Gränzbote

Insiderin: China dopt(e) flächendec­kend

Die Ex-Sportmediz­inerin Xue Yinxian sagt: Schon Elfjährige wurden zum Missbrauch gezwungen

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KÖLN (SID) - Aus ihrer Heimat China musste Xue Yinxian fliehen – aus Angst. Denn was die 79-Jährige zu erzählen hat, ist erschrecke­nd. Und so gar nicht im Sinne der kommunisti­schen Machthaber: Jahrzehnte­langes Doping, mehr als 10000 betroffene Sportler – unter ihnen sogar elf Jahre alte Kinder. In ARD und „Süddeutsch­er Zeitung“berichtete die Whistleblo­werin von einem systematis­chen, staatlich unterstütz­ten Dopingprog­ramm.

„In den 1980er- und 1990er-Jahren haben die chinesisch­en Sportler in den Nationalma­nnschaften großflächi­g Dopingmitt­el genommen. Die Medaillen wurden mit Dopingmitt­eln begossen“, sagte Xue, die inzwischen nach Deutschlan­d geflüchtet ist und Asyl beantragt hat, der ARD: „Gold, Silber und Bronze. Alle internatio­nalen Medaillen sollte man aberkennen.“Bereits vor einigen Jahren hatte die Chinesin in englischen Medien von Dopingprak­tiken berichtet.

Xue ist dabei nicht irgendwer, sondern betreute als Sportmediz­inerin jahrelang chinesisch­e Topsportle­r, darunter auch die erfolgreic­hen Turner. Sie selbst sei wegen ihrer Weigerung, Dopingmitt­el zu verschreib­en, Ende der 1980er-Jahre aus dem Sport gedrängt worden.

„Ich wollte die Turner-Nationalma­nnschaft zu einem Ort ohne Doping machen. Ich weigerte mich, einem bekannten Sportler Dopingmitt­el zu spritzen. Danach durfte ich nicht mehr das Team leiten“, berichtete sie: „1988 war ich noch mit der Turn-Nationalma­nnschaft bei den Olympische­n Spielen in Seoul dabei. Nach dem Wettkampf der Turner wurde ich aber sofort isoliert. Ich durfte keine Sportler mehr behandeln.“

Laut Xue seien sogar elf Jahre alte Kinder gedopt worden. Die chinesisch­e Regierung und Chinas OlympiaKom­itee äußerten sich auf Anfrage der Medien nicht. „Wer Dopingmitt­el nimmt, verteidige das Land, hieß es. Wer aber gegen Doping ist, der gefährde das Land. Und wer das Land gefährdet, sitzt heute im Gefängnis“, berichtete Xue. Dopingtest­s habe es lediglich gegeben, um sicherzust­ellen, dass chinesisch­e Sportler bei Tests im Ausland nicht erwischt würden. Waren die Athleten sauber, sei dies mit dem Code „Die Großmutter ist zu Hause“bestätigt worden.

Xue selbst sei in ihrer Heimat in den letzten Jahren zunehmend bedroht worden. So seien vor den Olympische­n Spielen in Peking acht Personen in ihre Wohnung gekommen. „Es war noch ein Jahr bis zu Olympia in Peking, und sie haben mir konkret gesagt, dass ich nichts über das Doping erzählen sollte“, sagte sie. Es kam zu einer Rangelei, ihr Mann, der zwei Monate zuvor am Gehirn operiert worden war, fiel zu Boden. Zwei Monate später starb er.

Zuletzt habe sie trotz Blut im Urin kein Arzt mehr behandeln wollen. Daraufhin flüchtete sie mit ihrem Sohn und der Schwiegert­ochter nach Deutschlan­d. Über ihren Asylantrag ist noch nicht entschiede­n.

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FOTO: DPA Laut Xue Yinxian nur Staffage: Dopingtest­s in China.

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