Von der Kunst der Variation
Beim Schwäbischen Klassikherbst widmet sich Pianist Herbert Schuch dieser Gattung
SCHWENDI - Mit einem Konzert des Münchener Kammerorchesters in Laupheim, einem Klavierabend von Herbert Schuch in Schwendi und einer Kammermusik-Matinee im Museum Villa Rot in Burgrieden fand am Wochenende der dritte Schwäbische Klassikherbst an drei verschiedenen Orten statt. Hochkarätiges wird hier geboten, der Zuspruch des Publikums dürfte allerdings noch kräftiger werden.
In einem ehemaligen Kino mit erfreulich guter Akustik hat die Kleine Bühne Schwendi ihren Platz. Wie im Kino hatte das Publikum auch hier die hinteren Reihen bevorzugt, und das, obwohl Herbert Schuch auch im äußersten Fortissimo einen immer abgerundeten, nie harten Klang erzeugt. Klavierfreunde konnten den Weg des Pianisten über die Jahre auch in unserer Region verfolgen: Früher rund um die Meisterkurse von Karl Heinz Kämmerling in Lindau, dann in Klavier- und Kammermusikabenden rund um den See und bei der Schubertiade. Immer haben seine Konzerte Tiefgang, sie sind ebenso schlüssig aufgebaut wie seine CD-Programme, pianistische Meisterschaft ist gepaart mit großer Bescheidenheit – eine außergewöhnliche Mischung, die auch an einen seiner Lehrer, Alfred Brendel, erinnert.
Bei seinem Konzert in Schwendi widmete sich Schuch dem großen Thema Variation, angefangen mit Helmut Lachenmann über Bach und Brahms zu den großen Diabelli-Variationen von Beethoven. In den Variationen erfährt man die Kunst der Komponisten, mit einem Thema umzugehen, es in verschiedensten Formen, Rhythmen, Tempi oder Beleuchtungen zu zeigen. Ein Pianist wiederum kann die Vielfalt seines Anschlags oder seiner Differenzierung in der Dynamik präsentieren.
Kleine, aber feine Charakterstücke
Beides konnte man in Schuchs umfangreichem und höchst anspruchsvollem Programm erleben: Helmut Lachenmann scheint in seinen Schubert-Variationen die Energie des zugrundeliegenden Tanzes aufzugreifen, Zerrissenheit, Skizzenhaftes, eine wilde Jagd in Staccatofiguren katapultieren den deutschen Tanz Schuberts in die 1950er-Jahre. In seinen sechs Variationen op. 34 verwandelt Beethoven ein schlichtes Thema in kleine Charakterstücke, die Schuch fein artikulierend herausarbeitet.
Johann Sebastian Bach hat in seiner Chaconne aus der d-Moll-Partita für Violine solo eine stets wiederholte Basslinie von wenigen Takten Länge zur Grundlage von reich verzierten Variationen gemacht. Bei der Übertragung auf das Klavier durch Ferruccio Busoni wird ein spätromantisches Werk mit vollgriffigen Akkorden, Oktavgängen und feinen Schleierfiguren daraus.. Wie auf einer Orgel bringt Schuch die Register des Flügels zum Leuchten. Ebenfalls für Violine solo ist die Caprice Nr. 24, die Johannes Brahms seinen Paganini-Variationen zugrunde legt und in denen sich pianistische Brillanz, Humor und Spritzigkeit verbinden.
Eigentlich hatte der Wiener Verleger Anton Diabelli einige Komponisten um eine einzige Variation zu seinem kleinen Walzer gebeten – Beethoven lieferte ein ganzes Heft feinsinnigster und geistreicher Sätze, in denen das eigentlich simple Thema von 16 Takten Länge in immer neuem Licht erscheint. Herbert Schuch präsentiert das Ganze charmant, nutzt es als Schwungrad für die Fülle der Charakterstücke, die darauf folgen. Bald verspielt, bald widerborstig, als tiefsinniges Adagio oder als wilde Toccata dargeboten bilden die Diabelli-Variationen ein vielfarbiges Kaleidoskop klassischer Formen, die Herbert Schuch lustvoll zum Leuchten bringt.