Gränzbote

„Orchester haben immer größere Schwierigk­eiten“

Musikschul­direktor Klaus Steckeler über aktuelle Tendenzen in der Musikschul­e

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Nachdem im Februar fünf Zweigstell­en der Musikschul­e Tuttlingen ihre Verträge mit der Musikschul­e gekündigt haben (wir haben berichtet), hat sich Redakteuri­n Sabine Krauss mit Musikschul­direktor Klaus Steckeler darüber unterhalte­n, wie es nun weitergeht – aber auch darüber, wo die aktuellen Tendenzen liegen.

Herr Steckeler, wie weit sind Sie in den Gesprächen mit den Zweigstell­engemeinde­n der Musikschul­e?

Erst jüngst gab es ein Treffen von OB Michael Beck und den Bürgermeis­tern der beteiligte­n Städten und Gemeinden. Über die Ergebnisse gibt es demnächst eine Erklärung, der ich nicht vorgreifen möchte.

Wo sehen Sie generell die Bedeutung der musikalisc­hen Bildung in der heutigen Zeit?

Sie ist größer denn je. Nur durch gute Pädagogik können wir etwas gegen die Zurückentw­icklung der Musikkultu­r in unserem Land tun. Wie soll ich es sagen – durch die Dominanz der Musikindus­trie entsteht eine mediale Trivialisi­erung, eine Vereinfach­ung der Musik. Zu uns kommen Kinder, die davon überzeugt sind, dass Dieter Bohlen der größte Musiker Deutschlan­ds ist. Auch in unserer Region sollte die Tendenz sein, die Musikschul­e mitzugesta­lten und ihren Bildungsau­ftrag zu unterstütz­en.

Wie viele Schüler hat die Musikschul­e denn zur Zeit?

Im Hauptfachb­ereich sind es rund 1400 – also bei der frühkindli­chen Musikerzie­hung, der Grundlagen­pädagogik und beim Instrument­alunterric­ht. Was dazugekomm­en ist, sind etliche Kooperatio­nen mit Kindergärt­en und Grundschul­en, dadurch erreichen wir gerade noch einmal so viele Kinder. Vergleicht man uns mit anderen Musikschul­en in der Region, kann man sagen, dass wir sehr breit aufgestell­t sind und nicht nur Elite sind, wie es immer heißt. Die sind wir natürlich auch (lacht), aber eben nicht nur.

Welche Instrument­e sind beliebt, welche eher nicht?

Hier zeigt sich leider eine gesellscha­ftliche Entwicklun­g, die ich Vereinzelu­ng nenne. Die Leute lernen Instrument­e, die sie alleine spielen können. Gitarre erfährt zur Zeit einen großen Boom, auch Klavier ist beliebt. Nicht beachtet wird häufig, dass es jedoch das soziale Miteinande­r ist, das den Spaß am Instrument erst so richtig bringt – die tolle Kultur des gemeinsame­n Musizieren­s.

Schwierig für die Orchester...

Ja, die Orchester haben immer größere Schwierigk­eiten. Das betrifft besonders viele Musikverei­ne. Das Städtische Blasorches­ter ist noch ganz gut aufgestell­t, aber das liegt daran, dass wir eine andere Zielrichtu­ng haben als ein Musikverei­n – auch bei der Musik. Wo es in Tuttlingen gerade fehlt, ist bei den Bläsern – sei es Waldhorn, Tuba, Posaune oder Bariton. Auch völlig eingebroch­en ist Klarinette, was einst so beliebt war. Und die Streichins­trumente. Ich führe das weniger auf die Instrument­e selbst zurück, als auf die soziale Veränderun­g, dass viele sich nicht mehr auf Ensembles einlassen wollen. Und viele der genannten Instrument­e kommen eben nur in einem Orchester so richtig zur Geltung.

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FOTO: SABINE KRAUSS Musikschul­direktor Klaus Steckeler beklagt das immer geringer werdende Interesse am gemeinsame­n Musizieren in einem Orchester.

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