Ein Gespräch unter dem Motto: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders“
Leni Breymaier, Walter Döring und Joachim Schulz sprechen in der Tuttlinger Stadtkirche darüber, was sie geprägt hat
TUTTLINGEN - Unter dem Motto des Luther-Zitats „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders“hat die evangelische Kirche in Tuttlingen am Freitagabend zu einem Podiumsgespräch in die Stadtkirche eingeladen. Unter der Moderation des ehemaligen SWR-Journalisten Jo Frühwirth sprachen die SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier, der ehemalige badenwürttembergische Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) und der Aesculap-Vorstandsvorsitzende Joachim Schulz darüber, was sie in ihrem Leben maßgeblich geprägt hat.
Anstatt Döring sollte ursprünglich der Tuttlinger Bundestagsabgeordnete Volker Kauder das Trio vervollständigen. Er hatte aber laut Pfarrer Jens Junginger vor wenigen Tagen seine Teilnahme abgesagt. Trotz des bisschen Wenigers an Lokalkolorit hätte die Veranstaltung durchaus mehr Interessanten als die rund 50 Zuhörer anlocken können.
Frühwirth betonte, dass die Menschen laut der Hirnforschern die Summe ihrer Lebenserfahrungen seien. Der Psychologe würde auf die Prägung, also auf gute und schlechte Gefühle, zielen. Beides gebe Auskunft über die Lebenshaltung eines Menschen.
Kritik an der Institution Kirche
So berichtete Breymaier, dass sie durchaus ihre Probleme mit der Institution Kirche habe. Daher sei sie auch für rund zehn Jahre aus der Kirche ausgetreten. Gerade in der württembergischen Landeskirche wünsche sie sich mehr Offenheit. Sie kritisierte, dass Angestellte der Kirchen Sonderrechte genießen würden. Das würde daran hindern, einen allgemeingültigen Tarifvertrag etwa für Krankenschwestern und Pfleger durchzusetzen.
Sie selbst sei Protestantin, obwohl ihre Eltern sie ursprünglich katholisch taufen wollten. Doch die katholische Kirche habe keine evangelische Patin akzeptiert. Am Esstisch ihrer Eltern habe sie Lebensweisheiten zu hören bekommen, „die sie verinnerlicht habe“. So sei für sie ein Lebensmotto geworden, dass sie so häufig aufstehen würde wie sie gefallen sei: „Es bringt nichts, liegen zu bleiben.“Ein richtiges Vorbild habe sie nicht, auch wenn sie die 2001 verstorbene SPD-Politikerin Regine Hildebrandt nennt: „Das ist eher ein Hundert-Teile-Puzzle.“
Döring erzählte, dass er jeden Morgen und jeden Abend beten würde. Das täte ihm gut. Für seinen Glauben brauche er aber auch nicht zwingend die Institution Kirche. Prägend sei für ihn gewesen, dass er unter drei Kindern im elterlichen Haus der Außenseiter gewesen sei – trotz eines Zwillingsbruders.
Als Politiker müsse man Menschen mögen – das sei das Wichtigste. Nachdem er 2004 als Minister zurückgetreten war, habe er sich an ein Zitat von Hans-Dietrich Genscher erinnert: In der Politik müsse man wissen, dass jedes Amt immer nur auf Zeit verliehen ist. Geprägt habe ihn der Mannschaftssport (Handball). „Der erzieht unheimlich.“
„Gerangel und Kämpfe“
Und Joachim Schulz? Das Leben in der Familie sei mit einer dominanten Mutter und sechs Geschwistern für ihn prägend gewesen: „Es gab immer Gerangel und Kämpfe.“Das und die Diskussionsfreudigkeit innerhalb der Familie habe mit Blick auf seine berufliche Laufbahn ein bisschen abgehärtet: „Ich gehe locker mit dem einen oder anderen Schubser um.“
Eine Person, an der er sich orientiert habe, sei das im Jahr 2015 verstorbene Vorstandsmitglied Max Hummel gewesen: „Ich habe ihn als eine ausgesprochen väterliche, gütige, weitsichtige, positive und menschenliebende Person kennengelernt“, sagte Schulz. Hummel sei einer gewesen, an dem er sich gut orientieren habe können. Die evangelische Kirche habe in ihrer 500-jährigen Geschichte eine enorme Weisheit entwickelt und sei ein wichtiger Kristallisationspunkt: „Sie ist eine Institution, die herausfordert“, sagte Schulz.