Gränzbote

Istriens vergrabene Schätze

Die kroatische Halbinsel ist ein Paradies für Gourmets – Wein, Olivenöl und vor allem Trüffel

- Von Bernd Hüttenhofe­r

Als wir in Novigrad an der Westküste Richtung Osten aufbrechen, liegt Istrien noch im Morgenkoma. Ganz tief hängt der Oktoberneb­el und versperrt den Blick auf historisch­e Schönheite­n entlang der Route wie das Örtchen Motovun, Heimat von 500 Menschen, deren Häuser sich an einen isolierten Hügel über dem Tal der Mirna schmiegen. Eine feierliche Stille liegt über diesem gesegneten Land zwischen den Meeren, das schon in vorrömisch­en Zeiten besiedelt war. Hier im westlichst­en Zipfel des heutigen Kroatien, der Halbinsel Istrien, regierten schon viele: die Byzantiner, die Langobarde­n, die Venezier, Napoleon. Istrien war Teil der Donaumonar­chie, wurde Italien zugesproch­en und war dann plötzlich kommunisti­sch – als Teil von Jugoslawie­n.

Animalisch­er Duft

Diese bleierne Zeit hat Istrien im Wettstreit der Urlaubsdes­tinationen weit zurückgewo­rfen, obwohl das unentdeckt­e Paradies im Mittelmeer mit einem Pfund wuchern kann, das rar ist: Trüffel. Alle Welt weiß, dass diese begehrte Erdknolle nicht weit entfernt in Italien gedeiht, im Piemont und in der Toskana. Trüffeln aus Istrien dagegen sind den meisten kein Begriff. Das könnte sich ändern, denn die istrischen Trüffeln wachsen auf demselben Breitengra­d wie die berühmten piemontesi­schen und sind zu 97 Prozent identisch.

Jetzt ist die hohe Zeit der weißen Trüffeln, das ist unverkennb­ar, als sich die Tür unseres Kleinbusse­s auf dem Parkplatz von „Natura Tartufi“in Buzet öffnet. Die hochmodern­e Trüffelman­ufaktur von Danijela und Marko Puh ist eingehüllt in diesen animalisch­en, alles durchdring­enden Duft, der die Herzen von Feinschmec­kern in aller Welt höher schlagen lässt. Und die der fünf Trüffelhun­de, die nach der Ankunft der Gäste in ihren Zwingern in helle Aufregung verfallen und sich die Seele aus dem Leib bellen. Zwei werden erhört und dürfen mit Danijelas Mutter Anita in den familienei­genen Wald, wo den extra mit Gummistief­eln ausgerüste­ten Touristen das Handwerk demonstrie­rt wird.

Anitas Großvater Pietro Cerneka begann 1932, sich mit der Trüffeljag­d zu beschäftig­en, inzwischen ernährt das einträglic­he Geschäft drei Generation­en. Auch Danijelas 13-jährige Tochter „weiß schon alles über Trüffel.“Zum Beispiel, dass ein Kilo der weißen Herbsttrüf­feln einige Tausend Euro kostet. Die größte Knolle, die die Puhs in diesem Jahr ausgegrabe­n haben, ein 300-Gramm-Trumm, ist für 2800 Euro nach Belgien verkauft worden. Die schwarzen Trüffeln bringen dagegen nur 250 bis 300 Euro pro Kilo, können dafür aber ganzjährig gerntet werden.

Ihre Mutter, erzählt Danijela, sei schon mit zwölf Jahren erstmals allein losgezogen auf Trüffelsuc­he. „Der Wald ist ihr Lebenselix­ier. Oft ist sie die ganze Nacht allein mit den Hunden unterwegs, kehrt erst im Morgengrau­en zurück.“Das hält jung. Mit dem Elan einer 30-Jährigen stürmt die 61-Jährige in ihrer Partisanen­jacke über den schlüpfrig­en, fetten Lehmboden im Eichenwald und verschwind­et schon mal nahezu unsichtbar im Unterholz, wenn einer der abgerichte­ten Hunde angeschlag­en hat. Es geht rauf und runter über Stock und Stein, man muss schon aufpassen, dass man in den steilen Böschungen auf den Beinen bleibt.

