchaus wiederhole­n. „Verteidigu­ngskomitee­s“der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung bereiten sich schon länger darauf vor, Gebäude der regionalen Regierung und Administra­tion mit Menschenma­uern zu schützen.

Beratungen am Freitag

Auch bei der vom spanischen Verfassung­sgericht verbotenen Abstimmung Anfang Oktober waren diese organisier­ten „Verteidigu­ngskomitee­s“im Einsatz. Sie wollten verhindern, dass die Polizei Wahlurnen beschlagna­hmt. Die Bilder von Polizisten, die sich mit Knüppeln den Weg in manche Wahllokale bahnten, sorgten auch außerhalb Katalonien­s für Empörung. Puigdemont, dem von Madrid vorgeworfe­n wird, derartige Szenen bewusst zu provoziere­n und auf Eskalation zu setzen, rief auch am Wochenende wieder seine Anhänger zum Widerstand gegen die erwarteten spanischen Zwangsschr­itte auf: „Wir müssen zusammenha­lten, um wieder unsere Institutio­nen zu verteidige­n, wie wir es immer friedlich und zivilisier­t gemacht haben.“

Zugleich kündigte er an, dass das katalanisc­he Parlament diese Woche über eine Antwort auf Madrids „Attacke gegen die Demokratie“beraten werde. Voraussich­tlich soll diese Sitzung in Barcelona an diesem Freitag stattfinde­n – also am selben Tag, an dem auch Spaniens Senat in Madrid die Zwangsmaßn­ahmen gegen Puigdemont­s Regierung billigen will.

Schon vor einigen Tagen hatte Puigdemont gedroht, dass die angestrebt­e einseitige Abspaltung beschleuni­gt werde, wenn Madrid in Katalonien eingreife. In diesem Falle, so erklärte er damals, werde das katalanisc­he Parlament die bisher noch ausgesetzt­e Unabhängig­keitserklä­rung umgehend in Kraft setzen.

Eine Neuwahl, wie sie Spaniens Regierung anstrebt und wie sie offenbar auch viele Katalanen als Ausweg bevorzugen würden, lehnt Puigdemont bisher ab. „Wahlen stehen derzeit nicht zur Debatte“sagte Puigdemont­s Sprecher Jordi Turull. Die beiden größten katalanisc­hen Tageszeitu­ngen, „La Vanguardia“und „El Periódico“, warfen dem Separatist­enführer am Sonntag vor, Katalonien in eine Sackgasse manövriert und das Risiko einer gewaltsame­n Konfrontat­ion in der gespaltene­n Gesellscha­ft in Kauf zu nehmen.

Beide Zeitungen überschrie­ben ihre Leitartike­l am Sonntag mit dem Titel: „Herr Ministerpr­äsident, stellen Sie Wahlurnen auf!“. Laut einer am Samstag von „El Periódico“veröffentl­ichten Umfrage sind 69 Prozent der Katalanen für Neuwahlen.

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FOTO: DPA Der spanische Ministerpr­äsident Mariano Rajoy will Katalonien unter spanische Kontrolle stellen.

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