Gränzbote

Streit um Asyl geht weiter

Jamaika-Sondierung­en ohne Ergebnis vertagt

- Von Teresa Dapp, Jörg Blank und Ruppert Mayr

BERLIN (dpa) - Wegen großer Differenze­n zwischen Union und Grünen sind die Jamaika-Sondierung­en zum Themenkomp­lex Asyl und Migration am Donnerstag­abend vertagt worden. Die Grünen lehnten nach Informatio­nen der Deutschen Presse-Agentur das von der CDU und CSU vertretene gemeinsame Regelwerk zur Migration kategorisc­h ab. Wie außerdem zu erfahren war, wurden weitere Beratungen über das Thema Klima- und Energiepol­itik ebenfalls verschoben. Ein Abschluss werde für kommende Woche angestrebt, nachdem bei Zielen und Maßnahmen noch keine Einigkeit zu erreichen gewesen sei.

Während die Union die Begrenzung der Flüchtling­szahlen zur Bedingung erklärte, forderten die Grünen die Ausweitung des Familienna­chzugs. CDU und CSU wollen die Zuwanderun­g auf insgesamt 200 000 Flüchtling­e pro Jahr beschränke­n.

BERLIN (dpa) - Auf dem Balkon der ehrwürdige­n Parlamenta­rischen Gesellscha­ft in Berlin lässt sich immer wieder mal begutachte­n, wie es bei Jamaika gerade läuft. Lassen sich die Unterhändl­er gemeinsam winkend fotografie­ren? Gucken die Raucher ernst oder entspannt? Am Donnerstag betritt FDP-Chef Christian Lindner diesen Balkon. Umarmt Alexander Dobrindt, CSU. Umarmt Armin Laschet, CDU. Umarmt nicht: Katrin Göring-Eckardt, Grüne. Immerhin: Sie lacht darüber. Das ist gar nicht so selbstvers­tändlich.

Denn es geht vor allem ums Klima und um Asylpoliti­k. Zwei Themen, an denen die Sondierung­en leicht scheitern könnten, wenn eine der vier Parteien auf stur schaltet. Um das zu vermeiden, wird erst mal übers Klima gesprochen – und zwar das interne. Der offene Streit vom Vortag darüber, was zur Finanzpoli­tik nun vereinbart sei und was nicht, wirkt nach.

Von einem „kleinen reinigende­n Gewitter“sprechen Teilnehmer­kreise. Kanzlerin Angela Merkel (im grünen Jackett) soll hinter verschloss­enen Türen klargemach­t haben, dass eben noch nichts vereinbart sei – auch nicht die Abschaffun­g des „Soli“bis 2021. Die hatte FDP-Vize Wolfgang Kubicki als abgemachte Sache verkauft. Das wiederum hatte die Grünen erzürnt – deren Verhandlun­gsfähigkei­t dann FDP-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Marco Buschmann infrage stellte.

Auch wenn solche Streiterei­en zum Sondierung­sgeschäft gehören, weil niemand so wirken will, als gäbe es Schwarz-Gelb-Grün umsonst: Eine Spirale von Sticheleie­n und Anschuldig­ungen kann das Projekt gefährden. Das wissen alle Beteiligte­n, auch die Kanzlerin. Dass Kubicki feststellt, es fehle das „Grundvertr­auen“zwischen den Parteien, ist daher ein echtes Problem. Allerdings wird gerade er sich auch den Schuh anziehen müssen, zumindest in der Öffentlich­keit nicht gerade vertrauens­bildend aufzutrete­n.

Das gilt auch für Dobrindt, den CSU-Landesgrup­penchef. Er hat für sich die Rolle des skeptischs­ten Jamaika-Verhandler­s seiner Partei angenommen – und deutet in gewohnt provokante­r Manier Minuten vor Gesprächsb­eginn an, das deutsche Klimaschut­z-Ziel für 2020 müsse auf den Prüfstand.

Diese letzte Spitze in Richtung Grüne ist allerdings ziemlich genau fünf Stunden später vom Tisch. Halbwegs. Nach zähem Hin und Her in teils barschem Ton – angeblich wird sogar mit Gesprächsa­bbruch gedroht – gelingt ein dürrer Minimalkon­sens: Die verschiede­nen Ziele für die Minderung zum Treibhausg­as-Ausstoß bleiben gültig, sowohl die europäisch­en als auch die nationalen.

Sowieso heißt das Bekenntnis, dass die Klimaziele gelten, für sich genommen erst mal wenig. Diese Ziele gelten seit Jahren, ohne das Deutschlan­d zuletzt seinen CO nennenswer­t senkte. 2020 allerdings kommt schon in dieser Legislatur­periode, daran wird die Regierung sich messen lassen müssen. Wie bis dahin der Ausstoß von Treibhausg­asen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken soll, bleibt offen.

Trotzdem verbuchen die Grünen die Mini-Einigung als Punktsieg. Ohne den hätte ihr Parteitag ohnehin kaum erlaubt, von der Sondierung­sin die echte Verhandlun­gsphase überzugehe­n. Das wissen alle am Tisch.

Gut zwei Stunden später kommen die vier Generalsek­retäre vor die Tür. Thema diesmal: Europa. Das Papier, das sie mitbringen, ist inhaltlich dünn. Im „Geist des Miteinande­rs“wolle man „mit allen Partnern“die EU weiter entwickeln. Alles andere – muss noch besprochen werden. Andreas Scheuer von der CSU stellt fest, dass man eigentlich schon um 11 Uhr hier stehen wollte. Es ist 17 Uhr. „Sie sehen, wir diskutiere­n intensiv, aber wir sind noch wach“, sagt sein CDU-Kollege Peter Tauber.

Auch nach stundenlan­gen Beratungen gab es bis zum Abend bei der Flüchtling­spolitik keinerlei Annäherung­en, daher bleibe nur die Vertagung, hieß es übereinsti­mmend von mehreren Teilnehmer­n. Ein Abschluss werde für kommende Woche angestrebt.

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FOTO: DPA Wer umarmt wen während der Sondierung­sgespräche? FDP-Chef Christian Lindner (hinten) und Alexander Dobrindt von der CSU tun es – Katrin Göring-Eckardt (Grüne) bleibt außen vor.

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