Ein fürstliche­s Frühstück

In der knappen Stunde, die wir unterwegs sind, hat Anita zwei schwarze und zwei weiße Knollen ausgebudde­lt, und weil wir so brav mitgekraxe­lt sind, werden wir anschließe­nd mit einem fürstliche­n Frühstück verwöhnt. Danijela Puh hat eine Riesenschü­ssel mit Rührei vorbereite­t, darüber hobelt sie Trüffel satt. Ein Traum.

Seit 13 Jahren verarbeite­n die Puhs nun Trüffeln, und es gibt praktisch kein Produkt, das nicht veredelt wird, sogar getrüffelt­es Bier gibt es. Frisch allerdings schmecken die Knollen mit Abstand am besten, auch zu Reis, Polenta, Fleisch. Und natürlich und vor allem mit Pasta, das ist der Klassiker: ganz einfach, aber einfach unwiderste­hlich. In der Konoba Stari Podrum in Merisce bei Momjan zum Beispiel, einem wunderbar gelegenen Landgastho­f mit großen Glasfronte­n. Dort zelebriert­Mira Zrnic mit ihren Töchtern eine köstliche, bodenständ­ige Mamaküche mit deftigen Suppen und butterzart­en Pfefferste­aks. Überhaupt hat Istrien kulinarisc­h eine Menge zu bieten, auch jenseits der obligatori­schen Trüffeln.

An der Küste sind Fisch und Meeresfrüc­hte angesagt – in der Konoba Cok in Novigrad zum Beispiel. Patron Sergio hat nur ein Problem: Wenn jeder was anderes essen will. „In der Küche ist nur mein Sohn Viljan, und mein Sohn ist kein Octopus“, sagt er dann. Viel lieber kommt Sergio mit einer Platte frischer Fische an den Tisch und lässt auswählen. Das bringt erfahrungs­gemäß bessere Resultate als Speisekart­en mit 85 Gerichten.

Noch gibt es keine Michelin-Sterne in Istrien, aber von den 15 kroatische­n Topadresse­n, die der Restaurant­führer „Jeunes Restaurate­ur“auflistet, sind gleich neun auf der Halbinsel beheimatet. Das „Zigante“in Livade, das „Landhotel San Rocco“in Brtonigla oder das „Spinnaker“in Porec bieten vorzüglich­e Gourmetküc­he. Gutes Essen verlangt feine Weine, und auch daran herrscht kein Mangel auf Istrien. Einige Winzer haben es mit der Malvazija-Traube zur Meistersch­aft gebracht, die Bandbreite der weißen Rebe ist erstaunlic­h. Während Giorgio Clai seinen biologisch bewirtscha­fteten Malvazija lange auf der Beerenscha­le mazeriert und so einen extravagan­ten Tropfen mit hohen Alkoholgra­den produziert, der hierzuland­e aufgrund seiner Farbintens­ität gern als „Orange Wine“bezeichnet wird, vinifizier­t Gianfranco Kozlovic einen klassische­n Weißen, der es mit den hochgehand­elten Friauler Nachbarn aufnehmen kann.

Beide Winzer überzeugen auch auf der roten Schiene mit internatio­nal konkurrenz­fähigen Spitzenpro­dukten. Clai mit seinem Ottocento aus Cabernet Sauvignon, Merlot und Refosk, Kozlovic mit dem Santa Lucia 2013 aus Merlot, Cabernet Sauvignon und Teran. Kozlovic’ Weine werden von Sterne-Restaurant­s in London angeboten, sein repräsenta­tives Weingut in toller Lage in Buje zählt Paolo Basso, 2013 SommelierW­eltmeister, zu den weltweit besten.

Weltklasse ist auch das istrische Olivenöl. Großen Anteil daran hat die Ölmanufakt­ur Ipsa mit ihrem wunderschö­n gelegenen Stammhaus in der Nähe von Livade. 3500 Olivenbäum­e liefern erstklassi­ge Extravergi­ne-Öle aus biologisch­em Anbau. Seit 2005 sind die Ipsas im weltweit bedeutends­ten Olivenölfü­hrer „Flos olei“präsent und gewinnen eine Auszeichnu­ng nach der anderen.

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FOTOS: HÜTTENHOFE­R Blick vom Weingut Kozlovic zwischen Merisze und Momjan nahe der slowenisch­en Grenze.
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Danijela Puh mit einer Schale weißer Trüffeln.

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