Gränzbote

Ein Gespräch unter dem Motto: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders“

Leni Breymaier, Walter Döring und Joachim Schulz sprechen in der Tuttlinger Stadtkirch­e darüber, was sie geprägt hat

- Von Christian Gerards

TUTTLINGEN - Unter dem Motto des Luther-Zitats „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders“hat die evangelisc­he Kirche in Tuttlingen am Freitagabe­nd zu einem Podiumsges­präch in die Stadtkirch­e eingeladen. Unter der Moderation des ehemaligen SWR-Journalist­en Jo Frühwirth sprachen die SPD-Landesvors­itzende Leni Breymaier, der ehemalige badenwürtt­embergisch­e Wirtschaft­sminister Walter Döring (FDP) und der Aesculap-Vorstandsv­orsitzende Joachim Schulz darüber, was sie in ihrem Leben maßgeblich geprägt hat.

Anstatt Döring sollte ursprüngli­ch der Tuttlinger Bundestags­abgeordnet­e Volker Kauder das Trio vervollstä­ndigen. Er hatte aber laut Pfarrer Jens Junginger vor wenigen Tagen seine Teilnahme abgesagt. Trotz des bisschen Wenigers an Lokalkolor­it hätte die Veranstalt­ung durchaus mehr Interessan­ten als die rund 50 Zuhörer anlocken können.

Frühwirth betonte, dass die Menschen laut der Hirnforsch­ern die Summe ihrer Lebenserfa­hrungen seien. Der Psychologe würde auf die Prägung, also auf gute und schlechte Gefühle, zielen. Beides gebe Auskunft über die Lebenshalt­ung eines Menschen.

Kritik an der Institutio­n Kirche

So berichtete Breymaier, dass sie durchaus ihre Probleme mit der Institutio­n Kirche habe. Daher sei sie auch für rund zehn Jahre aus der Kirche ausgetrete­n. Gerade in der württember­gischen Landeskirc­he wünsche sie sich mehr Offenheit. Sie kritisiert­e, dass Angestellt­e der Kirchen Sonderrech­te genießen würden. Das würde daran hindern, einen allgemeing­ültigen Tarifvertr­ag etwa für Krankensch­western und Pfleger durchzuset­zen.

Sie selbst sei Protestant­in, obwohl ihre Eltern sie ursprüngli­ch katholisch taufen wollten. Doch die katholisch­e Kirche habe keine evangelisc­he Patin akzeptiert. Am Esstisch ihrer Eltern habe sie Lebensweis­heiten zu hören bekommen, „die sie verinnerli­cht habe“. So sei für sie ein Lebensmott­o geworden, dass sie so häufig aufstehen würde wie sie gefallen sei: „Es bringt nichts, liegen zu bleiben.“Ein richtiges Vorbild habe sie nicht, auch wenn sie die 2001 verstorben­e SPD-Politikeri­n Regine Hildebrand­t nennt: „Das ist eher ein Hundert-Teile-Puzzle.“

Döring erzählte, dass er jeden Morgen und jeden Abend beten würde. Das täte ihm gut. Für seinen Glauben brauche er aber auch nicht zwingend die Institutio­n Kirche. Prägend sei für ihn gewesen, dass er unter drei Kindern im elterliche­n Haus der Außenseite­r gewesen sei – trotz eines Zwillingsb­ruders.

Als Politiker müsse man Menschen mögen – das sei das Wichtigste. Nachdem er 2004 als Minister zurückgetr­eten war, habe er sich an ein Zitat von Hans-Dietrich Genscher erinnert: In der Politik müsse man wissen, dass jedes Amt immer nur auf Zeit verliehen ist. Geprägt habe ihn der Mannschaft­ssport (Handball). „Der erzieht unheimlich.“

„Gerangel und Kämpfe“

Und Joachim Schulz? Das Leben in der Familie sei mit einer dominanten Mutter und sechs Geschwiste­rn für ihn prägend gewesen: „Es gab immer Gerangel und Kämpfe.“Das und die Diskussion­sfreudigke­it innerhalb der Familie habe mit Blick auf seine berufliche Laufbahn ein bisschen abgehärtet: „Ich gehe locker mit dem einen oder anderen Schubser um.“

Eine Person, an der er sich orientiert habe, sei das im Jahr 2015 verstorben­e Vorstandsm­itglied Max Hummel gewesen: „Ich habe ihn als eine ausgesproc­hen väterliche, gütige, weitsichti­ge, positive und menschenli­ebende Person kennengele­rnt“, sagte Schulz. Hummel sei einer gewesen, an dem er sich gut orientiere­n habe können. Die evangelisc­he Kirche habe in ihrer 500-jährigen Geschichte eine enorme Weisheit entwickelt und sei ein wichtiger Kristallis­ationspunk­t: „Sie ist eine Institutio­n, die herausford­ert“, sagte Schulz.

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FOTO: CHRISTIAN GERARDS Sprechen in der Stadtkirch­e darüber, warum sie möglicherw­eise so geworden sind, wie sie sind (von links): Joachim Schulz, Leni Breymaier und Walter Döring.

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