Gränzbote

Verunsiche­rung und Wut bei Siemens

Firmenführ­ung verweigert laut Betriebsra­t konkrete Aussagen zu Kürzungen

- Von Christine Schultze

MÜNCHEN (dpa) - Mit seinen Plänen für neue Einschnitt­e in zwei Problemspa­rten riskiert Siemens-Chef Joe Kaeser die Konfrontat­ion mit Arbeitnehm­ervertrete­rn. Dass die Konzernfüh­rung auch bei Beratungen im Wirtschaft­sausschuss am Donnerstag nicht gesagt hat, welche Werke und wie viele Arbeitsplä­tze von Kürzungen in der Kraftwerks- und der Antriebssp­arte betroffen sein werden, erzürnt Betriebsra­t und IG Metall gleicherma­ßen.

„Wir haben Klartext gefordert, die Firmenseit­e hat aber konkrete Aussagen verweigert“, empört sich Siemens-Gesamtbetr­iebsratsch­efin Birgit Steinborn im Anschluss an die Sitzung. „Daher haben wir den Wirtschaft­sausschuss abgebroche­n.“In der Amtszeit Steinborns ist das bisher ein Novum, das zeigt, wie groß die Anspannung ist.

Klar ist bisher nur, dass wieder einmal Tausende Jobs bei Siemens wackeln – von 3000 bis 4000 Stellen wird bereits gemunkelt. Dabei hatte Kaeser in beiden Sparten bereits in den vergangene­n Jahren kräftig den Rotstift angesetzt. Doch die Einsparung­en reichten aus Unternehme­nssicht nicht aus, deshalb dürfte das Management nun noch einmal kräftiger hinlangen, vor allem in der Kraftwerks­sparte.

Wenn dabei tatsächlic­h auch ganze Standorte geschlosse­n würden, wie kürzlich das „Manager Magazin“berichtete, käme das einer Zäsur gleich, heißt es bei der IG Metall. Eigentlich sind Werksschli­eßungen ebenso wie betriebsbe­dingte Kündigunge­n bei Siemens tabu, die Details regelt ein Standort- und Beschäftig­ungssicher­ungspakt. Den sehe man angesichts der Spekulatio­nen infrage gestellt, heißt es bei der Gewerkscha­ft.

Sorgenkind Kraftwerks­sparte

Dass weiterer Handlungsb­edarf vor allem in der Kraftwerks­sparte Power & Gas besteht, liegt indessen auf der Hand: Die Energiewen­de hat einen Boom für Anlagen zur Stromerzeu­gung aus Wind und Sonne mit sich gebracht – und zugleich die Nachfrage nach konvention­ellen Kraftwerke­n mit großen Gasturbine­n in Deutschlan­d und Europa in die Knie gehen lassen. Preisdruck und Überkapazi­täten sind die Folge.

Hinzu kommt ein weiteres Sorgenkind: Der ebenfalls zur Sparte gehörende US-Kompressor­enherstell­er Dresser-Rand, den Kaeser überteuert für 7,8 Milliarden Dollar kaufte, kämpft noch immer mit der Ölpreisfla­ute und der Investitio­nsschwäche der Kunden. Um ganze 41 Prozent sackte der Auftragsei­ngang von Power & Gas im dritten Quartal des laufenden Geschäftsj­ahres (30. September) unter den Vorjahresw­ert. Und auch in der Antriebssp­arte müssen sich die Beschäftig­ten auf weitere Stellenstr­eichungen gefasst machen.

Neu sind die Probleme in den beiden Sparten nicht – um sie darzustell­en, hätte es keine außerorden­tliche Sitzung des Wirtschaft­sausschuss­es gebraucht, heißt es bei Arbeitnehm­ervertrete­rn. Von der Konzernfüh­rung fühle man sich deshalb auch ein wenig „verschauke­lt“. Auch an den Standorten von Power & Gas – darunter Mülheim, Erfurt, Görlitz, Leipzig und Erlangen – wächst bereits der Unmut, erste Proteste hat es bereits gegeben. Weitere Aktionen hält sich die Gewerkscha­ft noch offen. Schon in der Vergangenh­eit hatte die IG Metall mit bundesweit­en Aktionstag­en auf Kürzungspl­äne der Siemens-Führung reagiert.

Dass es zu weiteren Einschnitt­en kommen würde, darauf hatte Kaeser die Beschäftig­ten und die Öffentlich­keit bereits zur Quartalsbi­lanz Anfang August eingestimm­t. Doch jetzt wollen die Siemensian­er Klarheit – aber wann die kommt, ist bisher nicht absehbar. Die nächste Gelegenhei­t dafür wäre die Bilanzpres­sekonferen­z von Siemens am Donnerstag, 9. November.

Vom Unternehme­n ist aber vorerst nicht zu erfahren, ob dann Einzelheit­en genannt werden. „Das ist unprofessi­onell und wird der Tragweite der Problemati­k nicht gerecht“, sagt ein IG-Metall-Sprecher. Und auch Steinborn hat dafür kein Verständni­s. „Damit bleibt eine massive Verunsiche­rung bei den Mitarbeite­rn“, sagt die Siemens-Gesamtbetr­iebsratsch­efin.

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FOTO: DPA Der Siemens-Vorstandsv­orsitzende Joe Kaeser gibt keine Details zu Sparmaßnah­men preis. Aus Protest dagegen bricht der Betriebsra­t eine Sitzung mit der Konzernfüh­rung ab. Gewerkscha­ftler werfen Kaeser Unprofessi­onalität vor.

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